NJW-Entscheidung der Woche: "Ich hau Dir auf die Fresse"
von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 02.07.2009
Rechtsgebiete: Materielles StrafrechtStrafrecht18|10072
Die Äußerung "Ich hau Dir auf die Fresse" gegenüber Justizbeamten durch einen Besucher der Untersuchungshaftanstalt stellt nach dem nicht rechtskräftigen Urteil des AG Hamburg vom 10.3.2009 (256 Cs 160/08) keine Beleidigung nach § 185 StGB dar.
Zur Begründung heißt es: Der Tatbestand der Beleidigung sei kein Auffangtatbestand für den Fall, dass mangels Drohung mit einem Verbrechen der § 241 Abs. 1 StGB nicht einschlägig ist. Weder der Ausdruck "Fresse" noch ein bloßes "Duzen" seien geeignet das Ehrgefühl eines anderen zu verletzen. Ebenso wenig sei es angezeigt, bloße Unhöflichkeit und Aufmüpfigkeit bei hoheitlichen Maßnahmen von Staatsbediensteten als Beleidigung zu bestrafen.
Resümee: Das geflügelte Wort "Fresse" für Mund oder Gesicht eines anderen Menschen ist keine Beleidigung. Es handelt sich dabei um einen "derben" Ausdruck, der keine eindeutige Abwertung der betroffenen Person bedeute. Es ist vielmehr eine, wenn auch grobe, Unhöflichkeit, vor welcher das Strafrecht nicht schützt. Andernfalls müsste auch die umgangssprachlich häufig benutzte Aufforderung "Halt deine Fresse" bzw. "Halt die Fresse" ebenso als Beleidigung aufgefasst und geahndet werden.
Vielmehr lässt dass hier von dem Schulleiter an den Tag gelegte bloße Empfinden darauf schließen, dass dieser von dem ihm gegenübertretenden Bürger unbedingten und widerspruchslosen Gehorsam erwarte und sich bei Nichtbefolgung einer Weisung des Kollegiums persönlich angegriffen fühlt. Das zeige ein sehr fragwürdiges und nicht mehr zeitgemäßes Verständnis des Verhältnisses zwischen Bürger und den Repräsentanten des Staates und in seiner eigenschaft als Schulleiter und kann somit ausgeurteilt keine Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung abbilden.