Hallo,
um etwas gegen das Lampenfieber zu tun, muß Du erst mal wissen wo das überhaupt her kommt: also zunächst ist es absolut gegen die menschliche Natur, sich vielen anderen Menschen zu präsentieren. Dein Urprogramm (Instinkt) registriert eine Horde wilder und sabbernder Fratzen (das Publikum), die Dich belauern und darauf warten, daß Du 'strauchelst'. Und dann fallen sie über Dich her und wollen Dich zerfleischen. Das klingt irgendwie nach Steinzeit, Höhlen und Keulen? Ja, so ist es. So, und weil Du nunmal das Opfer spielst, reagiertst Du eben steinzeitlich: entweder weg laufen oder angreifen und prügeln.
Da Du aber kein Steinzeit-Mensch bist, ist Dir klar, dass Du nicht so einfach abhauen oder dem ersten Zuhörer die Nase auf links drehen kannst. Oft reicht aber schon die witzige Vorstellung der grunzenden Neandertaler aus, das Lampenfieber zu vergessen.
Nun wieder ernst werden: Lampenfieber, wie auch immer ausgelöst, ist der explosive Überschuss an Adrenalin. Damit reagiert man eben auf ausweglose Situationen. Für den Steinzeit-Menschen war das überlebenswichtig. Adrenalin setzt enorme Kräfte frei und die wurden zum Weglaufen oder Totschalgen gebraucht. Wir haben aber gerade gelernt, daß beide Möglichkeiten für uns nicht in Frage kommen. Wie kriegen wir das Adrenalin, das uns also so nervörs macht, also wieder weg?
Bei mir geht es mit..... (weg?)Laufen! Eine halbe Stunde vor der Vorstellung, also vor Maske und Kostüm laufe ich zehn oder fünfzehn Minuten mit allem, was mein inzwischen 67-jähriger Körper hergibt ums Haus. Das ist anstrengender als das berüchtigte Glas Sekt vor dem 'Cotton-Rising', aber Laufen verbrennt das Adrenalin und Sekt verbrennt das Hirn.
Von Kollegen habe ich gehört, dass die sich vor der Vorstellung noch eine halbe Stunde auf's Ohr legen. Na gut, wem es hilft. Ich würde meinen Einsatz verpassen.
Vielleicht hilft Dir auch dies: das Publikum ist nicht böse auf Dich, es will Dich auch nicht auffressen. Die sitzen da, weil Du ihnen etwas schenkst: Dein Wissen, Deine Kunst usw. Das Publikum ist ganz lieb zu Dir und es dankt Dir mit mildem Lächeln oder mit einer Träne im Auge vom Lachen und mit Applaus.
Na, ist das nicht toll? Ich hoffe es wird Dir und den anderen, die jetzt mit lesen helfen.
Ich wünsche Dir jetzt und für die Zukunft TOI TOI TOI und über die Schulter gespuckt.
henrik@henrik-borge.de
PS: Wie bin ich bloß hierher gekommen. Ich hab`s vergessen....
Jetzt hab ich es wieder, ich bin auf der Suche nach einigen jungen Sopranistinnen und Tenören für mein Programm. Vielleicht weiß jemand was.