Hintergründe zur Redenwendung "Mantel(saum) der Geschichte ergreifen"?

4 Antworten

Die Redewendung personifiziert die Geschichte (als Trägerin eines Mantels). „Die Geschichte“ kann eine Instanz wie „das Schickal“ werden. Eine Aussage „die Geschichte hat entschieden“ hat Ähnlichkeit mit einer Äußerung wie „Gott hat entschieden.“

Helmut Kohl hat die Metapher vom Mantel der Geschichte gerne verwendet und dabei auf Äußerungen zur Staatskunst zurückgegriffen. Otto von Bismarck (wesentlich beteiligt bei der Reichsgründung 1871, die für Deutschland Einheit in Form eines Nationalstaates brachte) soll sie in Gesprächen mehrfach verwendet haben, wobei in der Überlieferung mehrere Fassungen berichtet werden.

Erläuterungen stehen bei:

Thomas Stamm-Kuhlmann, Der Mantel der Geschichte : zur Karriere eines unmöglichen Zitats. In: Thomas Stamm-Kuhlmann, Jürgen Elvert, Birgit Aschmann, Jens Hohensee (Hgg.). Geschichtsbilder. Festschrift für Michael Salewski zum 65. Geburtstag. Stuttgart: Steiner, 2003, S. 212-222

„Die Weltgeschichte mit ihren großen Ereignissen kommt nicht dahergefahren wie ein Eisenbahnzug in gleichmäßiger Geschwindigkeit. Nein, es geht ruckweis vorwärts, aber mit unwiderstehlicher Gewalt. Man kann nur immer darauf achten, ob man den Herrgott durch die Weltgeschichte schreiten sieht, kann zuspringen und sich an seines Mantels Zipfel klammern, daß man mit ihm fortgerissen wird, so weit es gehen soll. Es ist unredliche Thorheit und abgelebte Staatsklugheit, als käme es darauf an, Gelegenheiten zu schürzen und Trübungen herbeizuführen, um darin zu fischen.“

„Die glorreichen Schlachten von 1866 waren geschlagen. Wenn je ein Heer es verdient hatte, in die Residenz des Feindes siegreich einzuziehen, dann war es unsere Armee. Der dankbare König gönnte ihr von Herzen diese Genughtuung. „Aber da“, so erzählte Bismarck, „da sah ich den Herrgott durch die Weltgeschichte schreiten und sprang zu, seines Mantels Zipfel zu ergreifen. Die furchtbare Warnung der Cholera, die unsere Armee schwächte, und der Neid der Nachbarn im Osten und Westen standen vor uns."

„Arnold Oskar Meyer berichtet, Bismarcks Schwiegertochter habe ihm ebenfalls eine abgewandelte Form des Zitats mitgeteilt: „Gräfin Wilhelm Bismarck hat mir aus eigener Erinnerung von einem Gespräch erzählt, das Bismarck, auf einer Chaiselongue liegend, die gelesenen Zeitungen sinken lassend, mit den Worten begann: „Kind, Politik ist keine Wissenschaft.“ Sie: „Politik ist wohl mehr Gefühlssache, auch wenn du nie sentimentale Politik gemacht hast.“ Schweigen. Bismarck pafft einige Züge aus seiner langen Pfeife. Dann: „Politik ist, daß man Gottes Schritt durch die Weltgeschichte hört, dann zuspringt und versucht, einen Zipfel seines Mantels zu fassen.“ - Es schien mir von Wert, die Überlieferung des oft angeführten und mehrmals gefallenen Wortes einmal zusammenzustellen.““

In der Selbstdarstellung ist dies eine Einschränkung der menschlichen Wirkungsmöglichkeiten durch die dargeboteten Umstände und ein begrenztes Wissen über den Gang der Geschichte (nur ein Zipfel). Politische Kunst besteht darin, den richtigen Augenblick abzuwarten und dann Möglichkeiten zu nutzen.

Eigene weitere Überlegungen:

Wenn darin eine Übereinstimmung mit einer geschichtlichen Zielrichtung/einem göttlichen Plan hineingedeutet, kann der Politiker als damit in Einklang gesehen werden.

In der griechischen Mythologie gibt es die Gottheit Kairos (Καιρός), mit einem Haarschopf nur vorne, am Hinterkopf dagegen kahl geschoren. Wegen der schnellen Bewegung mit Flügeln, gilt es, Kairos (das griechische Wort bedeutet „richtiger Augenblick“, „günstige Gelegenheit“) vorne am Schopf zu packen.

Offen gesagt, gebe ich darauf nicht gerne eine Antwort, weil es sich wirklich um einen geschichtlichen Vergleich handelt und zwar mit einen betreffs Schickelgruber (denen kennen wir auch unter einen anderen Namen A.H.) und Polen (dort wort der Mantel der Geschichte erwähnt) und Napoleon bei seinem Einzug in Russland.

Warum der selbe Vergleich für die Einigung Deutschlands hergenommen wurde, ist mir allerdings schleierhaft.

Dies müsstest Du die Pressefritzen fragen, die den Vergleich zwischen Helmut Kohl, A.H. und Napoleon Bonaparte herstellen.

Was ich als pos. Info weiß:

Er hatte Berater, die genau die Geschichte vergleichen sollten und verglichen haben.

Wo/wann ist soo was schon mal passiert, ähnlich?

Wie wurde damit entschieden?

Was waren die Folgen?

Und so weiter ...

Weil sich Geschichte wiederholen kann.

Weil die Menschen nicht lernfähig sind (das hat eine ehm. Freundin gesagt u. ich tendiere zu dieser Ansicht auch).

LG

eine metapher, die die geschichte als person mit wehendem mantel darstellt: kohl hat im richtigen moment danach gegriffen, indem er die einheitsbestrebungen der ddr bevölkerung für sich bzw. das ziel der wiedervereinigung genutzt hat.