Hallo zusammen.
Ich bin schon seit über 25 Jahren Lehrerin an einer Realschule in NRW. Bis jetzt hatte ich immer ganz "normale" Kinder in den Klassen. Vor einem Jahr hat sich aber etwas verändert. Ich unterrichte das Fach Deutsch in einer 8. Klasse. In dieser Klasse ist nämlich ein sehbehindertes Mädchen. Man merkt ihr die Behinderung auf den ersten Blick gar nicht an. Sie ist ein hübsches, lebensfrohes Mädchen, mit viel Humor.
Ich unterrichte sie und die Klasse nun schon seit einem Jahr. Ihre Noten in Deutsch sind immer gut bis sehr gut. Die letzte Arbeit (die ich morgen zurück gebe) lief allerdings nicht ganz so gut für sie, wie ich erwartet hätte. Ich war sehr geschockt, da ich ihr leider eine 4 geben musste. So etwas ist sehr untypisch für sie. Zudem hatte sie für diese Arbeit 2 Stunden Zeit und alle anderen Kinder nur eine. Das macht die Sache natürlich nicht besser...
Ich mache mir einfach sorgen um sie. In letzter Zeit wirkt sie traurig und erschöpft. Sie lächelt
total wenig, was sie sonst immer gemacht hat. Wenn ich sie an lächel, dann muss sie sich schon fast ein Lächeln aufzwingen. Dazu habe ich das Gefühl, dass sie meine Blicke entweicht. Sie redet auch nur noch sehr wenig mit ihren Freundinnen, in den Pausen.
Von anderen Lehrkräften weiß ich, dass sie kein einfaches Leben hat. Sie wurde schon 2 mal an ihren Augen operiert, trotzdem sieht sie erschreckent schlecht. Oft wurde sie gehänselt, weil sie nun mal anders ist. Sie hatte auch schon oft Unfälle (Fahrradunfälle) gehabt, weil sie nicht schnell genug reagieren konnte. Trotzdem macht sie weiter. Das bewundere ich gerade an ihr. Egal was passiert, egal was andere sagen, sie macht damit weiter. Was ich auch sehr interessant finde, sie reitet. Sie sieht richtig schlecht, setzt sich aber trotzdem auf ein Pferd.
Na ja, jetzt komme ich mal wieder zurück. Trotz alledem, das sie so ein frohes Kind ist, tut sie mir unentlich leid. Erst recht, wenn sie im Unterricht z.B. fragt, was da an der Tafel steht. Da kommt mir immer so ein Mitgleidsgefühl hoch, das halte ich nicht aus. Das möchte ich ja eigentlich nicht, aber es passiert.
Das ist nicht nur bei meiner Schülerin so. Immer wenn ich behinderte Menschen sehe, passiert das.
Kann ich dieses Gefühl irgendwie unterdrücken? Manchmal kommen mir schon fast die Tränen... Kann es sein, das manche dann gar kein Mitgleid wollen?
Danke im voraus,LG