Hallo zusammen,

ich habe lange überlegt, ob ich mich zu diesem Thema äußern soll, aber nachdem ich jetzt schon mehrfach Diskussionen darüber gelesen habe, ob es wirklich „so schlimm“ sei, einen Ghostwriter für eine akademische Arbeit zu beauftragen, möchte ich meine Gedanken dazu teilen. Achtung: Das wird ein längerer Beitrag, aber ich denke, das Thema verdient es, nicht in ein paar oberflächlichen Sätzen abgehandelt zu werden.

Zunächst mal: Ich verstehe, dass viele, die sich für Ghostwriting interessieren, unter starkem Druck stehen. Sei es, weil sie familiäre Verpflichtungen haben, sich durch mehrere Nebenjobs das Studium finanzieren müssen, an psychischen Problemen leiden oder schlichtweg überfordert sind mit den Anforderungen, die das Studium an sie stellt. Diese Faktoren dürfen nicht einfach ignoriert werden. Sie sind real, sie sind relevant – und sie sind Ausdruck tieferer struktureller Probleme in unserem Bildungssystem. ABER – und hier beginnt mein eigentliches Argument – sie rechtfertigen nicht, eine wissenschaftliche Arbeit unter dem eigenen Namen einzureichen, obwohl man sie nicht selbst geschrieben hat.

Warum? Weil Ghostwriting im akademischen Bereich eben nicht einfach nur ein „Dienst wie jeder andere“ ist. Es geht hier nicht um eine Website, die man für sein kleines Unternehmen in Auftrag gibt oder um eine Redenschreiberin für einen Bürgermeister. Es geht um ein Dokument, das nach außen hin belegen soll, dass jemand selbstständig wissenschaftlich arbeiten kann. Es geht um den Erwerb eines Titels oder einer Qualifikation, die auf der eigenen Leistung beruhen sollte. Wer also eine solche Arbeit „kaufen“ möchte, betreibt aktiv Täuschung – gegenüber der Universität, gegenüber zukünftigen Arbeitgebern, gegenüber der Gesellschaft. Und vor allem: gegenüber sich selbst.

Ich frage mich oft, was man sich eigentlich erhofft, wenn man sich mit einer fremdgeschriebenen Arbeit durchmogelt. Klar, kurzfristig ist der Druck weg, die Note vielleicht gut, die Sorge um den Abschluss ein Stück kleiner. Aber zu welchem Preis? Jeder akademische Abschluss ist mehr als nur ein Stück Papier – er ist ein Vertrauensbeweis. Man signalisiert damit: Ich habe mich über Monate oder Jahre hinweg mit Fachliteratur beschäftigt, gelernt, systematisch zu denken, Theorien zu reflektieren, empirisch zu arbeiten. All das gehört dazu. Und das kann man nicht einfach outsourcen, ohne zu lügen. Und ja, ich benutze bewusst dieses Wort: Lügen. Denn nichts anderes ist es, wenn man behauptet, man habe etwas selbst geschrieben, das in Wahrheit ein anonymer Dritter verfasst hat.

Jetzt könnte man sagen: „Na und? Wenn ich’s nicht kann, aber das Ergebnis gut ist – was spricht dagegen?“ Ganz ehrlich: Eine ganze Menge. Zum einen untergräbt es die Idee von fairer Bildung. Studierende, die sich anstrengen, durchbeißen, Nächte durchmachen, an ihren Argumenten feilen, Fehler machen und daraus lernen – die werden de facto benachteiligt. Wer sich stattdessen für ein paar hundert oder tausend Euro einen perfekt geschriebenen Text liefern lässt, erkauft sich einen Wettbewerbsvorteil auf dem Rücken derer, die ehrlich sind. Und das ist zutiefst ungerecht.

Zum anderen entsteht ein viel größeres Problem, das viele gar nicht sehen wollen: Man betrügt sich selbst um eine wichtige Erfahrung. Wissenschaftliches Schreiben ist nichts, was man „einfach so“ kann – es ist ein Prozess. Man lernt beim Recherchieren, beim Strukturieren, beim Formulieren. Und ja, es ist manchmal mühsam, nervig, kräftezehrend. Aber man wächst daran. Wer diesen Prozess auslagert, entwickelt sich nicht weiter – weder fachlich noch persönlich.

Auch das Argument „aber das machen doch so viele“ ist aus meiner Sicht kein Freifahrtschein. Nur weil etwas verbreitet ist, wird es nicht automatisch richtig. Ich möchte hier mal den Vergleich mit Doping im Sport bringen: Wenn Athlet:innen sich durch verbotene Mittel Vorteile verschaffen, spricht auch niemand von einer „grauen Zone“. Es ist Betrug. Punkt. Und genau das ist auch Ghostwriting im Studium – akademisches Doping.

Noch problematischer wird es, wenn man an die gesellschaftlichen Folgen denkt. Wer sich mit erschlichenen Qualifikationen in den Arbeitsmarkt schleicht, trägt eine potenzielle Gefahr in sich – gerade in Bereichen wie Medizin, Recht, Bildung oder Technik, wo Wissen und Urteilsvermögen über Menschenleben oder Existenzen entscheiden können. Was passiert, wenn jemand Verantwortung übernehmen muss, aber die Grundlagen nie selbst gelernt hat? Wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, in der Scheinqualifikationen akzeptiert sind, solange sie „gut aussehen“?

Ich weiß, dass manche jetzt einwenden werden: „Aber die Ghostwriter selbst sagen doch, dass ihre Arbeiten nur als 'Musterlösung' dienen sollen – also rein zu Lernzwecken.“ Das ist in der Theorie vielleicht eine elegante Ausrede, aber in der Praxis absolut weltfremd. Natürlich weiß jeder, der eine fertige Arbeit kauft, dass sie in 99 % der Fälle eins zu eins abgegeben wird. Die Ghostwriting-Agenturen profitieren sogar davon, dass ihre Kunden es genau so machen. Und sie werben teilweise ganz offen damit, wie „sicher“ und „plagiatsfrei“ ihre Arbeiten seien. Wer hier von „Lernhilfe“ spricht, verschließt bewusst die Augen vor dem, was tatsächlich passiert.

Auch rechtlich gesehen ist das Ganze heikel. Zwar machen sich in Deutschland weder Ghostwriter noch Auftraggeber*innen automatisch strafbar – aber hochschulrechtlich kann die Konsequenz drastisch sein: Die Aberkennung des Abschlusses, ein Eintrag in die Personalakte, in manchen Fällen sogar Exmatrikulation. Und das völlig zurecht. Denn was auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als die Glaubwürdigkeit des gesamten Bildungssystems.

Ich will diesen Beitrag mit einem Gedanken beenden, den ich für zentral halte: Bildung ist mehr als das bloße Erreichen eines Titels. Sie ist ein Prozess, ein Abenteuer, manchmal ein Kampf – aber sie ist etwas, das uns prägt, das uns wachsen lässt, das uns befähigt, kritisch zu denken und unsere Rolle in der Welt zu reflektieren. Wer Ghostwriting nutzt, nimmt sich selbst die Chance, Teil dieses Prozesses zu sein. Und wer anderen diesen Weg abkauft, macht sich – bei aller verständlichen Verzweiflung – mitschuldig an der Aushöhlung dessen, was akademisches Arbeiten eigentlich bedeuten sollte.

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