idealismus.

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Ein Blick in ausführliche Nachschlagewerke ist ratsam. Ein Idealist zeichnet sich durch Idealismus aus. Das Wort hat aber verschiedene Bedeutungen und erst in einem genannten Zusammenhang wird klar, welcher Begriff zugrundegelegt wird.

1) Philosophie

Idealismus ist eine philosophische Richtung, die Ideen eine wesentliche Bedeutung zuspricht (wichtige Vertreter sind z. B. Platon und Denker des Deutschen Idealismus wie Fichte, Schelling und Hegel). Er kann auf mehreren Gebieten und in Varianten auftreten.

a) Metaphysik: Wahres Sein hat nur die Idee/der Geist/das Geistige als Vernunft und/oder Wille. Das Wesen der Welt liegt darin. Ideen/das Geistige sind ein letzter Grund des Geschehens. Idealisten gehen davon aus, die wahrnehmbare Wirklichkeit sei ein Abbild von Ideen bzw. von Prinzipien (die auch Materie organisieren) durchwirkt (objektiver Idealismus) oder materielle Dinge/die sichtbare Welt seien erst durch Ideen/geistige Einflüsse entstanden und deren Erscheinungsformen, wobei das Bewußtsein das Sein bestimmt (subjektiver Idealismus). Gegensatz zum Idealismus ist ein Materialismus.

b) Erkenntnistheorie: Die Außenwelt ist dem Subjekt nicht fertig vorgegeben, sondern sie wird erst über Ideen erkannt (das Denken kann diese als etwas Bestimmtes erfassen bzw. das Subjekt konstruiert die im Bewußtsein bestehende Welt, die von seinen Setzungen abhängt, an eine andere, von unserer Sichtweise völlig unabhängige Welt kommen wir nicht heran). Gegensatz zum Idealismus ist Empirismus. Besonders im Mittellalter gab es eine Auseinandersetzung über die Einstufung der Allgemeinbegriffe (Universalienstreit). Idealisten sahen in den Allgemeinbegriffen (Universalien lateinisch = universalia) etwas Wirkliches, das den Dingen vorausgeht. Die Überzeugung von einer solchen Wirklichkeit (Realität) der Ideen wurde Realismus (Ideenrealismus) genannt. In diesem Zusammenhang sind also die Realisten die Idealisten. Gegensatz zum Idealismus = Realismus war der Nominalismus. Die Nominalisten hielten die Einzeldinge für die wahre Wirklichkeit, die Allgemeinbegriffe für bloße Namen (Name lateinisch = nomen) und nicht außerhalb der Einzeldinge existierend außer in Gedanken von Subjekten.

C) Ethik und Ästhetik: der ethische Idealismus glaubt an die absolute Gültigkeit ethischer Werte (Ideale). Der ästhetische Idealismus sieht das Ziel der Kunst darin, Ideen darzustellen und Ideale zum Vorschein zu bringen.

2) Umgangssprache; Politik und Gesellschaft, besonders im Bereich internationaler Beziehungen Idealisten orientieren sich an Idealen und bemühen sich stark um ihre Umsetzung. Ihr Handeln geht über das tägliche Alltagsleben hinaus. Ziel ist die Verwirklichung von Werten. Diese werden auch angestrebt, wenn die Verwirklichung schwierig zu erreichen ist und Opfer verlangt. Die menschliche Natur ist nach ihrer Weltanschauung den Guten zugänglich. Menschen können grundsätzlich durch Erziehung und Überzeugung für vernünftiges Handeln gewonnen werden. Idealisten schätzen meistens Harmonie und Frieden. Zum Teil können Idealisten die Auffassung haben, wer nicht freiwillig Einsicht in das Vernünftige zeige, dürfe mit Recht auch durch Druck auf den „richtigen Weg“ gebracht werden, der ins Glück führe. Gegensätze zum Idealismus sind Egoismus, Opportunismus, Zynismus, Materialismus (dabei geht es nicht um die Materie, sondern eine Beschränkung der Interessen und Ziele auf materielle Dinge (Essen und Trinken, Sex, Geld, dauerhafte Konsumgüter und Ähnliches) und Realismus (Es wird von einer menschlichen Natur ausgegangen, die böse, egoistisch und machtbesessen sein kann. Nutzen und vorhandene Machtstrukturen spielen eine große Rolle und sind entsprechend zu berücksichtigen. Idealismus und Realismus sind dabei nicht völlig gegensätzlich, sondern es gibt eher eine Skala des Mehr und Weniger, wobei die beiden Ansätze in den Prioritäten auseinandergehen können.).

LiloB  07.07.2009, 19:01

Das ist eine so perfekte Antwort, daß ich sie mir ausdrucken möchte. Fragt sich nur wie? Ich versuche mal, sie herunterzuladen. Danke- ich lerne mal wieder dazu - und gern!

