Da die bisher "hilfsreichste Antwort" nicht die gestellte Frage nach der Moral beantwortet sondern auf "Notwändigkeit" eingeht...

Ob Jagd moralisch verwerflich ist, hängt von verschiedenen Faktoren, Standpunkten und auch der Situation ab.

Nehmen wir mal ein paar Situationen, in der vermutlich die meisten die Frage der moralischen Verwerflichkeit anfangs bejahren, später verneinen würden:

  • Jagd auf aussterbende Tiere
  • Parforcejagd (Hetzjagd auf Füchse)
  • Jagd zur "Regulation" von Wildschäden
  • Jagd zur Ernährung (u.a. z.B. Eingeborene)
  • Jagd auf Raubtier, welches bereits Menschen angegriffen/getötet hat (in Deutschland glücklicherweise noch eher hypothetisch)

Vermutlich würden die meisten Menschen die Jagd auf z.B. einen Bär oder einen Wolf, der bereits Menschen getötet hätte moralisch befürworten. Die Jagd auf eine aussterbende Spezies andererseits wird wohl von der überwältigenden Mehrheit verurteilt.

Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen wird jeder Mensch seine Grenze ziehen. Das ist allerdings sehr subjektiv. Leute die das eine oder das Extrem anders beurteilen würde ich persönlich eher in die Kategorie "Fundamentalist" stecken.

Im Prinzip sind wir Lebewesen, wie alle anderen auch. Wir können nicht (über)leben ohne anderen Lebewesen das Leben zu nehmen oder einzuschränken. Welchen Lebewesen wir das Leben nehmen oder einschränken und welchen nicht ist im Grunde willkürlich und dennoch die Trennlinie die wir ziehen, zwischen z.B. Fleischesser, Vegetarier, Veganer und allen Schattierungen. Oder auch bzgl. der "genutzten" Tierarten, Kühe in Deutschland gegenüber Indien, Hunde in Deutschland gegenüber evtl. Ländern in Asien.

Die moralische Trennlinie ist nicht ganz einfach zu ziehen. Zudem kommt es darauf an ob man sich eher als "Naturschützer" oder als "Tierschützer" sieht, was man verdammt und was man bevorzugt.

Ein Tierschützer würde möglicherweise sagen, das Tier darf nicht leiden.

Ein Naturschützer würde sagen, die Natur muss so ablaufen wie sie halt ist.

Das führt im Extremfall zu Situationen wie in Oostvaardersplassen in den Niederlanden. Dort gibt es ein Naturentwicklungsgebiet von 56km², in dem die Natur und die Tiere sich selbst überlassen wurden. Den größten Teil des Jahres über scheint das auch zu funktionieren, allerdings entwickelt sich über das Jahr ein Tierbestand der nicht über den Winter kommen kann, was teilweise zu massivem Verhungern führt. Hunderte Tiere verenden, und das nicht auf die "humanste" Art. Üblicherweise wohl 30%-60% (Zahlen von Wikipedia).

Tierschützer sagen, das geht nicht und muss gestoppt werden. Dabei gibt es dann mehrere Varianten: Zufüttern, was das Problem aber nur verschiebt und unnatürlich ist, Gebiet ausweiten und vergrößern, was aber das Problem evtl. auch nur aufschiebt, oder "erlösen" statt verhungern lassen. Wenn man die Tiere schon "erlöst", ist man von der Jagd nicht mehr weit entfernt. Der Unterschied ist dann, man "jagt" die Tiere bevor sie leiden, man "erlöst" die Tiere nachdem sie schon gelitten haben und nachdem klar wird, das Tier überlebt es sowieso wahrscheinlich nicht. Jeder wähle sein subjektiv kleineres Übel.

Naturschützer sagen, das verhungern und krepieren ist natürlich. Und im Prinzip haben sie auch recht. Die Natur schert sich nicht um Moral, das ist eine menschliche Entwicklung. Raubtiere fressen Beutetiere auch mal bei lebendigem Leib, oder zerreissen/verletzen sie. Leid zu minimieren ist nicht das Ziel von Raubtieren, fressen und überleben ist es. Das einzige Problem ist, normalerweise passiert sowas (Verhungern und auch gefressen werden) weit weg, und keiner sieht es. Deswegen sind wir davon mental so weit entfernt.

Wir kaufen unser Fleisch im Supermarkt. Anonym. Viele denken nicht mehr darüber nach was es eigendlich bedeutet, "Fleisch". Wir füttern unseren Hunden und Katzen Dosenfleisch und können verdrängen dass sie Raubtiere sind. Wir haben all unsere Verantwortung outgesourced. Wir stellen die Jagd in Frage, gehen nach Hause, essen unser Schnitzel aus dem Supermarkt und lassen die Katze raus damit sie sich ein wenig in der Natur "austoben" kann. Und wir alle wissen was das heißt. Aber wir haben ja nichts "selber" gemacht. Es sind ja nur die anderen. Wir haben nur die "Früchte".

Ob Jagd moralisch verwerflich ist? Manchmal ja. Manchmal vielleicht nein. Es gibt keine Allgemeingültigkeit.

Meine Meinung?

Vermutlich ist ein Jäger der ab und zu ein Tier jagt und dann isst, nicht mehr moralisch verwerflich als ein Mensch der sein Fleisch im Discounter holt und auf den Grill wirft. Eher weniger, denn der Unterschied ist, er weiß auch noch was das bedeutet. Er durchläuft den ganzen Prozess von vorne bis hinten, und hat die Schritte die die Moral direkt betreffen nicht jemand anderem "abgegeben". Knallköpfe die "ballergeil" sind nehme ich jetzt mal aus.

Vor jedem Vegetarier und Veganer der das ernsthaft und konsistent durchzieht habe ich einen großen Respekt, und von unserem moralischen Standpunkt aus sind das vielleicht die Gewinner. Aber auch in einer Welt von Vegetariern und Veganern mag es Situationen geben in denen Jagd mal notwändig werden könnte. Siehe Raubtiere in Zukunft, oder Schäden in der Landwirtschaft, die auch die nicht-tierischen Erzeugnisse dezimieren. Wir können uns nicht aus der Natur herausdefinieren. Wir sind Teil davon. Und nicht immer werden wir die "Verteidigung" an Tiere (z.b. Raubinsekten, Wolf, Fuchs, Luchs, Hund etc.pp.) outsourcen können. Und wir werden auch nicht alles was wir brauchen im Treibhaus wachsen lassen können damit es sicher ist vor Tieren.

Zum Thema "Alternative", es gibt immer eine Alternative. Die Frage ist, wie teuer und aufwändig wird es, und wie groß sind die Seiteneffekte. Wie kastriere ich genügend Tiere, die man ja schon nur mit Aufwand jagen kann, und dafür müsste man sie noch fangen und behandeln? Wie natürlich ist das? Wenn ich einfach "Pillen" auslege die sie fressen, wer frisst die noch? Wen sterilisiere ich damit unbeabsichtigt noch? Rotte ich damit eine andere Art aus Versehen aus? Wenn ich Zäune baue, können die Tiere nicht mehr wandern. Bei manchen Tieren ist das egal, aber andere brauchen das. Baue ich nicht dann lauter kleine Oostvaardersplassens? Was ist mit den Menschen, bekommen die dann extra Brücken oder Schleusen? Was kostet das für große Flächen? Welche anderen Tiere treffe ich damit?

Viele Punkte zu denen jeder wohl seine eigene Meinung hat.

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