Frage - Frage - Frage
Hallo,
ich habe mal ein Frage an diejenigen die sich mit Therapien und mit dem Umgang von Drogenabhängigen auskennen. Ich schreibe ein etwas längeren Text um sich besser in die Situation reinversetzen zu können.
Ich (Gitarrist) habe vor zig Jahren einen anderen Gitarristen aus meiner Nachbarstadt kennengelernt, mit dem ich so gut wie jedes Wochenende immer zusammen hobbymäßig gejammt habe.
Ich war damals ca 20 und er ca 23. Er hat sich zwar bereits zu der Zeit, am Abend, ganz gerne mal ein Joint gegönnt, aber es war nie etwas anderes im Spiel.
Mir hat er auch nie etwas angedreht, da er wußte das ich mit Drogen nichts zu tun habe. Dieser Kontakt hielt ungefährt 4-5 Jahre. Wir wurden zu der Zeit echt dicke Kumpels.
Irgendwann kam dann aber eine abrupte Funkstille.
Ich hatte beruflich stark zu tun und wollte mich verändern, hatte nicht mehr die Zeit die Musik aktiv zu verfolgen, habe seine Nummer verloren und er meine (das war alles vor der Zeit von Social Networks).
Nun, nach über 10 Jahren, in denen wir keinen Kontakt hatten, habe ich letztens sein Profil auf Facebook gefunden und in spontan angeschrieben, ob er sich noch an mich erinnern würde etc.
Einige Tage später ging tatsächlich eine Antwort von ihm ein, in der er schrieb, dass er sich über die Nachricht sehr freuen würde, und das ich ihn besuchen kommen soll um mal wieder eine Runde in die Saiten zu hauen (so wie früher).
Er schrieb auch das er nicht mehr in seiner alten Wohnung leben würde sondern zurück zu seiner Mutter gezogen ist.
Ok, soweit so gut, nun dachte ich mir nichts dabei und bin dort hingefahren (er wohnt nur 8 Km von mir entfernt).
Ich kannte das Haus seiner Eltern von damals (die haben eine Doppelhaushälfte und waren anständige und gepflegte Leute).
Als ich ankam war ich über den aktuellen Zustand der Hauses regelrecht erschrocken. So sah es früher nicht aus.
Der Vorgarten war komplett verwüstet und mit Haushaltsmüll übersäht.
Ich habe dann an der Haustür geschellt worauf er mir dann auch direkt aufmachte und mich freundschaftlich begrüßte.
Optisch hat er ein paar KG abgenommen, machte aber einen relativ unveränderten Eindruck.
Wirkte allerdings nervös, hektisch und aufgedreht. Ich trat dann in die Wohnung ein und konnte glauben was ich dort sah.
Die Wohnung war so gut wie leer geräumt, die Möbel aus dem Wohnzimmer waren alle weg, in der Küche stappelte sich der Müll und verdreckte Teller (seit Monaten nicht gespült).
Die Mutter saß im Rollstuhl am Esstisch mit einem verbrannten Toastbrot und wirkte geistig abwesend. Wie ich erfuhr hat sie vor 5 Jahren einen Schlaganfall erlitten und ist seitdem halbseitig gelähmt
Den Schlaganfall hat sie auf dem weg zur Arbeit erlitten, in dem sie erst nach zig Stunden im Auto bewußtlos gefunden wurde, und ihr dabei die Füsse abgefroren sind (zum Zeitpunkt gab es ein extrem kalten Winter).
Nur mit Glück hat sie überlebt.
Wir sind dann hoch auf sein Zimmer. Dort dann der nächste Schock.
Im Zimmer stand lediglich ein total verdrecktes Bett, ein Schreibtisch mit einem Laptop auf dem sich die Grasstücke nur so stappelten, der Fussboden war dreckig, die Fenster seit Jahren nicht geputzt und schwartz, so das man kaum durchsehen konnte
In der Ecke ein abgedeckter Kasten in dem er grad sein Gras am hochziehen ist. Sein Musik Equipment von damals, - alles verkauft. Lediglich eine billige E Gitarre die neben den Haschisch Postern an der Wand hing.
Überall roch es nach Gras. Die Tapete war vergilbt. Insgesamt alles total runtergekommen, obwohl er damals eigentlich relativ sauber war. Mir unverständlich wie man so leben kann.
Wir unterhielten uns dann 2 Stunden, in denen er sich eine Tüte nach der anderen reinzog, zB darüber das sein Vater vor 8 Jahren, mit Mitte 50, gestorben ist, seine Mutter den Schlaganfall erlitten hat.
