Die Bedeutung der Flagge hängt ganz davon ab, wen man dazu fragt. Während sie in den - für das allgemein anerkannte moralische Wertebild überwiegend verantwortlichen - Nordstaaten kaum mit etwas anderes als Sklaverei assoziiert wird, es war ja die Flagge der Gegner, ziert die Flagge bis heute in den Südstaaten viele Haushalte, was aber nicht heißt, dass diese alle die Sklaverei zurückhaben wollen. Spricht man mit Südstaatlern über die Flagge, stellt sich oft heraus, dass sie dies aus patriotischem Stolz tun und sich nicht weniger für Rassismus begeistern könnten - sie beugen sich aber auch nicht politischer Korrektheit. Man muss hier nämlich sehen, dass der Bürgerkrieg auf zwei Ebenen geführt wurde: das Thema der Sklaverei war ein Aspekt davon und hier kann man einfach nicht anders, als den Nordstaatlern recht zu geben, dass Sklaverei verabscheuungswürdig ist. Es ging allerdings auch darum, dass sich der amerikanische Süden im Vergleich zu den Nordstaaten benachteiligt würde und seine Kultur, Werte und Meinungen "geschluckt" sah. Immerhin wurde sogar ein Präsident ins Amt gewählt, ohne, dass er in einem der Südstaaten mehr Stimmen hatte. Die Südstaaten sind im Vergleich zu den Nordstaaten bis heute eine gänzlich andere Kultur. Während der Norden ein auf die Moderne ausgerichteter städtischer Schmelztiegel verschiedener Kulturen ist, ist der Süden ländlicher; traditioneller, wertkonservativer. Ähnlich wie Österreich oder sogar Bayern im Vergleich zum Rest Deutschlands (bin selbst Ösi, kann ich von daher bestätigen). Während man beim Norden eher tatsächlich das Bild, dass hier oft vorherrschende Bild, dass Amerika vor allem aus vielen Nationen zusammengewürfelt ist, bestätigt bekommt, haben die Südstaaten tatsächlich ihre eigene, typische Kultur entwickelt, mit typischer Kleidung, Musik, Bräuchen und kulturellen Eigenheiten, wie sie auch so gut wie jedes europäische Land besitzt. Bis heute jedoch wird der Süden vom großen Norden überschattet; der beim allgemeinen Meinungsbild mehr zu sagen hat, international präsenter ist und auch ernster genommen wird. Es gibt daher viele Südstaatler, die weniger zelebrieren, Amerikaner zu sein, als spezifisch Stolz auf die südstaatliche Kultur zum Ausdruck bringen wollen. Diese verwenden häufig die Konföderiertenflagge, da sie diese mit einer Zeit assoziieren, als der Süden um seine eigene unabhängige Identität kämpfte - was auch der Wahrheit entspricht. Zeitgleich wird diese Flagge auch für viele Nordstaatler mit Rassismud und Sklaverei assoziiert, immerhin hat man damals gegen diese Flagge gekämpft, um die Sklaverei abzuschaffen - auch das ist wahr. Was es so kompliziert macht, ist, dass diese beiden Komponenten damals im Krieg ausgetragen wurden; es ging um die Unabhängigkeit des Südens als auch um Sklaverei. Dabei sind viele stolze Südstaatler heute in ihren Ansichten auch modern und aufgeschlossen - freilich nicht alle, und bei ländlicheren Gebieten gibt es tendenziell mehr Leute mit problematischen Ansichten als bei städtischen, das heißt aber nicht, dass das ländliche Gebiet an sich das Problem ist. Den Vergleich mit der Hakenkreuzflagge, den Spike Lee damals prominenterweise gebracht hat, halte ich daher für extrem holprig und absolut nicht zu Ende gedacht - immerhin war das dritte Reich ein Imperium, das sein Gebiet immer weiter vergrößern wollte, während die Konföderierten das genaue Gegenteil, nämlich eine Abspaltung wollten. Die Hakenkreuzfahne aus patriotischen Gründen aufhängen zu wollen, wäre daher völlig sinnlos, eher zu vergleichen wäre es mit jemandem, der stolz darauf ist, Teil der ehemaligen DDR zu sein.

Der Idealfall wäre es, sich die Schandflecke der eigenen Vergangenheit anzusehen und aus diesen zu lernen, um es besser zu machen, sich aber trotzdem den Stolz auf die eigene Kultur zu bewahren. Das hat in Österreich zwar länger gedauert, aber letztlich auch funktioniert. Hier können die Leute Stolz zeigen und trotzdem den Nationalsozialismus und jegliche Art von Rassismus verurteilen. Den Südstaatlern jetzt noch mehr ihrer eigenen Identität zu nehmen - Denkmäler niederzureißen, die Flagge öffentlich nicht mehr zu präsentieren und sie für den Stolz auf ihre Herkunft zurechtzuweisen - halte ich für absolut kontraproduktiv. Das treibt ja dann erst recht wieder einen Keil dazwischen und da ist es auch kein Wunder, wenn die Südstastler, um ihr eigenes Vermächtnis bangend, dann im Zwei-Parteien-System Amerikas die Partei wählen, die sie sein lässt, wie sie sind. Obwohl ich absolut überzeugt bin, dass das nicht der Fall wäre, würde man den Südstaatlern mehr Raum einbringen und sie nicht für ihren Stolz abstrafen.

Ich glaube aber, dass man da als Nicht-Amerikaner, der nicht schon von Kleinauf eine der beiden Seiten angelernt bekommen hat, einen neutraleren und unvoreingenommeneren Blick hat, während das Thema in den USA sehr emotional und festgefahren behandelt wird.