Hilde Domin Winter - Stelle wie zu verstehen?

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Das lyrische Ich ist selbstbewusst und spürt, dass es geliebt wird. Noch ist - wie bei den winterlichen Bäumen - kein Zeichen dafür zu finden, außer der intuitiven Gewissheit. Bei den Bäumen gibt es die Erfahrung, dass sie immer wieder grünen. Bei der Liebe ist es - vielleicht - nur eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen wird. Aber das will das lyrische Ich nicht akzeptieren, es vertraut genau so stark wie auf die Erfahrung auf das Gefühl und sein Gespür.

Die sprechende Person (das lyrische Ich) behauptet eben, sich ganz sicher zu sein, dass die angesprochene Person sie liebt. Ob sie sich wirklich so sicher ist oder ob sie das nur behauptet, z. B. um sich Mut zu machen, ist eine andere Frage. Die erste Strophe legt eigentlich nahe, dass die sprechende Person sich nicht sicher ist und sich nicht sicher sein kann. Die Behauptung, dass es so sicher sei wie das Blühen der Bäume, dass die angesprochene Person sie liebt, scheint mir etwas Trotziges zu haben - als behaupte die sprechende Person etwas, von dem sie ahnt, dass es nicht zutrifft, weil sie sich wünscht, dass es so wäre.

Hilde Domins Schicksal spielt in das Gedicht hinein. Das unsicher Äußere und das sichere Innere korrespondieren miteinander. Emigrantenschicksal und persönliche Beziehung. Hier findet das innere Grün (Hoffnung) und das spätere wahrscheinliche Blühen (falls niemand die Zweige sbschlägt oder verbrennt!) seine Entsprechung in der noch verborgenen Liebe, die angesichts der äußeren Umstände und des Zweifels, dass sie eine Chance hat zu blühen, vom Partner (noch) verschwiegen wird, obwohl das lyrische Ich an diese Liebe und deren Entwicklung glaubt.www.lyrik-abc.de