Er 4 Jahre lang, Non-Stop mit einer Industrial/Gothic Band auf Tour war (recht erfolgreich als Support Band, 300 Konzerte pro Jahr in D, USA, Rus,...) und das komplette
Programm an Musiker Lifestyle mit Frauen, Sex, Drogen etc mitgenommen hat, und nun, seit paar Jahren, mit leeren Händen und mittellos seine Mutter so gut wie möglich hilft und versorgt.
Seine gleichaltige Schwester wohnt auch in dem Haus, war aber in dem moment nicht anwesend (so wie er aber sagte, scheint sie auch drauf zu sein.)
Er sagte dass seine Mutter ständig etwas herunterwerfen würde, ihn wegen ihrer Borderline angreift, ihn alle 2 Stunden aus dem Bett schreit, und er kurz davor ist das ganze harte Zeug zu nehmen damit er wenigsten etwas Schlafen kann.
Er sagt mir zig mal das er so schnell wie möglich wieder nach New York zurück will (er war ja oft dort mit seiner damaligen Band) und das er sich in die Stadt verliebt hat.
Ich habe hierzu kein Kommentar abgegeben, auch wenn ich alles ingesamt krass fand was er erlebt hat, weiß ich das seine Zeit als Musiker inkl Touren und NY vorbei ist. Ich muss es ihm aber nicht vor dem Kopf werfen.
Nach 2 Stunden habe ich es in dem Gras riechenden Mief nicht mehr ausgehalten und ihn gefragt ob wir mit seinem Hund noch etwas rausgehen könnten.
Dies hat er bejahrt, meinte aber dass ich noch 2 Minuten warten soll.
Er holte Pep (Speed) aus der Schublade und zog sich ein Line durch die Nase, und zwar so, als obs das normalste von der Welt wäre.
Als ich in fragte ob er das alles mit den Drogen so OK findet, sagte er das er es diese gerne konsumiert und das er diese brauchen würde, zudem würde dies ja überhaupt nicht im Verhältnis zu dem stehen, was er damals beim Touren genommen hat.
Ich hab nur noch mit dem Kopf geschüttelt und mit gedacht das es nicht seine erste Line an diesem Tag war... was ist bloss mit dem Typen von damals passiert?
Wir gingen dann noch etwas raus und wir verabschiedeten uns.
Ich bin eigtl kein Typ der sein Leben darauf verschrieben hat Suchtkranken / Therapiebedürftigen aus dem Schlamassel zu helfen. Dafür wurde ich nicht gemacht, das können andere besser.
Ich wäre wohl auch nie zu ihm gefahren wenn ich das alles vorher gewusst hätte.
Fazit aus dem Abend:
Hier sind 2 Suchtkranke mittleren alters, die zusammen mit ihrer hilfsbedürftigen Mutter in einem heruntergekommen Haus leben.
Die Sozialhilfe geht für Drogen drauf. Überall stapelt sich Dreck.
Die Mutter sitzt mit Untergewicht im Rollstuhl, ist halbseitig gelähmt mit Borderline, der Vater an Krebs gestoroben.
Die beiden kommen auf ihr Leben nicht klar, er erkennt nicht das er selbst mit einem Bein im Grab steht und Hilfe bzw Entzug braucht.
Irgendwie tut mir der Junge Leid, weil er ein extrem (Menschen-) freundlicher, aufgeschlossener, ehrlicher, hilfsbereiter Typ ist der nicht auf dem Kopf gefallen ist und mMn die ganzen Schicksalschläge nicht verdient hat.
Auch würde er so schnell wie möglich als Grosshandelskaufmann wieder arbeiten wollenb (was ich ihm auch abkaufe), aber realistisch betrachtet ist es noch ein weiter weg bis er überhaupt beruflich einsetzbar ist, hier muss man sich nichts vormachen.
Nun meien Frage: Ich weiß wirklich nicht was ich hier tun soll und wie ich ihm helfen kann. Ich weiß nicht ob es Angehörige gibt die hier helfen können.
Es ist alles so weit mit den Drogen und der Verwahrlosung fortgeschritten, dass man hier wahrscheinlich nur noch Profis an solche Härtefälle heranlassen kann.
Worte werde hier doch gar nichts nutzen, wenn er selbst seine Problem nicht erkennt. Er würde alles abblocken bzw runterspielen.
Das ich niemals die Polzeit zu ihm schicken werde, werdet ihr sicherlich verstehen (die werden ihn sowieso nicht helfen können).
Sollte ich hier überhaupt etwas tun oder ist es nicht meine Aufgabe? - Ich weiß es nicht.
Ich weiß aber, dass wenn es so weitergeht, in 10 Jahren niemand mehr in dem Haus leben wird.