Man kann bei folgendem Vergleich ansetzen:

Bei uns herrscht die unumstößliche Ansicht vor, dass ein Musikinstrument zu erlernen in aller erster Linie "schwer" ist, dass man "viel und lange üben" muss, um überhaupt etwas zu schaffen, dass, wenn man die Kinder zu früh damit "belastet", diese "keine Kindheit" mehr haben. Wenn ein Kind von sich aus sagt, es übe lieber Klavier, statt draußen mit den anderen "spielen" zu gehen, dann erntet es ausschließlich mitleidvolle Blicke.

Dazu ein Zitat von einem afrikanischen Musiker:

„Zuerst macht ihr [Europäer) alles so kompliziert wie möglich, damit man euch für weise hält – wenn es dann trotzdem jemand schafft, irgendetwas zu lernen, nennt ihr ihn begabt, und über die anderen jammert ihr so laut, dass die sich am Ende selbst für dumm geboren halten“.

In China hingegen herrscht eine fundamental andere Sichtweise vor. Ein Instrument zu erlernen ist wie "sprechen" zu lernen. Wenn man mit dem Instrument sehr früh in Berührung kommt, dann spricht das Kind das Instrument tatsächlich wie eine zweite Sprache (wächst sozusagen "zweisprachig" auf). Da das Kind von der Außenwelt nicht ständig eingetrichtert bekommt (passiv durch Reaktionen, aktiv durch ausgesprochenes Mitleid) wie "schwer" das doch sein muss, hat es einen lockeren Umgang zum Musizieren.

Bei uns jedoch ist musizieren zu oft mit sehr viel Ernst verbunden. Die Kinder, sobald sie ihr Instrument anfassen, verkrampfen schon. Sie wissen, jetzt muss ich "arbeiten". Ein Instrument zu spielen, heißt "arbeiten, arbeiten, arbeiten", sonst schafft man es nicht - DAS kriegen sie schon sehr ürh von ihrer Umgebung eingetrichtert, ob bewusst oder unbewusst. Ein "natürlicher" Umgang mit dem Instrumentalspiel ist damit eigentlich unmöglich.

Diese verschiedenen Ansichten spiegeln sich in der Kultur wider: während in China fast jeder Klavier oder ein anderes Instrument auf sher sehr hohem Niveau spielen kann - sie tun es halt einfach, gibt es bei uns nur eine gewisse Minderheit, die halbewegs und nie ganz auf diesem Niveau mithalten kann. Bei uns gibt es stattdessen "Elitenförderung", d.h. Kinder, die als besonders "begabt" gelten, werden wie ein rohes Ei von Musikschule zu Musik(hoch)schule gereicht und gespflegt, damit unter all den tausenden Asiaten, die die Musiklandschaft bevölkern, auch mal ein einziger Europäer aufleuchten kann. Meiner Meinung nach sind von diesen "begabten" Kindern, die eh schon 0,000001% der Musikschüler ausmachen, auch nur 0,0001% tatsächlich "hochbegabt", die anderen hatten nur das Glück, dass sie schon im Alter von 4 Jahren einen Flügel UND (das ist DER ausschlaggebende Punkt!) von Anfang an einen PROFESSIONELLEN Klavierlehrer hatten! Das kann man gar nicht überbewerten, das ist neben einem guten Instrument DAS Hauptkriterium für den späteren Erfolg auf seinem Instrument.

Als nächstes spielt natürlich auch der Punkt "Ausdauer" und "Disziplin" eine Rolle. Auch hier herrschen von Grund auf verschiedene Ansichten vor. Während bei uns im Westen Kinder "Kinder" sein sollen (was schon ein Phänomen ist, da es die sog. "Kindheit" erst seit dem Mittelalter gibt, vgl. Neil Postman) und wie schon gesagt, Instrumentalspiel nicht als "Spiel" gilt sondern als "Arbeit", wird in Asien nicht nur Instrumentalspiel auch als "Spiel" gesehen, wenn Kinder mehrere Stunden diszipliniert am Instrument sitzen (und spielen..bei uns ist es in dem Alter "cool" einfach so in der Stadt "abzugammeln"...), dann kommt keiner und sagt: "oh das arme Kind, es sollte jetzt aufhören und spielen gehen. Ich hoffe die Diskrepanz wird einigermaßen deutlich...

Ich studiere übrigens Musikwissenschaft und Klavier nur im Nebenfach (Schulmusik-Niveau), bei Hauptfach hätte ich niemals eine Chance und auf der Hochschule sind auch wirklich ungelogen 95% Asiaten, alle Europäer auf die man trifft, studieren "Schulmusik", wo die instrumentalen Anforderungen so gering sind, dass sie ein Asiate schon mit 6-8 Jahren locker bestehen würde.

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