Epikurs Hedonismus?

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Eine gut begründete Beurteilung von Epikurs Hedonismus legt eine richtige Darlegung der Auffassung zugrunde, die Epikur in der Ethik vertreten hat, gibt Argumente einerseits für richtige Einsichten/Vorzüge/Stärken, andererseits für Fehler/Nachteile/Schwächen an und führt bei einer Gesamtbeurteilung eine Abwägung durch.

Epikurs Hedonismus

Epikur (griechisch: Ἐπίκουρος [Epikouros]) vertritt eine Glücksethik (Eudaimonismus [griechisch: εὐδαιμονία (eudaimona) = Glück(seligkeit), was ein guten Leben des Wohlbefindens und Wohlergehens bedeutet]; Glück/Glückseligkeit ist das höchste und letzte Ziel [Endziel] menschlichen Handelns) und eine Lustethik (Hedonismus). Nach Epikurs Auffassung besteht Glück in der Empfindung von Lust. Lebewesen streben von Natur aus nach Lust. Lust ist ein angenehmer Zustand des Wohlbefindens. Ziel allen Handelns ist nach Epikur das gute Leben oder anders gesagt das Glück. Glück(seligkeit) ist das höchste Gut. Die konkrete Bestimmung dieses Zustandes ist für Epikur die Seelenruhe (griechisch ἀταραξία [ataraxia]) und die körperliche Schmerzlosigkeit (griechisch ἀπονία [aponia]). Dem Inhalt nach ist Lust das Ziel. Lust ist der naturgegebene Ausgangspunkt und das Ziel alles Handelns. Das sittlich Schöne/Tugend ist nach Epikurs Auffassung nicht das grundlegende Ziel und Selbstzweck, sondern nur insofern (unter der Bedingung)wertzuschätzen, als es Mittel zu einem lustvollen Leben ist (und damit zum Glück beiträgt). Weil Epikur das Freisein von Unlust/Schmerz/Leid für vorrangig hält, kann seine Ethik als ein »negativer Hedonismus« (Vermeidung von Unlust/Schmerz/Leid ist am wichtigsten) bezeichnet werden. Es ist gut und richtig, möglichst wenig unangenehme Empfindungen/Gefühle erleiden zu wollen (Ziel: Minimierung von Unlust/Schmerz/Leid).

Lust ist ein Gut und wird angestrebt, Schmerz ist ein Übel und wird gemieden. Menschen wählen aber nicht jede Lust, sondern meiden manchmal eine Lust, weil im Gesamtergebnis dabei zumindest nach einiger Zeit das Unangenehme überwiegen würde, und wählen manchmal Schmerz, weil dabei eine größere Lust die Folge ist. Es ist also nicht jede Lust wählenswert und nicht jeder Schmerz immer zu meiden. Zur richtigen Beurteilung gehört eine Abwägung des im Gesamtergebnis zu erwartenden Nutzens und Schadens.

Selbstgenügsamkeit/Autarkie (griechisch: αὐτάρκεια [autarkeia]), also ein hohes Ausmaß an Unabhängigkeit von Bedürfnissen und äußeren Dingen, gilt in der epikureeischen Ethik als großes Gut.

Epikur unterscheidet in einer Theorie der Begierden:

a) natürliche und notwendige Bedürfnisse (dazu gehören die Grundbedürfnisse)

b) natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse

c) nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse

Natürliche und notwendige Bedürfnisse müssen für ein gutes Leben befriedigt werden und haben Vorrang. Natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse sind verzichtbar, ihre Befriedigung kann gewählt werden, sollte aber klug geprüft werden und nicht in Maßlosigkeit ausufern. Nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse beruhen auf falschen/nichtigen/leeren Meinungen und Einbildungen, aus denen die schlimmste Verwirrung der Seele (Verwirrung der Seele ist entgegengesetzt zu Seelenruhe) entsteht.

Nach Epikurs Überzeugung kann Überfluss/Luxus am angenehmsten genossen werden, wenn jemand nicht von unbegrenzten Begierden abhängig und von ihnen angetrieben ein rastloses, gehetztes Leben führt, in maßloser Gier immer neuen Dingen nachjagend und niemals zufriedengestellt. Wer nicht so abhängig von Begierden ist, kann mit mehr Seelenruhe (die für das Wohlbefnden wichtig ist) genießen und erreicht leichter Zufriedenheit.

Zu Argumenten kann ein Versuch zu einigen Anregungen unternommen werden.

