Ich will nicht in dieser Generation leben - was kann ich tun?

11 Antworten

Ich glaube, du hast eine sehr romantische Vorstellung von dem Leben früher. Das war nicht nur anstrengender, sondern von extrem vielen Entbehrungen geprägt, vom Krankheit, von Kinderarbeit, von Armut und einer höheren Sterblichkeit, weil es keine oder kaum eine medizinische Versorgung so wie heute gab. Auf vieles von dem Schischi, den wir heute haben, kann man auch gerne verzichten, weil es quasi Luxus ist, aber es bleiben die Annehmlichkeiten, die wir heute viel zu oft als selbstverständlich sehen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Oma früher glücklicher war, wenn sie in Zeiten des Krieges und der noch extremeren Inflation aufgewachsen ist. Mach dich mal schlau über rumänische Dörfer im Hinterland. Da bekommst du vielleicht eine ungefähre Vorstellung davon, wie es früher war. Wenn man früher nicht gerade privilegiert war, also reich und einflussREICH, dann war es ein schweres Leben und nur geprägt von Arbeiten, von früh bis spät. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das heute möchtest.

Das passiert, wenn man sehr romantisiert und auch uninoformiert und durch eine rosarote Brille zurückschaut.

1923 also?

  • Du darfst höchstwahrscheinlich ins Außenklo gehen, auch im Winter.
  • Zentralheizung? Ahahaha. Mein Vater erzählt mir gerne mal, wie vor 60 Jahren, also fast der Hälfte deiner Zeit, sein Vater frühmorgens das Kaminfeuer anmachen musste, um das Haus zu heizen.
  • Warmes Wasser fürs Duschen? Du badest einmal die Woche draußen im Badezuber, meine Mutter kommt vom Dorf, die kannte das auch noch aus ihrer Kindheit.
  • Du bist nicht mal ein Jahrzehnt von den Nazis entfernt, wirst wahrscheinlich eingezogen oder musst zusehen, wie dein Dorf zerstört und erobert wird. Eine falsche Anschuldigung an dich und du wirst von der Gestapo abgeholt.
  • Du musst so unglaublich viel mit der Hand arbeiten, keine Maschinen, vielleicht wenn du reich bist, ein Traktor. Du bist den ganzen Tag auf den Beinen und mit Glück wirst du 60. Vielleicht.
  • Strom? Eventuell.
  • Du wirst krank? Tja, blöde Sache, wenn es etwas halbwegs ernstes ist, war es das für dich.
  • Zahnschmerzen? Tja, blöd. Raus mit dem Zahn, ich will mir nicht vorstellen, wie man damals behandelt hat.
  • Dein Leben ist eintönig. Du hast eventuell Zeitung und eventuell Radio, das war es. Sonst heißt es von morgens bis abends harte, körperliche Arbeit, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Du bist übrigens auch noch im Post-WW1 Stadium und steuerst hübsch auf den zweiten Weltkrieg zu.

Das Leben in dieser Zeit und Epoche? Danke Nein, absolut Nein.

Och nee, wie vor 100 Jahren, das muss echt nicht sein. Da befand sich Deutschland gerade zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. 1923 kam es in Deutschland zur Hyperinflation, ein Laib Brot kostete plötzlich mehrere Milliarden Mark, ein Kilo Rindfleisch mehrere Billionen. Da ist unsere aktuelle Inflation nichts dagegen. Die medizinische Versorgung war auch nicht so das Wahre, das Leben eher beschwerlich. 1929 kam es infolge des New Yorker Börsencrashs zur Weltwirtschaftskrise und dann erschien auch schon bald Hitler auf der Bildfläche und hat ganz Deutschland und Europa in einen verheerenden Krieg gestürzt.

Ich würde mit einer Zeitmaschine auch liebend gerne in die Vergangenheit zurückreisen, aber ganz sicher nicht in die Zeiten vor, während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. So ab Mitte/Ende der 50er ging es dann echt aufwärts, das Wirtschaftswunder hat Wohlstand übers Land gebracht, die Menschen konnten sich plötzlich wieder etwas leisten, es ging durch die 60er hindurch immer weiter voran, die 70er und 80er waren traumhaft schön (hab ich als Kind und Teenager selbst miterlebt), die 90er ein echtes Fun-Jahrzehnt, aber man hätte spätestens an dem Punkt aufhören müssen, nach immer mehr und mehr zu streben. Alles war gut, so wie es war. So hätte es bleiben sollen.

Doch leider war die Gier in der Politik unersättlich. Nichts war mehr gut genug, wir mussten immer höher und weiter hinaus. Was in seinem Verlauf dazu führte, dass wir langsam aber sicher immer mehr auf das heutige Fiasko zusteuerten, wo wieder alles kurz vor dem Kollaps steht, und das Steinmeier allen Ernstes als "das beste Deutschland aller Zeiten" bezeichnet hat. Also, wenn schon die Möglichkeit einer Zeitreise bestehen würde, dann wüsste ich, wo ich ungefähr aussteigen müsste, um das Maximale herauszuholen und die schönen, relativ unbeschwerten Zeiten so gut wie möglich auszukosten.

Hallo

Geh in ein Ökodorf?

Wir ziehen vermutlich bald nach.

LG

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich, der Mensch, ein Rätsel