Heterogene Gleichgewichte- Massenwirkungsgesetz?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Festkörperreaktionen sind schwierig. So wie Du das aufgeschrieben hast, ist es meiner Meinung nach richtig, es führt aber zum Paradox, daß ein Überschuß eines Reaktionspartners die Gleichgewichtslage nicht ändert. In der Praxis müßtest Du mit Mischkristallbildung rechnen, die zusätzliche Gleichgewichte ins Spiel bringen und alles verkomplizieren.

Dein Fall ist besonders ungut gewählt, weil NH₄Cl bereits bei 340 °C in HCl und NH₃ zer­fällt. Das ist also schon einmal ein zusätzliches Gleichgewicht, das aller verkompli­ziert. Beach­te, daß Festkörperreaktionen seeehr langsam sind, wenn man nicht ex­trem fein pul­ve­risiert und innig verreibt, und selbst dann braucht man hohe Tempera­turen und viel Zeit. Ich habe im Praktikum mal einen Hochtemperatur-Supraleiter aus verschiedenen Metalloxiden gebacken. Nach stundenlangem (!) Verreiben im Mörser wurde das Zeug dann tagelang im O₂-Strom bei 800 °C fertiggebacken.

Ein einfacherer Fall ist:

CaCO₃ ⟶ CaO + CO₂

und hier ist die Gleichgewichtskonstante realistisch gleich dem Partialdruck des CO₂: Es zerfällt immer gerade soviel CaCO₃, daß der CO₂-Partialdruck (oder die Konzentra­tion, wie Du willst) den für die jeweilige Temperatur passenden Wert hat. Da wir in der Atmosphäre ≈40 Pa CO₂ haben (bzw. 12 µmol/l), gibt es eine Schwellentemperatur, an dem die Gleichgewichtskonstante diesen Wert erreicht, und darüber kann der Zerfall eintreten; im geschlossenen System stellt sich ein Gleichgewicht ein, aber im offe­nen System wird das Gleichgewicht nie erreicht, und letztlich zerfällt fast alles CcCO₃.

Dein zweites Beispiel halte ist auch für ein bißchen komisch. Was Du da aufgeschrie­ben hast, umfaßt ja auch die Protolyseschritte von CO₂ zu HCO₃¯ und CO₃²¯, die alle dafür sorgen, daß die CO₂-Konzentration in der Lösung viel kleiner ist als Du nach der hineingepumpten CO₂-Menge erwarten würdest.

In der Praxis hättest ja auch noch das Löslichkeitsgleichgewicht für Ca(OH)₂ zu be­rück­sichtigen, weil es in einer alkalischen Lösung unabhängig vom CO₂ die Ca²⁺-Kon­zentration begrenzt. Mit Ba²⁺ statt Ca²⁺ würde das Problem aber nicht auftreten, weil Ba(OH)₂ besser wasser­lös­lich ist.

Mit diesen Einschränkungen halte ich Deinen Ausdruck aber für formal korrekt: In jeder alkalischen Ca²⁺-Lösung, die noch zusätzlich CO₂ enthält, und die im Gleich­gewicht mit ausgefallenem CaCO₃ aber nicht Ca(OH)₂ steht, ist der Ausdruck c(Ca²⁺)⋅c²(OH¯)⋅c(CO₂) konstant, wenn man c(CO₂) als Gleichgewichtskonzentration versteht, in dem Sinn, daß eine 0.1 mol/l Na₂CO₃-Lösung (pH=11.65) eine Gleich­gewichts­konzen­tration c(CO₂)=23 nmol/l aufweist.

axyz1871 
Fragesteller
 29.11.2023, 23:01

Danke für die ausführliche Antwort. :)

Bei der Reaktion NH4Cl(s) + Na2CO3 (s) --> NaCl(s) + NaHCO3 (s) + NH3 (g) hätte eine Änderung des Drucks eigentlich keine Auswirkung auf die Lage des Gleichgewichtes, da Kp ja formal nur vom Partialdrucks des Ammoniaks abhängt, oder? :)

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indiachinacook  29.11.2023, 23:02
@axyz1871

Ja, aber der Partialdruck ist ja auf den Atmosphärendruck begrenzt. Bei höherem Druck kann sich auch ein stärkeres NH₃-Druck aufbauen.

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