In erster Linie geht es darum die AfD bei den wichtigen Wahlen in 2024 zu schwächen.

Hier eine Analyse von Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser:

10 Punkte zur Wagenknecht-Partei

1. Die Wagenknecht-Partei wird im Osten auf Kosten der Linken und der AfD Stimmen aktivieren können. Mario Möller bezeichnete Wagenknecht zurecht als „ideelle Gesamtostdeutsche“.

2. Das trifft insbesondere zu, weil Wagenknecht jene bei Ost-AfD-Wählern dominierenden Themen bespielen wird: Ausgleich mit Russland, Fokus auf soziale Gerechtigkeit, angemessene Konzernbesteuerung, Würdigung der Ost-Lebensläufe, Migrationskritik, Anti-Grünen-Impulse.

3. Vor allem die Anti-Grünen-Haltung und der Fokus auf soziale Gerechtigkeit wird auch der West-AfD stimmen nehmen, aber geringfügiger als im Osten. Im Westen wird Wagenknecht die Linkspartei komplett pulverisieren, Nichtwähler und auch enttäuschte Alt-Sozialdemokraten ansprechen können.

4. Wagenknecht wird medial gepusht werden, ihre offizielle Ankündigung spielte sie über die BILD. Dort ist man ihr nicht zugeneigt (zu sozial, zu russlandfreundlich usw.), aber man will die AfD zwingend verkleinern. So oder so: Sie wird als „Hoffnungsfigur“ gegen die AfD-Zuwächse instrumentalisiert werden und nutzt diesen Bonus seitens einer ihr an sich nicht wohlgesonnenen Medienkaste natürlich politisch-machiavellistisch.

5. Ein Grund zur Unruhe unter AfD-Verantwortlichen? Nein. Ein Grund zur Profilschärfung. Bereits in Blick nach links (2019) legte ich dar, dass Linkspopulisten nur jenen Raum besetzen können, denen man ihnen lässt. Solidarität und Identität als Fundamente sind rechte Themen, sind AfD-Themen. Matthias Helferich oder Björn Höcke haben es beherzigt, die Mehrheit (noch) nicht. Das muss endlich anders werden. Mehr Helferich, mehr Höcke, adieu Meuthen-Relikte!

6. Im Grunde bleibt die Herausforderung dieselbe: Die AfD muss stetig besser und kohärenter werden, authentische Volksopposition abbilden, Migration als ihr Hauptthema beackern und sozialpolitisch endlich „Kalkar“ fortschreiben (Was ist seit dem Rentenparteitag 2021 denn noch auf diesem Feld passiert? Nicht viel.). Das ist unabhängig von Wagenknecht die Aufgabe. Denn: Wagenknecht ist wichtig, aber nicht allgegenwärtig.

7. Das Problem kann aber zweigleisig werden, wenn die Freien Wähler oder Vergleichbares bisschen „rechter“ markiert und stilisiert werden sollten. Dann hätte man bürgerlich-konservative Aiwanger-Konkurrenz und sozialpopulistische Wagenknecht-Konkurrenz — womöglich bundesweit.

8. Wie also beide neue Mitbewerber um AfD-Wählerpotential konfrontieren?

Wagenknecht: Man muss ihre Migrationskritik stellen. Ihre in Büchern dargelegte Ablehnung der Massenmigration und ihre Erkenntnisse bezüglich Vertrauensverluste und mehr Unsicherheiten und mehr Lohndumping durch mehr Multikulti sind allesamt richtig. Aber: Sie wird das nicht konsequent betreiben können, sonst verliert sie ihr (alt)linkes Unterstützerumfeld beim Parteiaufbau. Ohne diese Leute kann sie aber nicht viel, denn sie selbst ist weder fähig, eine Partei aufzubauen, noch die Mühen der Ebenen zu bespielen.

Die Freien Wähler derweil muss man permanent als zahnlose CDU/CSU-Fortsetzung mit anderen Mitteln framen. Nichts an ihnen ist wirklich oppositionell; es ist Fleisch vom Fleisch des Etablierten.

9. Wagenknecht anzugreifen argumentativ ist wichtig; die Migrationsflanke ist alleine entscheidend. Sie kann hier nicht mehr länger nur Standpunkte äußern, die nur die ihren sind. Jetzt spricht Wagenknecht für eine eigene Partei. Hier wird es bei ihr Inkonsequenzen und Doppelbödigkeiten geben. Das ist nichts anderes als ein kontinuierlicher Elfmeter für die AfD als bisherigem parteipolitischen Monopolisten der Migrationsproblematik.

10. Der größte und irreparable Fehler wäre es, Wagenknecht für ihre Sozial- und Wirtschaftspolitik anzugreifen und libertäre Parolen zu nutzen („Die ist doch immer noch Kommunistin!“ „Die will keinen freien Markt, die kommt aus der DDR!“ usw.). Denn hier gibt es eine sehr große Überschneidung zwischen potentiellen AfD- und Wagenknechtwählern.

Für Wagenknecht wäre es wiederum eine Ansammlung von Elfmetern aufs leere Tor, wenn AfD-Mandatsträger ihr die soziale Flanke öffnen und das Team Wagenknecht das nicht (mehr) stimmende Bild von einer kalten, neoliberalen, sozial ungerechten AfD zeichnen kann. Darauf warten die Wagenknecht-Leute. Sie stehen damit in einer ironischen Allianz mit vulgärliberalen AfD-Politikern.

Also: Wagenknecht bei Migration stellen, ansonsten Gemeinsamkeiten nicht verleugnen und vor allem nicht vergessen, dass der Hauptgegner das Establishment bleibt, nicht die Erweiterung der parteipolitischen Sphäre durch Linkspopulare.

Wagenknecht-Linke sind gefährliche Mitbewerber, aber das ist in den Griff zu bekommen durch eine authentische soziale und patriotische Volkspartei, die zunehmend eine immer stimmigere Weltanschauung vertritt. Was Wagenknecht zwar auch tut, nicht aber Guérot und Co. Da öffnen sich folglich Widersprüche ohne Ende (z.B. zwischen linksliberalen Republik-Europa-Fans und klassischen Nationalstaatslinken).

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