Argumente zu richtigen Einsichten/Vorzügen/Stärken

  • Einklang mit natürlichem Verhalten: Das Anstreben von Lust/angenehmen Erlebnissen und Meiden von Leid/Schmerz/unangenehmen Erlebnissen in der grundsätzlichen Ausrichtung entspricht einem natürlichen Verhalten und es ist auch sinnvoll, davon nicht abzusehen, weil dies für Menschen eine starke Bedeutung hat.
  • rational nachvollziehbare Orientierung: Möglichst viel Lust/Daseinsfreude/angenehme Erlebnisse und möglichst wenig Leid/Schmerz/uangenehme Erlebnisse bietet eine klare Orientierung und mit vernünftigem Denken nachvollziehbare Ziele in der Ethik.
  • Empfehlung kluger Überlegung: Epikur rät zu kluger Überlegung mit Abwägung des für einen längeren Zeitraum zu erwartetenden Gesamtergebnisses an Lust/Daseinsfreude/angenehmen Erlebnissen und Leid/Schmerz/uangenehmen Erlebnissen.

Argumente zu Fehlern/Nachteilen/Schwächen

  • Unklarheit des Begriffes»Lust« bei Epikur, Verwendung einer einzigen Bezeichnung für verschiedene Sachen, daher Wechsel der Bedeutung von »Lust«: Lust (griechisch: ἡδονή [hedone]) ist eine angenehme Erregung. Epikur nennt die angenehme Erregung, die Freude/Vergnügen bereitet, Lust, aber er bezeichnet auch Schmerzlosigkeit (Abwesenheit von Schmerz/Leid) als Lust, obwohl keine Erregung vorliegt. Epikur weicht mit seinem Sprachgebrauch von dem ab, was Menschen üblicherweise unter Lust verstehen. Mit Lust werden von ihm verschiedene Sachen bezeichnet. Dies führt zu einem Durcheinander mit wechselnden Bedeutungen von »Lust«. Epikur kann vorgeworfen werden, nur in zwei Zustände zu unterteilen, obwohl ein lustvoller Zustand und ein schmerzloser Zustand nicht dasselbe sind.
  • Lust für Einstufung als höchstes Gut ungeignet: Lust kann nicht das höchste Gut sein, weil das höchste Gut um seiner selbst willen erstrebenswert ist, das Lustvolle aber nicht immer und jeder Hinsicht das Gute ist. Das Gute ist etwas, das sein soll, bei bloßer Lust ist das aber vom Nutzen (Lustempfindungen als angenehme Folgen) abhängig, was getan oder nicht getan würde. Wer bloße Lust als höchsten Maßstab hat, kann in Orientierung an diesem Maßstab Unrecht begehen. Es kommt nur darauf an, dabei verborgen zu handeln oder straflos zu bleiben und so keine unangenehmen Folgen zu erleiden. Freundschaften können nicht sehr wertvoll und stabil sein, wenn bloße Lust Vorrang hat.
  • unzutreffende Gleichsetzung von Glückseligkeit und Lust: Die Gleichsetzung von Glückseligkeit und Lust (Glück besteht in der Empfindung von Lust) ist unzutreffend. Wie Epikur selbst darlegt, ist nicht jede Lust wählenswert. Dann ist aber ein einfache Gleichsetzung von (immer wählenswerter) Glückseligkeit und Lust nicht richtig.
  • mangelnde Folgerichtigkeit der Behauptung, der Genuss einfacher Speisen bereite gleich viel Lust wie der Genuss feinerer Speisen: Epikur vertritt die Auffassung, der Genuss einfacher Speisen bereite nicht weniger Lust als der Genuss feiner Speisen. Unter der Voraussetzung, dass Lust das höchste Gut ist, muss aber nach lustvollen Sinnesempfindungen geurteilt werden und das Angenehmste für das Beste erklärt werden. Es ist dann, auch wenn Epikur mit dem Abraten davon sich stark von äußeren Umständen zu machen, lebenspraktisch hilfreich sein kann, unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit nicht nachvollziehbar, warum Genuss einfacher Speisen in genau gleicher Weise Lust bereiten sollte wie der Genuss feinerer Speisen.
  • Schwierigkeit, Gerechtigkeit auf Lust als Grundlage zu stellen: Es ist schwierig, im Zusammenleben einer Vielzahl von Menschen einen dafür notwendigen Wertwaßstab wie Gerechtigkeit auf Lust zu begründen. Möglichst sind nur Vereinbarungen, die auf einem insgesamt größerem Ausmaß an Nutzen, gemessen an der Menge an angenehmem und unangenehmen Empfindungen, beruhen. Wie gewichtet wird, bedarf dann ergänzender Grundsätze. Dafür, wie die indivdiduelle Verteilung gerecht ist, fehlt ein Kriterium.

Den Hedonismus Epikurs hat früher die christliche Kirche erfunden.