Soll Epikurs oder benthams Theorie als Grundlage der moralischen Beurteilung von Handlungen sein?

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Eine seltsame Frage, zumal offen gelassen wird, was die Fragesteller sich als Epikurs, was als Benhams Theorie (ich nehme an zur Ethik) vorstellen. Da ist z.B. die Tatsache, dass ich mich fast als "Neo-Epikureer" bezeichnen könnte und mir in der Tat einbilde, nach Epikurs Theorie zu leben, so wie ich sie auffasse, aber meine Auffassung stimmt in nicht sehr viel mit den gängigen Epikur-Darstellungen überein. Gleiches gilt für Bentham, der als Vertreter des Utilitarismus in Deutschland keine guten Karten hat, weil hier die Feinde des Utilitarismus, die Idealisten das geistige Klima bestimmen. Bentham hat ja große Verdienste in der Fortentwicklung der englischen Demokratie, was man in Deutschland ja nie aus eigener Kraft geschafft hat.

In den Grundprinzipien basiert ja die englische Aufklärung seit Hobbes auf epikureischen Gedanken, so auch Bentham. Allerdings - und das macht den Unterschied aus - Epikur hatte 2.100 Jahre vor Bentham ein ganz anderes gesellschaftliches Umfeld. In seiner alexandrinischen Zeit, was man später Hellenismus nannte, ging für die Betroffenen noch nicht ganz klar die Zeit der griechischen Polis zu Ende. Epikurs Schule des Gartens hatte mächtige Konkurrenten, die Akademie Platons direkt vor der Tür, im Zentrum Athens die Stoa und etwas außerhalb der Peripatos, allesamt unterschiedlich stark idealistisch geprägt. Epikurs Schule war eine Schule der Bürger, in der auch Frauen und Sklaven Zutritt hatten und nicht die Machtelite Athens, wie nebenan in der Akademie. Epikurs Philosophie war eine Lebensphilosophie für alle Menschen, auch kleinere Leute und keine Staatsphilosophie der Mächtigen. Darum ist sie auch für unwichtige Leute wie mich heute noch anregend.

Bentham war erfolgreicher, in staatlich einflussreiche Positionen vorgerückter Aufklärer und Politiker. Seine Herausforderung war, nach weitgehender Überwindung des Feudalismus und kirchlicher Fesseln aus bürgerlicher Sicht eine Moral ohne göttliche Obrigkeit zu begründen und daraus die neue Staatlichkeit des bürgerlichen England zu gießen. Darum formuliert Bentham positiv, arbeitet Kriterien für Bewertungen heraus, um neue Grundlagen einer bürgerlichen Moral aufzustellen. Der moderne Staat mit Parlament und Gewaltenteilung ist die Frucht dieses Utilitarismus, während wir hier in Deutschland hochtrabend dahergeschwätzt haben, uns den modernen Staat nach Kaiser und Führer von außen überstülpen lassen mussten und heute so tun, als hätten wir ihn erfunden.

Bentham hat sich bereits für Frauenrechte, Tierrechte und Liberalität (Abschaffung der Todesstrafe) eingesetzt , da war man in Deutschland diesbezüglich noch in der Haut des Mittelalters. Bentham hat bürgerliches Recht begründet, da herrschten hierzulande nocht Könige und Kaiser und vor allem die Kirchenfürsten. Wenn wir heute in der praktischen Ethik auf Maßstäbe zurückgreifen, die in unserem gesellschaften Miteinader verwurzelt sind und nicht in kirchlichen Interpretationen göttlichen Rechts, dann müssen wir die Anfänge dazu bei Bentham und ursprünglich bei Epikur suchen. Insoweit leben wir in der praktischen Ethik von Grundlagen, die um die Jahrhundertwende 18./19. JH gelegt wurden.