Ist ein Burka-Verbot vertretbar/gut/sinnvoll?

Hallo Community!

Auch wenn eine Frage dieser Art hier schon häufiger gestellt wurde, möchte ich sie unter einem speziellen Blickpunkt erneut stellen. Ich persönlich kann mich nur sehr schwer festlegen, ob ich ein Burka-Verbot für richtig oder falsch, für gut oder schlecht halte.

Was für mich FÜR ein Burka-Verbot spricht: Eine Gesellschaft muss Grenzen setzen - ebenso wie es verboten ist, nackt herumzulaufen, sollte es auch verboten sein, komplett verschleiert herumzulaufen. Das Menschen- und Geschlechterbild, auf dem die Burka basiert, ist nicht konform mit den Prinzipien unseres Grundgesetzes. Die Burka ist frauenfeindlich, da sie einzig für das weibliche Geschlecht gemacht ist und das Individuum in diversen Alltagsaktivitäten einschränkt. Ein Burkaverbot überschneidet sich nicht mit dem Recht auf Religionsfreiheit, da die Burka in keiner islamischen Schrift Erwähnung findet und höchstens in ultrakonservativen sektengleichen Strömungen vorgeschrieben wird. Ein Burkaverbot würde radikalislamischen Gruppen Grenzen aufzeigen. Frauen, die bis dato zum Tragen einer Burka gezwungen wurden, sind nun ein kleines Stückchen freier.

Was für mich GEGEN ein Burka-Verbot spricht: Die Burka ist nicht zu verwechseln mit dem Nikab. Im deutschsprachigen Raum sowie den Niederlanden gibt es nur sehr wenige Burkaträgerinnen (in Deutschland ein Bevölkerungsanteil von 0,000123%). Folglich ist ein Verbot sowie die große gesellschaftliche Debatte völlig übertrieben und unverhältnismäßig. Das nur eine minimale Bevölkerungsgruppe betreffende Verbot würde vergleichsweise große Wellen schlagen, da es die muslimische Gesellschaft als Eingriff in ihre Privatsphäre wertet. Somit vergrößern sich die Spaltung, das Opferrollengefühl, das Misstrauen gegenüber dem Staat sowie die Sympathiebekundung mit konservativen Kreisen. Es handelt sich dabei also um eine Scheindebatte, die sich auf Annäherungs- und Integrationsprozesse der muslimischen Parallelgesellschaft negativ auswirkt. Ein Burka-Verbot garantiert außerdem nicht, dass gezwungene Burkaträgerinnen tatsächlich mehr Freiheit haben - vielleicht ist auch das Gegenteil der Fall, weil solche Frauen als Konsequenz dann gar nicht mehr das Haus verlassen dürfen. Islamismus muss an anderen Stellen bekämpft werden, Verbote wie dieses erzeugen kein Umdenken, ganz im Gegenteil.

Welcher Argumentation würdet ihr eher zustimmen und warum?

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Guten Abend,

viele deiner Argumente - auf beiden Seiten - sind für mich durchaus vertretbar. Letztendlich hängt das Ganze sicherlich auch zu einem großen Teil von den persönlichen Einstellungen und der eigenen Sozialisation ab.

Ich halte es, das sei vorweg gesagt, für eine besondere Errungenschaft unserer Demokratie, dass "[d]ie Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich" sind (Art. 4 GG). Zu einem liberalen Staat gehört das definitiv dazu. Dass die Burka in islamischen Schriften nicht erwähnt wird, halte ich da fast für nebensächlich. Trägt ein Mensch als Ausdruck seines Glaubens ein Kleidungsstück, so steht es ihm per se meines Erachtens frei, SOFERN er dies nicht in Beziehung zu staatlichen Organen tut, denn ebenso wichtig wie die Religionsfreiheit ist für mich die Neutralität des Staates (für die Trennung von Kirche & Staat setzte sich schon Bismarck ein). Außerdem darf diese Kleidung natürlich nicht zum Ausdruck verfassungsfeindlicher Ideale verwendet werden. So viel zu den Rahmenbedingungen.

Mich persönlich stört gerade die Burka jedoch aus folgenden Gründen: Zunächst ist es grundsätzlicher Bestandteil westeuropäischer Kulturen, dass man sich in die Augen schauen kann, wenn man auf gleicher Ebene miteinander kommuniziert. Schon im Mittelalter klappten Rittersleute ihr Visier hoch, um friedfertige Absichten zu signalisieren. Nicht umsonst wird diese Geste bis heute (v.a.) beim Militär in abgewandelter Form als Gruß verwendet. Wer mir seine Augen nicht zeigen will, sie bewusst versteckt, dessen Absichten kann ich weniger gut deuten, Mimik und Gestik fehlen, wichtige Elemente nonverbaler Kommunikation, die mir helfen, einen Menschen kennenzulernen und zu verstehen.

Ein weiterer Punkt, der mich als Mann betrifft, ist der respektvolle Umgang miteinander. Tritt mir jemand nur vollverschleiert gegenüber, dann ist das für mich ein eindeutiges Statement, das da lautet "Ich zeige mich dir nicht". Irgendetwas rechtfertigt offenbar, dass diese Person mir nicht ohne Burka gegenübertreten kann. Damit fühlt sich das wie eine Pauschalkritik an, als wäre ich schlichtweg als Mann nicht vertrauenswürdig genug, als dass man sich mir zeigen könnte. Als wäre ich nicht in der Lage, meine Hände bei mir zu behalten. Ich zeige mich dieser Person, offenbare damit meine Identität, während ich nicht einmal erkennen kann, wer da vor mir steht. Damit besteht aus meiner Sicht beiderseits ebenfalls eine Grundschwierigkeit, Vertrauen aufzubauen.

Insofern stellt die Burka für mich einfach unabhängig von der Frage, ob sie verboten werden sollte, ein riesiges Hindernis in Bezug auf erfolgreiche Integration in eine Gesellschaft, die das Tragen der Burka nicht allgemein pflegt, dar. Sie baut Barrieren, die es nicht geben müsste und sorgt auch auf der anderen Seite des Schleiers regelmäßig nur für Verwunderung, Misstrauen, Distanz. Verdenken kann man es den Leuten nicht, will ich meinen.

Gruß

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