2. Cantor‘sches Diagonalargument?

scatha  24.09.2022, 13:40

Ich finde die Frage sehr interessant, aber komme nicht auf Anhieb auf die Lösung des Widerspruchs. Mir fallen dazu aber die "Surrealen Zahlen" von Conway ein. Kennst Du diese ?


zerodesigner 
Fragesteller
 24.09.2022, 13:42

Habe schon mal davon gehört, aber kann gerade nicht auswendig sagen, was surreale Zahlen sind. Werde ich mir mal ansehen.

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Doppeldeutigkeit der Dezimaldarstellung tritt ausschließlich bei der Periode 9 auf (egal ob ganz am Anfang oder später). Und genau diese Doppeldeutigkeit ist ja dein Problem - eine reelle Zahl kann mehrere Darstellungen als Dezimalzahl haben, ja, aber eben nur durch eine periodischen Anteil mit Periode 9. Du hast dir dein Problem sozusagen selbst erschaffen, indem du ausgerechnet die 9 einsetzt. Im Cantorschen Diagonalargument werden aber die 4 und die 5 eingesetzt - also kommt der von dir beschriebene Fall nicht zum Tragen.

Der Beweis sagt ja nicht: Nimm zwei beliebige Zahlen (wie du: 8 und 9), sondern er sagt: nimm die 4 und die 5...

Mach dir noch mal klar, wann es mehr als eine Darstellung gibt, dann wird dir das vielleicht klarer.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Dipl.-Math. :-)

zerodesigner 
Fragesteller
 24.09.2022, 14:07

Okay Danke! Das war sehr hilfreich.

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Dein Denkfehler ist dass du die Beweisstrukturen umkehrst. Das zweite Diagonalargument ist ein indirekter Beweis. Du nimmst an, du hättest eine Liste und konstruierst daraus einen Widerspruch.

Auf deine "konstruierte" Liste einer Teilmenge von Q ist das Argument nicht anwendbar. Warum soll eine rationale Zahl in der Liste sein, die ja eben nicht ganz Q enthält. Und warum willst du das Diagonalargument darauf anwenden? Welchen Nutzen soll das bringen? Das in diesem Fall die von dir konstruierte Zahl in der Liste ist ist (konstruktiv herbei geführter) Zufall.

Mir ist insgesamt nicht klar was du mit der ganzen Aktion erreichen willst.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Dipl.Math.

zerodesigner 
Fragesteller
 24.09.2022, 14:06

Hallo DerRoll. Erstmal danke für deine Antwort!

Vielleicht zuerst zu deiner letzten Frage, was ich mit der Aktion erreichen will:

Ich will damit gar nichts erreichen, sondern störe mich nur an einem Denkfehler den ich habe und den ich nicht finden kann. Bereits durchdachte mathematische Strukturen nochmal zu durchdenken und bei Problemen Fragen zu stellen ist für mich keine „Aktion“. Ich würde das eher mit dem Begriff „Studium“ betiteln, auch wenn ich kein Student im beruflichen Sinne mehr bin.

Ich glaube so langsam dahinterzusteigen was mein Fehler ist. Mir bleibt aber noch eine Frage:

Ich sehe nicht was du meinst, dass ich die Beweisstruktur umkehre.

Es wird ja beim 2. Diagonalelement angenommen: „Eine Menge sei abzählbar unendlich“ und zusammen mit der Erkenntnis „Wir haben eine neue Zahl gefunden, die nicht in der Menge steht“ entsteht ein Widerspruch aus dem folgen muss „Die Menge ist überabzählbar unendlich“.

Bei meiner obigen Menge habe ich ja beobachtet, dass aus den Vorraussetzungen „Menge ist abzählbar unendlich“ + „Wir haben eine neue Zahl gefunden“ nicht gefolgert werden kann, dass die Menge damit uberabzählbar unendlich ist.

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Jangler13  24.09.2022, 14:18
@zerodesigner

Du kannst die Menge (0,1) auch als die Menge der unendlich langen Ziffernfolgen betrachten, wobei jede Ziffernfolge dann eine Reelle Zahl repräsentiert (für manche rationale Zahlen gibt es dann zwei Ziffernfolgen wegen den unendlichen 9er Folgen, aber das ist im Grunde nicht schlimm)

Mit dem Diagonalargument zeigst du, dass die Menge dieser Folgen nicht Abzählbar ist. Dein Beispiel enhält ja nicht ALLE folgen, sondern nur eine Teilmenge, weswegen du darauf nicht folgern kannst, dass die Menge überabzählbar ist. Wenn dann müsstest du eine Zahl aus deiner Menge konstruieren, die nicht abgezählt wurde, aber das ist bei deiner Menge nicht möglich.

