Hätte ich ihm früher von meiner Amputation erzählen müssen?

Hallo zusammen.

Ich bin gerade in einer Situation, wo ich nicht so recht weiss ob ich richtig reagiert habe. Mir wurde vor vielen Jahren der Oberschenkel amputiert. Für mich ist dies auch kein Problem und ich kann mit Prothese sehr gut umgehen, also man sieht es mir nicht an. Im Geschäft wissen es nur meine engen Kollegen, spielt ja eigentlich auch keine Rolle.

Vor ein paar Monaten sprach mich dann ein Mitarbeiter, der zwar im gleichen Gebäude, aber bei einer anderen Firma arbeitet, an und wollte mich einladen. Ich habe zugesagt, bin dann auch drei Mal mit ihm Essen gewesen. Aber es war nie der richtige Zeitpunkt, ihm von meiner "Behinderung" zu erzählen. Ich hab schon gemerkt, dass ich ihm sehr gefalle und er hatte definitiv auch Interesse an mir. Aber wir hatten eben auch erst so wenige "Dates" und beim Kennenlernen gibt es halt sooo viel zu erzählen. Als wir das letzte Mal zusammen aus waren, fasste er mir unterm Tisch ans Knie. Also in diesem Fall an die Prothese. Im ersten Moment fand ich einfach seinen Blick unbezahlbar... :) Aber dann stand er auf und sagte er müsse aufs WC, ging stattdessen aber zahlen und liess mich sitzen. Für mich keine schöne Situation. Blöd ist auch, dass mein Arbeitsplatz nah an seinem ist und die Athmosphäre jetzt sehr angespannt und unangenehm ist. Also eisiges Schweigen und er schaut auch immer weg. Sollte man sowas besser vor allem Anderen beim ersten Gespräch erzählen?

Danke für Eure Meinungen :)

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Ich finde, es ist alles in Ordnung und Du hast Dich absolut richtig verhalten, bis auf zwei Punkte: Den unbezahlbaren Blick hättest Du fotografieren sollen - das hast Du verpasst und Du machst Dir zu viele Gedanken um Leute, die es offensichtlich nicht wert sind. Bertrand Russell: 'Menschen, die sich Gedanken darum machen, was andere über sie denken, wären sehr überrascht, wie wenig die anderen über sie nachdenken'.


Meiner Meinung nach liegt die Antwort in der ausführlichen Schilderung. Die Reaktion des Mannes zeigt, dass man ihm weder etwas hätte sagen sollen, noch mit ihm hätte ausgehen sollen (was man ja leider vorher meistens nicht wissen kann), noch sich von seinem jetzigen Verhalten etwas annehmen sollte.

Wenn es eine immer zutreffende Antwort gäbe, müsste es so etwas wie eine grundsätzlich gültige Grenze dessen geben, was man überhaupt anderen Menschen anvertrauen kann und wie sollte die aussehen? Darf oder sollte eine Frau einem Mann das sagen, wenn sie einen Hängebusen oder Cellulite hat? Was ist mit einem fehlenden Zeh oder einem Glasauge und wann ist der richtige Zeitpunkt?
Manchen Menschen kann man nichts anvertrauen, ohne dass sie sich daran stossen, anderen kann man alles anvertrauen - das liegt an der persönlichen Integrität und wie zufrieden der jeweilige Mensch in seinem eigenen Leben ist.

Lass Dich nicht durch solche Typen verunsichern und höre auf Deine Intuition und rechne es nicht Dir, sondern jeweils den Leuten an, die glauben komisch reagieren zu müssen. Menschen, die Schwierigkeiten mit Behinderten haben, haben selbst Angst davor, behindert zu werden und Menschen, die dauernd andere kritisieren und sie verändern wollen, haben an den jeweiligen Punkten selbst Schwierigkeiten.

Immer daran denken:

Die grössten Kritiker der Elche

waren früher selber welche!

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