Beispiele dafür gibt es viele. Da läuft die Kanzlerin auf einem Staatsbesuch in Armenien mit schmerzverzerrter Miene durch die Gegend, um ihr Beileid für ihr völlig unbekannte Opfer eines längst vergangenen Völkermordes vor über 100 Jahren zu bekunden. Paar Tage später kippt in Deutschland ein Reisebus um, und der Bundespräsident bekundet mit schmerzverzerrter Miene sein Beileid für die Opfer. Anschließend stürzt irgendwo ein Flugzeug ab, und wieder wird mit schmerzverzerrter Miene Beileid bekundet. Dazwischen jähren sich dann auch noch zum bereits x-ten Male irgendwelche 2. Weltkrieg-Jahrestage, und wieder wird die schmerzverzerrte Miene aufgesetzt. Glaubhaft ist das alles nicht, wie man aus der Psychologie weiß. Weil man Mitleid nur mit Opfern empfinden kann, deren Gesicht einem zumindest bekannt sind. Alles andere sind nur abstrakte Namen und Zahlen, zudem ist auch Mitleid nicht überstrapazierbar.
Nur was wäre die Alternative? Erwartet die Öffentlichkeit nicht genau das von Politikern, dass sie Mitgefühl zeigen und ihr Bedauern zum Ausdruck bringen? Und wie würde ein Politiker verrissen werden, der bei dieser Schmierenkomödie plötzlich nicht mehr mitmacht? Insofern denke ich, erziehen wir Politiker geradezu zur Lüge und Heuchelei, um sie hinterher dafür zu kritisieren.