Hohe Durchfallquote bei UNI's?

3 Antworten

Studieren ist ein komplett anderer Lernmodus als die Schule. Sehr, sehr viel eigenverantwortlicher.

In der Schule haben die Lehrer explizit die Aufgabe, möglichst jeden Schüler irgendwie zum Klassenziel zu bringen. An der Uni ist dem Dozenten ziemlich egal, welche Studenten die Prüfung zur Vorlesung bestehen und welche nicht... das ist deren eigene Verantwortung. Die Dozenten lernen nicht die Namen der Studenten.

Keiner sagt dir, was du wann lernen musst. Du hast extrem wenige Pflichten, nur viele Optionen. Entweder du bekommst das selbst organisiert und bekommst dich selbst dazu motiviert, oder du fällst halt durch Prüfungen und/oder kommst nicht voran. Deine eigene Verantwortung.

Du lernst eigenverantwortlich. Bewertest selbst, was zu einem Thema wichtig ist und was weniger wichtig. Die Vorlesung ist ein Zusatzangebot zu deinem eigenen Lernen, also nicht so gedacht dass du einfach nur die Vorlesungsinhalte lernst und damit bestens auf die Prüfung vorbereitet bist. Du brauchst in der Vorlesung auch nicht zu fragen "was kommt in der Prüfung dran?". Das ist sehr einfach: Alles, was zu dem Thema wichtig ist. Beziehungsweise: Was der Dozent als wichtig erachtet - oft gibts dazu kleine Hinweise in Nebensätzen während der Vorlesung.

Wenn du dir überlegst, welche Module du im neuen Semester machen möchtest, gibts keine Warnmeldung "Achtung, da überschneiden sich die Lehrveranstaltungen". Musst du selbst mit klarkommen.

Keiner sagt dir im Voraus, dass du gerade dabei bist, eine Anmeldefrist oder eine Abgabefrist zu verschlafen. Sondern entweder du schaffst es selbst, diese einzuhalten oder du hast halt Pech gehabt.

Du brauchst keinen Dozenten nach Übungsaufgaben oder Altklausuren zu fragen. Aber gerade Altklausuren kursieren recht fleißig unter Studenten. Aber halt nur unter denen, die einander kennen. Wenn dich niemand kennt, wird auch niemand an dich denken, wenn er was Interessantes in die Finger bekommt. Deshalb ist es ziemlich hinderlich, sich aufgrund sozialer Ängste zurückzuziehen und das Studium als einsamer Wolf zu probieren - viel sinnvoller ist es, auch außerhalb der Lehrveranstaltungen Bekanntschaften zu machen, Freundschaften zu knüpfen, deinerseits anderen was zu geben damit eine Hand die andere wäscht... neudeutsch nennt man das Networking. Übrigens nicht nur unter Studenten, sondern irgendwann willst du auch mal eine Abschlussarbeit machen und brauchst dafür einen Dozenten, der einen guten Eindruck von dir hat.

In einigen Fachbereichen (z.B. der Naturwissenschaft) ist es auch üblich, erstmal jeden Hinz und Kunz als Studenten zuzulassen und dann erst in den ersten beiden Semestern auszusieben. Mit Prüfungen, die so schwer sind dass jeder zwangsweise nochmal in sich geht, ob er wirklich diesen Studiengang machen will. 50% Abbrecherquote sind da nicht unnormal.

Die Noten in den Modulprüfungen sind anders als in der Schule. Je nach Dozent ist es ein Ding der Unmöglichkeit, eine 1,0 zu schaffen. In manchen Prüfungen sind 50% Durchfallquote die Regel und du bist mit einer 4,0 völlig zufrieden, weil das bedeutet dass du nicht nächstes Semester nochmal 'ran musst. Das ist ungewohnt für Leute, die in der Schule die Zweiten und Einsen geschenkt bekamen.

Und mit all dem kommen eben viele nicht zurecht. Manche geben freiwillig auf, andere erfüllen Fristen nicht (z.B.: 60 ECTS nach 4 Semestern) und werden deshalb rausgeworfen.

Von Experte RedPanther bestätigt

Auf der Uni gibt es keinen Klassenverband, keine Lehrer die sich stundenlang täglich um dich kümmern. Du bist einer von hunderten oder tausenden von Studenten, besonders am Anfang und in Massenstudienrichtungen.

Du trittst nicht zur Prüfung an? Dein Problem. Du kommst nicht zu Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht? Dein Problem. Du fällst bei Prüfungen durch? Dein Problem. Du fühlst dich heute schlecht? Dein Problem. Du zweifelst an deiner Studienwahl? ...

Mit dieser Freiheit und Selbständigkeit kommen viele nicht zurecht. Man muss sich einfach mehr selbst organisieren (dazu gehört auch, sich seine sozialen Gruppen zu finden, in denen man z.B. gemeinsam lernt). Dann kann sich das übrigens auch ändern: bei meinem Studium hatte ich in der Endphase fast nur Kleinstgruppen und sehr direkten Kontakt zu Professoren, weil ich das bewusst so eingerichtet hatte.

Auf FH/HAW ist dieser Effekt etwas weniger ausgeprägt, aber ein wirkliches Schulleben gibt es auch dort nicht.

In Deutschland schafft im Schnitt jeder 3. Student sein Studium nicht und bricht ab.
In MINT-Studiengängen scheitert sogar mehr als die Hälfte der Studenten.

Die Annahme "Wer das Abi schafft, wird auch ein Studium schaffen" gilt halt nicht für alle Abiturienten.

Der Hauptgrund ist sicherlich, dass viele Abiturienten die Anforderungen eines Studiums völlig unterschätzen und dass deshalb viele ein Studium beginnen, obwohl sie den Anforderungen gar nicht gewachsen sind.

Dass Studieren um ein Vielfaches schwieriger, anspruchsvoller und arbeitsintensiver ist als Gymnasium und Abitur, das erahnen die meisten Abiturienten gar nicht.

RedPanther  15.02.2024, 10:11

...und ein weiterer Grund ist, dass eine ganze Menge Schüler in die gymnasiale Oberstufe gehen, die dort mit ihrer Leistungsfähigkeit und ihren Zielen eigentlich gar nicht hin gehören. Aber auf Krampf irgendwie ein Abi zurechtstottern und meinen, dann doch studieren zu müssen.

0