Forschungsfragen falsch?

4 Antworten

Kein Wunder, dass Dein Dozent damit nicht glücklich war.

Grundsätzlich: Was verstehst Du unter einer Forschungsfrage? Soll eine Problematik aufgezeigt werden, die sich der Untersuchung lohnen würde (das versteht man gemeinhin unter Forschungsfrage) oder sollst Du eine Umfrage entwerfen? Aus Deinen Fragen schließe ich mal, dass letzteres gemeint ist, ansonsten wärst Du mit Deinem Ansatz völlig auf dem Holzweg.

Auf was willst Du mit den Fragen hinaus? Was ist Dein Konzept dahinter? Was soll damit erforscht werden? Die Fragen sind unverbunden und willkürlich, es ist nicht ersichtlich was du damit machen willst. Welche Skalen willst Du anwenden, sprich sollen das Ja/Nein-Fragen sein oder haben die eine Ordinalskala?

Fragen für quantitave Erhebungen sollten immer eindeutig und unmissverständlich formuliert sein mit möglichst wenig Raum für Interpretation. Daher fragt man nicht nach Familienmitgliedern, das ist viel zu unspezifisch, da versteht jeder was anderes drunter. Üblich ist zB Haushaltsgröße, wieviel Personen leben im Haushalt. Das sagt zwar auch noch nichts drüber, ob das nun Kinder oder die Eltern sind, gibt aber für viele Zusammenhänge die gewünschte Information.

Auf was willst Du mit der Frage nach einer "Bank" hinaus??? Ruhemöglichkeiten für körperlich eingeschränkte Personen? Ausstattung mit Funktionen? Was wird Dir die Info sagen, vielleicht ist in der Straße keine Bank, aber gleich um die Ecke. Reicht auch ein Geldautomat? Was ist, wenn es die falsche Bank ist?

Und dann geht es plötzlich um Ernährung. Was ist denn nun damit gewollt? Gelten Fruchtsäfte? Generell methodenkritisch angemerkt ist das eine der Fragen, die Leute gerne mit "Ja" beantworten werden, weil das die sozial erwünschte Dimension wäre. Methodisch verzerrst Du mit sowas Deine Ergebnisse.

Es gibt ziemlich viele Lehrbücher, die Dir das Entwerfen von quantitativen Umfragebögen erklären und Dich auf die üblichen Fallstricke hinweisen. Schau Dir vielleicht auch einfach Online bestehnde Fragebögen an. Auch durch Googlen wirst Du viele Ratschläge dafür finden wie das richtig geht.

Die Frage "Wieviele Mitglieder hat ihre Familie?" ist dadurch unscharf, dass der Begriff "Familie" nicht weiter definiert ist.

  • Gemeint sein könnte die Kernfamilie, mit der man in einem gemeinsamen Haushalt wohnt.
  • Gemeint sein könnte die Ex-Kernfamilie, wenn man z.B. ein junger Erwachsener ist, der schon von "zu Hause" ausgezogen ist.
  • Gemeint sein könnte aber auch die Anzahl der engeren Angehörigen (Vater, Mutter, Geschwister, Ehepartner, eigene Kinder), einschließlich der eigenen Person, die man mitzählt.
  • Gemeint sein könnte ein größerer Personenkreis, in den auch die Großeltern, Enkelkinder, Tanten, Onkel, Neffen, Nichten, Cousins und Cousinen automatisch oder unter bestimmten wohnlichen Voraussetzungen einbezogen sind.
  • Zu beachten wäre auch die Zählweise für Patchwork-Familien. Was ist mit Nicht-Blutsverwandten? Was ist mit Personen, zu denen man keine legal definierte Beziehung hat (Beispiel: feste Partner der Eltern, die aber nicht mit dem Elternteil verheiratet sind und die das Kind nicht adoptiert haben).

Die Frage "Gibt es in Ihrer Straße eine Bank?" ist dadurch unklar, dass das Wort "Bank" zwei Grundbedeutungen hat: Das Geldinstitut und das öffentliche Möbelstück, auf das man sich setzen kann. Der Zusammenhang gibt nicht her, ob "bank" oder "bench" oder beides gemeint ist. Darüber hinaus gibt es auch Bänke, die auf Privatgrundstücken, in Garten und Parks stehen. Bis wie weit gilt der Begriff "in Ihrer Straße", wenn die Parkbank einige Meter vom Straßenbegleit-Fußweg entfernt an einem Parkweg steht. Beim Geldinstitut ist nicht klar, ob Sparkassen auch gezählt werden sollen, denn manchmal sagt man ja "Banken und Sparkassen", was impliziert, dass Sparkassen etwas anderes als Banken sind.

Bei der Frage "Wie häufig essen Sie Obst und Gemüse?" ist nicht klar, wie das gezählt werden soll.

  • Ist gemeint: An wie vielen Tagen (prozentual oder Tage pro Woche) wird mindestens eine Portion Obst oder Gemüse verzehrt?
  • Wie groß ist die durchschittliche Anzahl an Portionen Obst und/oder Gemüse pro Tag?
  • Wie hoch ist der Anteil an Tagen, an denen man mindestens eine Portion Obst und mindestens eine Portion Gemüse verzehrt?

Hier gäbe es noch mehr Varianten, wie die Frage verstanden werden könnte.

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Mich wundert überdies, dass du nicht die Fragen, sondern die Antworten verbessern sollst. Hierzu müsstest du, falls du die Datenerhebungen schon gemacht hast, diese wiederholen, um herauszufinden, wie deine Interviewpartner deine Fragen überhaupt verstanden haben.

Lucy123140 
Fragesteller
 28.05.2020, 12:32

Danke für deine Antwort. Das war wirklich sehr Hilfreich. Ich habe das Problem verstanden

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Ich könnte dir sagen, WARUM sie nicht genau genug sind. Vielleicht kannst du dann selber etwas ändern, und in Zukunft ähnliche Unklarheiten vermeiden.

  1. Welche Familie? Wo ziehst du die Grenze? Die Kernfamilie, also Eltern und Kinder? Was ist mit Patchworksituationen? Oder die komplette Familie? Mit den Onkels und Tanten 5. Grades, ihren Partnern und deren Kindern? Nur die lebendige Familie?
  2. Ein Bank im Sinne des Geldinstituts oder zum Hinsetzen?
  3. Was zählst du dazu? Auch das Salatblatt auf dem Burger? Die Erdbeerstückchen im Fruchtjoghurt?

Und so ganz generell: Wenn du Hilfe brauchst, ist es eigentlich Voraussetzung, dass du dazu schreibst, was für ein Kurs das ist, oder wenigstens, welches Fachgebiet. Denn wie soll dir hier sonst jemand Ratschläge geben? Dir nützen historische Forschungsfragen nichts, wenn du Architektur studierst und das dein Stadtplanungs-Kurs ist (nur so als wahllos rausgegriffene Möglichkeit).

Was studierst du denn?

Ganz ehrlich? Die Fragen klingen wie von Drittklässlern in der Grundschule formuliert, die von ihrer Sachkunde-Lehrerin in die Fußgängerzone ihrer Stadt losgeschickt wurden mit dem Auftrag, Leute zu befragen.

Die Grundschullehrerin mag sowas toll finden. Dass dein Dozent damit NICHT zufrieden ist, kann ich verstehen...