Ich habe das Buch (noch) nicht gelesen und kann mir daher kein eindeutiges Urteil dazu erlauben.
Wichtig ist, dass bei sensiblen Themen nicht überreagiert wird. Die Worte des Mannes sollte man sich anhören und wer damit nicht übereinstimmt, sollte seine Aussagen widerlegen. Das ist allemal besser als empört, beleidigt zu reagieren und mir irgendwelchen Konsequenzen (s. sein Parteiausschlussverfahren) zu drohen.
Mein genereller Eindruck bei diesem Mann ist aber, dass er ein notorischer Gegner des Islam ist und gar nicht daran interessiert ist, sich kritisch mit dem Thema zu befassen.
Ein Phänomen, das man bei vielen Kritikern des Islam beobachten kann. Die islamische Welt hat in den Jahrhunderten auch viele fortschrittliche Entwicklungen erlebt.
All diese Fortschritte werden ignoriert. Für die heutige Situation in vielen islamisch geprägten Ländern und unter Muslimen in Deutschland suchen diese Kritiker ihre Gründe primär beim Islam und ignorieren, dass womöglich andere Kausalitäten in Betracht kommen könnten.
Ich weiß nicht ob du, lieber Fragesteller, studiert hast oder jemals anderweitig wissenschaftlich gearbeitet hast. Im wissenschaftlichen Arbeiten gibt es zahlreiche Methoden, an denen man sich orientieren sollte, damit es sich eben nicht zu einem einseitigen unwissenschaftlichen Pamphlet entwickelt.
Leider beobachtet man mangelndes Wissen und mangelnde wissenschaftliche Methoden bei vielen Kritikern des Islam.
Ich habe kurz den Wikipedia-Artikel zum Buch durchgelesen, der u. a. die Kernaussagen seines Buches resümiert:
Die Mehrheit der Muslime in Deutschland folge einer konservativen Islamauffassung. Nur eine Minderheit der Muslime praktiziere einen liberalen Islam.
Bereits diese o. g. Aussage halte ich für völlig unzureichend. Es gibt unzählige Strömungen im Islam und die unterscheidung zwischen konservativ und liberal ist völlig undifferenziert. Dies wird auch kritisiert in der anschließenden Aussage:
Der „konservative Islam“ (hier differenziert Sarrazin nicht zwischen Glaubensrichtungen im Islam) sei gegen das freiheitliche Denken, Gleichberechtigung, Geburtenkontrolle, wirtschaftlichen Erfolg und Integration.
Er wirft alle in einen Topf. Wissenschaftliches Arbeiten ist das keinesfalls.
Die nächste Aussage befasst sich mit den Zuständen in islamischen Ländern:
Islamisch geprägte Länder seien in Wirtschaft, Bildung, Kultur und Demokratie im Vergleich zu westlichen Staaten rückständig. Dies liege daran, dass dort ein konservativer Islam praktiziert werde.
Hier werden weitere potentielle Kausalitäten gänzlich ignoriert. Mag es sein, dass auch andere Gründe zu diesen Zuständen geführt haben? Insbesondere wenn man sich mit der Geschichte des Nahen Ostens vertraut macht, fällt auf, dass vorwiegend andere Gründe zu den heutigen Zuständen geführt haben.
Thilo Sarrazin hat einen Übeltäter ausgemacht: den Islam. Für ihn kommt gar nicht in Frage, dass es auch andere Ursachen für Probleme geben könne.
Die nächste Aussage beweist sein Halbwissen über den Islam
„Unterwerfung“ sei ein politisches Prinzip in allen islamischen Ländern.
Dass Politik je nach islamischer Strömung eine ganz unterschiedliche Rolle einnimmt, wird gänzlich ignoriert. Das liegt eben daran, dass er alle in einen Topf wirft und nur zwischen konservativ und liberal unterscheidet. Und die Bedeutung des Wortes Untwerfung (arabisch Islam) hat er auch nicht verstanden.
Seine nächste Aussage ignoriert wieder weitere potentielle Kausalitäten:
Die Muslime hätten weltweit eine überdurchschnittliche Geburtenrate. Als zentralen Faktor dieser „demografischen Explosion“ sieht Sarrazin die „unterdrückte Frau“.
Die Gründe für eine Zunahme oder einen Rückgang der Fetalitätsrate sollten hinreichend bekannt sein. Ökonomische und soziale Aspekte werden gänzlich ignoriert.
Ich breche die Analyse der weiteren Kernaussagen seines Buches an dieser Stelle mal ab. Das Bild, das er zeichnet, sollte eindeutig sein.
Im Wikipedia-Artikel findest zu zudem die Stellungnahme verschiedener Experten (Journalisten, Islamwissenschaftler etc.) zu seinem Buch.
Sie bestätigen sein unwissenschaftliches Arbeiten, seine primitive Koranexegese und sein gefährliches Halbwissen (so kennt Sarrazin nicht einmal den Unterschied zwischen Aleviten und Alawiten oder Laizismus und Säkularismus).