Eine sehr gute Frage!
Und ich muss direkt vorweg schreiben, dass meine Antwort darauf etwas anders ausfällt, als das mantraartige "wer das und das Wort als Schimpfwort verwendet, kann ja nur dumm sein" (was als pauschale Aussage wirklich dämlich ist). Ich habe in den letzten Jahren oft mitbekommen, wie sich die Rezeption dieses Begriffs gewandelt hat. Die Leute bezeichnen sich als politisch unkorrekte Idioten, werfen sich Minderbemitteltheit vor oder bekommen sich anderweitig in die Haare... wegen einem Wort.
Einem! Wort!
Ein schwuler Freund von mir beobachtet den Wahn der political correctness auch schon eine Weile und wir müssen beide immer wieder darüber schmunzeln, welche Formen die teils absurden Auswüchse annehmen.
Neulich saßen wir in einer Wirtschaft und am Tisch zu unserer Rechten unterhielt sich eine Gruppe junger Menschen. Irgendwer kritisierte etwas als "boah, das ist aber schwul" und sofort ging es los mit abwertenden Verallgemeinerungen und stark auseinandergehenden Meinungen. Als dann zwei der Personen an dem Tisch lauter wurden und der vermeintliche Aggressor gar nicht wusste, wie ihm geschah, schaltete ich mich mit besagtem Freund (Thomas, das macht es einfacher) ein, indem wir eine Runde Bier ausgaben.
Als das Bier gebracht wurde, drehte sich Thomas grinsend zu der Gruppe um und meinte nur: "ziemlich schwul, wie ihr euch hier anfeindet" (sein Grinsen ist schwer zu beschreiben... filmreif charismatisch!). Stille. Bevor irgendwer
etwas dazu sagen konnte, warf er ein: "ich und mein Kollege haben eben mitbekommen, wie ihr euch unterhaltet und ich als Schwuler fühle mich gerade total beleidigt, weil mindestens zwei von euch dieses Wort in einem negativen Kontext verwenden - so wie ich es gerade beispielhaft getan habe" Noch mehr Stille. Betroffenheit (ich musste mir schon das Lachen verkneifen).
Kurze Pause, ungläubige Blicke und ein für Thomas typischer Monolog: "Merkt ihr, wie dieses eine bescheuerte Wort einen Keil in eure gesellige Runde treibt? Glaubt irgendwer von euch wirklich, dass euer Kollege hier Menschen wie mich sch****e findet, bloß weil er das Wort abwertend benutzt hat? Ihr
kennt euch doch bestimmt schon länger als drei Tage, oder? ..."
Darauf folgten dann zwei sehr entspannte Stunden an zusammengerückten Tischen und die Quintessenz der Gespräche war, dass es schon irgendwie blöd ist, Probleme zu schaffen, wo gar keine sind und Sprache ja erstmal nichts gefährliches ist, da ihre Wirkung sich erst in unseren eigenen Köpfen entfalten kann. Und wenn da eben schon Feindbilder und vor Allem die Akzeptanz der Negativität eines Begriffes/die eigene Stigmatisierung vorherrschen (was durch einige der Kampagnen politischer Korrektheit überhaupt erst ausgelöst oder verschlimmert wird. Quasi ein Rezept für Unsicherheiten), wird der Begriff eben auch als plumper Angriff auf die eigene Person gewertet - klar.
Ein entspannter, humorvoller, nicht wertender Blick auf die Welt, ihre Menschen und das was sie sagen, macht das Leben so viel einfacher.