„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“?

10 Antworten

Unmündigkeit = Keine eigenen Entscheidung treffen; keine eigene (begründete) Meinung haben

selbstverschuldet = damit hat die Person es selber in der Hand. Sie kann sich informieren, sich eine Meinung bilden.

Aufklärung = Wissen aneignen, viele Perspektiven sehen, Gegebenes in Frage stellen

Ergo:

Wer sich eine eigene Meinung bildet und diese auch begründen kann, ist auf dem Weg mündig zu sein. Ich muss nicht jedem Trend hinterherlaufen und mich über alles aufregen, was in den Medien steht. Das meiste bringt mich eh nicht weiter.

Dieser Idealistische Satz der Aufklärung (als philosophisch-politische Episode) unterstellt, dass es "neutrales" Wissen gibt und dieses die Menschen zu mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit führen kann, wenn sie es nur wollen. Kant nennt die "Faulheit, Feigheit und Bequemlichkeit" bereits in den nachfolgenden Sätzen als Gegenkräfte. Ganz so blind gegen Realitäten war er nicht. Darum reicht es nicht, nur den idealistischen Teil des Zitats anzuführen. Der Satz ist auch unhistorisch, weil bereits 1.500 Jahre früher als Kant eine Philosophie der Aufklärung (Epikureismus) an dem Glaubensfanatismus des Christentums gescheitert ist. Doch das Wissen darum ist bis heute durch christliche Entstellung und Gegenpropaganda verstellt. Allein in Deutschland waren historisch die Kaiserverehrung und der Nazifanatismus starke Belege, dass Kant in seinem Anliegen sehr wirkungslos geblieben ist.

indem man ihn "sozial" und nicht nur philosophisch auffasst: "Menschen sollten einander die Chance geben, miteinander an Erkenntnisprozessen zu arbeiten, um gegenseitig Verantwortung zu übernehmen."

Einem Menschen Wissen beizubringen und zu sagen, wie er sich selbst versorgen und leben kann, wird ihm helfen, nicht mehr auf andere angewiesen zu sein.

Das meinte Kant aber nicht unbedingt allein.

Seine Sicht der "selbstverschuldeten Unmündigkeit" war zu seiner Lebzeit nicht wirklich die Schuld der einzelnen Individuen. Hattest du damals deinen Kopf selbst gebrauchen wollen und waren deine Gedanken andere als die des vorherrschenden Staates, dann bist du einfach hingerichtet worden. Diesen Satz könnte man auch auf Nord Korea wieder anwenden. Oder auf die Türkei... dort sogar nocht besser! Aber was geschieht mit Menschen, welche anderes Gedankengut verteilen oder vertreten, als das es die Regierung will?

In diesem Sinne: Wie gross ist denn das Selbstverschulden dieser Unmündigkeit wirklich...

jedesmalegal  19.01.2018, 09:02

Gibt es denn wirklich SCHULD? oder müssen wir denken wie zu Kants Zeiten?

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SarahSchweiz  19.01.2018, 09:13
@jedesmalegal

Ich denke, dass ist Auslegungssache: Man könnte sagen, man trägt die Schuld daran, wenn man einfach nichts tut und den Kopf einzieht. Die Welt ist an denen gewachsen, die sich aufgelehnt haben. Sieh dir das Beispiel der Weissen Rose an. Die Studentenvereinigungen im zweiten Weltkrieg. Sie starben - aber sie taten es, um dieser Unmündigkeit entfliehen zu können - und haben damit auch ihren Teil dazu beigetragen, eine Machtperson wie Hitler zu schwächen und das Volk gegen ihn aufzulehnen. Inwiefern das was gebracht hat, sei eine andere Diskussion wert, aber aus damaliger Sicht haben die sich aus dieser Unmündigkeit befreit und für eine Selbstbestimmung gekämpft. Fraglich nur, ob man den anderen, welche sich denen aus Angst nicht angeschlossen haben, eine Schuld zuweisen kann. Diese Frage kann ich natürlich auch nicht beantworten.

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profanity  19.01.2018, 09:39
@SarahSchweiz

Ich habe immer ein Problem mit dem Wort "Schuld". Lieber benutze ich in diesem Sinn "Verantwortung", das trifft es m. E. eher und deutlicher :)

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Je mehr du an Wissen sammelst und die Dinge kritisch (und selbstkritisch) hinterfragst, desto selbständiger und weniger manipulierbar wirst du.