Es wird nämlich angenommen dass man die Menge abzählen kann, und dann wird gezeigt, dass es ein Element aus der Menge gibt, welches nicht abgezählt wurde.

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DerRoll  24.09.2022, 14:24
@zerodesigner

Die Annahme beim zweiten Diagonalargument ist mehr. Du nimmst an die Menge ALLER Folgen aus den Ziffern 0 bis 9 ist abzählbar. Das bedeutet aber dass du eine Aufzählung hin schreiben kannst. Dies tust du und führst es dann zum Widerspruch.

Eine echte Teilmenge der Folgen aus den Ziffern 0 bis 9 kann demgegenüber abzählbar wie deine oder überabzählbar sein, je nach Konstruktion. Im abzählbaren Fall liefert das Diagonalargument keine sinnvolle Antwort. Denn die Zahl die du konstrierst MUSS gar nicht in der Liste auftauchen, lediglich dann wenn sie konstruktionsbedingt zur echten Teilmenge gehören würde. Das wäre aber zuerst nachzuweisen. Im Falle einer überabzählbaren Teilmenge lässt sich das Diagonalargument geeignet modifizieren.

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Ich frage mich also: Wie kann man mit dem 2. Diagonalargument aus der Tatsache, dass eine neu konstruierte Zahl eine „andere Ziffernfolge“ hinter dem Komma hat ableiten, dass es dann auch eine neue Zahl sein soll? Mein Beispiel zeigt ja, dass die neu konstruierte Zahl eine vollkommen andere Ziffernfolge hat, aber eigentlich das gleiche wie die erste Zahl der Liste ist.

Ganz einfach:

Deine Konstruktion entspricht nicht der Konstruktion von Cantor, da seine Konstruktion es unmöglich macht, dass die neue auf eine unendliche 9-er Folge endet.

Die Konstruktion lautet nämlich so:

Ist die n. Stelle der n. Zahl gleich 5, so setze die n. Stelle der neuen Zahl gleich 4. Ansonsten setze die gleich 5.

Siehe Wikipedia:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Cantors_zweites_Diagonalargument

Die Neue Zahl enthält somit keine Einzige 9, was garantiert, dass das, was du beschrieben kannst nicht eintreffen kann.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Mache derzeit meinen Mathematik Master

zerodesigner 
Fragesteller
 24.09.2022, 14:08

Oha, wer lesen kann ist klar im Vorteil :)

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scatha  24.09.2022, 14:55
@zerodesigner

Auch wenn dieser Fall bei Cantor's Methode, eine neue Zahl für der Liste zu bilden, nicht vorkommen kann, eliminiert dieses Argument leider nicht den (vermeintlichen?) Widerspruch, den der Fragesteller gefunden hat.

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DerRoll  24.09.2022, 15:05
@scatha

Der Scheinwiderspruch ist dass die neu konstruierte Zahl überhaupt in der Liste sein muss. Wo steht das? Die Liste enthält ja gerade NICHT alle rationalen Zahlen. Der "Trick" mit der 0,9periode, den der Fragesteller hier rein schmuggelt und der zur eigentlichen Sache nur Verwirrung beiträgt sollte eben aus dem Grund dass ,9periode keine eigenständige Zahl ist vermieden werden.

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zerodesigner 
Fragesteller
 24.09.2022, 16:42
@DerRoll

Also ihr Lieben.

Vielen Dank für eure vielen Beiträge. Endlich habe ich komplett verstanden, worin mein Irrtum lag:

1. Mir war nicht bekannt, dass die Uneindeutigkeit der Dezimaldarstellung nur bei Periode 9 auftritt. Ich hatte mich gestern u. A. noch gefragt: "Woher wissen wir eigentlich, dass die sog. Diagonalzahl wirklich gegen einen anderen Wert konvergiert, als alle Zahlen die wir bereits haben?" Das habe ich mittlerweile verstanden, dass das (außer bei Periode 9) immer so ist.

2. Ich hatte als zweites Diagonalverfahren im Kopf "wähle an Dezimalstelle i eine andere Ziffer als die i-te Zahl an Stelle i hat." So oder so ähnlich wird es in vielen Videos auf Youtube erklärt. Nach Cantor sind es ja in der Tat entweder eine 5 oder 4. Damit kann der Periode 9 Fall nicht entstehen und meine Konstruktion ist somit unzulässig.

Danke an euch alle! Habe dieses Forum das erste mal benutzt und war überrascht, wie schnell einem hier geholfen wird 🙂

Bye

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