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Idealisten gehen von der Wirklichkeit einer ideellen Welt aus.

Die früheren Idealisten (Platoniker) unterschieden zwischen Sein (Welt der Ideen) und Schein (Welt des sinnlich Gegebenen). Diesen Unterschied demonstriert Platons berühmtes Höhlengleichnis: Die Normalsterblichen verbringen ihr ganzes Leben wie in einer Höhle, wo sie nur Schattenwürfe zu Gesicht bekommen. Ihre Überzeugung lautet sozusagen: "Ich kenne das Leben, ich bin im Kino gewesen." Nur recht selten einmal bemerkt ein solcher Höhlenbewohner, dass er an seinen "Kinositz" gefesselt ist. Indem er das bemerkt, sucht er sich zu befreien. Sobald ihm das gelingt, kann er sich erstmals umwenden und der Kinosituation überhaupt einmal innewerden. Er erkennt: Seine bisherige Wirklichkeit ist ihm bloß vorgespielt, vorgegaukelt worden. Nun drängt es ihn zum Kinoausgang, aus der Höhle heraus. Das ist zwar nicht so leicht, wenn man bedenkt, wie steif seine Glieder vom dauernden Sitzen sein müssen. Aber etwas in ihm erinnert ihn, dass er einstmals als Kino-Gänger in das Kino hinein gekommen ist. Dank der so lange allzu getrübten Erinnerung ("Anamnesis") wächst seine Zuversicht, in die taghelle Außenwelt der nur schwach beleuchteten Höhle zu gelangen. Diesen Lichtverhältnissen entsprechend, tun dem Befreiten die Augen weh. Doch es ist der erleuchtende Schmerz der Entwöhnung, den er auszuhalten hat. So entdeckt er schließlich die Sonne als Strahlungsquelle allen Lichts, von dem das gewohnte Höhlenleben der Normalsterblichen nur einen schwachen Widerschein abbekommt. Dem Glücklichen im Licht der Sonne ist darum nichts angelegentlicher, als den im Höhlenkino noch Gefesselten die frohe Botschaft von einem besseren Leben zu überbringen. Unter den gegebenen Umständen lässt sich denken: Dieser Weg wird kein leichter sein. Man wird ihn als "Idealisten" kaum Ernst nehmen und am Ende gar eher töten, als von zwar kümmerlichen, aber liebgewordenen Lebensgewohnheiten abzulassen.

Die späteren Idealisten (Cartesianer) unterschieden zwischen Ich (subjektiver Wirklichkeit) und Nicht-Ich (objektiver Wirklichkeit). Diesen Unterschied demonstriert Descartes' berühmtes "Cogito ergo sum" (Ich denke, also bin ich): Alles, was man sich vorstellen ("ide-ieren") kann, ist "an sich" zweifelhaft; allein das Vorstellen selber ist ein unbezweifelbarer Tatbestand, ein "unerschütterliches Fundament" allen Erkennens. Die Subjektivität ("res cogitans" = denkende, vorstellende Sache) ist demnach die grundlegende Realität; dagegen ist die Objektivität ("res extensa" = ausgedehnte, messbare Sache) nur eine abgeleitete, ideell erzeugte Realität. So gesehen, ist das Subjektivste das Objektivsten; denn nichts kann so gewiss sein wie das eigene (vorstellende) Denken, und wäre es bloß ein zweifelndes.

Es gibt nun kritische Idealisten (Kantianer), die eher beklagen als stolz sind, auf bloße Vorstellungen festgelegt zu sein, während das (bewusstseinstranszendente) "Ding an sich" dem menschlichen Erkenntnisvermögen keinesfalls zugänglich ist. Sie finden sich indessen mit dieser traurigen Wissenschaft ab und versuchen das Beste daraus zu machen, indem sie zum Beispiel weniger auf die einsame ("solipsistische") Subjektivität setzen als auf die kommunikative Intersubjektivität (Habermas). Nicht der selbstherrliche Verstand, sondern die dialogische Verständigung (der "Diskurs") kommt der Wahrheit noch am nächsten ("Konsenstheorie").

Was Idealisten stets auszeichnet: sie wählen ihren Standpunkt mit Bedacht, sind also keinesfalls naiv. Eher sind sie verzweifelt, denn sie können nicht von dem Riss absehen, der durch die Welt geht. Darum neigen sie auch zu Verzweiflungstaten - gegen andere und/oder sich selber. Es sei denn, dass sie es in weiser Resignation unterlassen, aufs Ganze zu gehen.

Ein realistischer Idealist ist ein Mensch, der sich nicht von jeder Realität terrorisieren lässt, aber die unabänderlichen anerkennt. (...)

Er will dem Ideal entsprechen bzw. alles dem Ideal entsprechen lassen.