Von den anderen Künsten ist die Spätromantik in der Musik zeitlich und inhaltlich abzugrenzen. Schon die (hoch-) romantische Musik umfasst einen größeren und späteren Zeitraum. Wenn man heutzutage von spätromantischer Musik spricht, meint man Werke, die etwa zwischen 1860 und 1910 entstanden sind. Besonders um die Jahrhundertwende gibt es aber bereits Schnittpunkte mit den ersten aufkommenden Experimenten von Expressionismus und Zwölftonmusik. Für spätromantische Musik gibt es verschiedene Merkmale:
* deutliche Vergrößerung des Orchesters bis hin zur riesenhaften Besetzung (Gipfelpunkt: Gustav Mahlers 8. Sinfonie, 1910)
* Abwendung von der Salon- und Hausmusik hin zur institutionalisierten Konzertmusik (Gründung von Konzertgesellschaften und Philharmonien)
* deutliche Bevorzugung von Programmmusik (Gustav Holst) und vom Komponisten subjektiv geprägten Drama (Richard Wagner)
Innerhalb der Spätromantik gibt es verschiedene Strömungen, zum Beispiel Werke, die dem Symbolismus zuzurechnen sind, der später in den Impressionismus mündet (Gabriel Fauré, Alexander Skrjabin) oder auch den italienischen Verismo (Giacomo Puccini), in welchem die Hinwendung zur Moderne sich darin äußert, dass zum Beispiel eine Katharsis beziehungsweise (Er-) Lösung der Handlung nicht mehr stattfindet, sondern Werke tragisch enden.
Musikalisch ist in der Spätromantik eine deutliche Ausweitung der Harmonik und des Kontrapunkts erkennbar. Werke von Alexander von Zemlinsky oder Max Reger etwa weisen innerhalb eines Taktes oft mehr als ein Dutzend selbständig geführter Stimmen aus, der Orchesterklang ist farbig und die Fortschreitung der Harmonik gerät oft an die Grenze der Tonalität. Auch die Werke Hugo Wolfs zeigen bis dahin ungekannte harmonische Schärfen und Wendungen. Richard Wagners Oper Tristan und Isolde verbleibt durch zahlreiche nicht bestimmbare Akkorde dauerhaft in einem schwebenden tonalen Raum. Die letzte Konsequenz, die Auflösung eines tonal gegründeten Systems wurde schließlich von Arnold Schönberg durchgeführt. Andere Komponisten haben den spätromantischen Stil beibehalten. Innerhalb der experimentellen Phase des 20. Jahrhunderts wurde dieser aber oft wieder einfacher und hat in Strömungen wie den Neoklassizismus geführt.