Das hängt mit ziemlicher Sicherheit damit zusammen, dass viele Menschen mehr und mehr den Eindruck gewinnen, Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe wären Dinge, die unserer Gesellschaft nach und nach verloren gehen. Und diese Menschen verbinden mit Religion die Hoffnung, diese Tugenden wieder aufleben lassen zu können, da diese ja im Kern jeder religiösen Botschaft eine entscheidende Rolle spielen.
Mit anderen Worten... wäre die Gesellschaft so vernünftig, gut und hilfsbereit wie es gut für alle wäre, dann wäre der Ruf nach Religion sicher auch nicht so laut.
Damit erkläre ich mir auch, warum sich gerade junge Leute aus schwierigen Verhältnissen inzwischen wieder gelebter Religion zuwenden. Was ja wirklich lange Zeit in Deutschland überhaupt nicht mehr abzusehen war. (Und damit meine ich nicht Extremismus, sondern ganz normale, gelebte Religion.) Das beobachtet man zwar zur Zeit vor allem im Islam, aber es sind inzwischen auch einige junge Christen, für die Religion wieder mehr ist, als sonntags in die Kirche zu gehen und im Familienkreis mal ein Tischgebet zu sprechen.
Natürlich kann man sich genauso gut vollkommen frei von Religion gemeinnützig engagieren und einen großen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben leisten. Dafür gibt es viele positive Beispiele. Aber Tatsache ist auch: Der durchschnittliche - ich sag jetzt einfach mal Deutsche, trifft aber genauso gut auf jeden anderen Westeuropäer zu - ist der Meinung, damit dass er seine Steuern zahlt, ist seiner Pflicht an der Gesellschaft genüge getan. Und das ist eine Sichtweise, die sich erst in der Nachkriegszeit als gesamtgesellschaftliche Einstellung entwickelt hat.
Ob das nun nur auch zufällig die Zeit war, in der Religion nicht nur ganz extrem an Bedeutung, sondern auch an Anhängerschaft verloren hat, ist eine Frage die man sich stellen kann, die aber sicher nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten ist.