Knast statt Klimaprotest?

Wie die bayerische Polizei mit Protestierende der Letzten Generation festsetzt und wie die Community darüber denkt...

gutefrage-Redaktion
15.9.2023

An den Klimaaktivisten der Letzten Generation scheiden sich hierzulande ja recht häufig die Geister: Während einige Menschen das Vorgehen und Vorhaben der Gruppe durchaus unterstützen, begegnen andere den Mitgliedern vielfach mit Hohn, offener Ablehnung und Hass. In Bayern wurden jüngst erneut einige Aktivisten vorsorglich in Präventivhaft genommen. Natürlich wollten wir im Zuge unserer Meinung des Tages herausfinden, was die gutefrage Community vom Vorgehen der bayerischen Polizei hält.

Die Letzte Generation - Verfechter der klimapolitischen Wende und polarisierendes Hassobjekt

Wir erinnern uns sicherlich noch an die zarten Anfänge der Bewegung, als die ersten - durchaus irritierenden- Nachrichten von Menschen, die sich in Museen und Kunstgalerien an Bilder geklebt oder diese mit Farbe befleckt haben, zu vernehmen waren. Was waren das eigentlich  für Leute, die sich stundenlang in Warteschlangen einreihen und Eintrittspreise entrichten, nur, um sich im Anschluss daran schnurstracks in Richtung Galerie zu begeben, um den ein oder anderen holländischen oder italienischen Meister in neuer Farbenpracht erstrahlen zu lassen? Und was genau wollten diese Menschen mit derart seltsamen Aktionen bezwecken?! Nach relativ kurzer Zeit kristallisierte sich heraus: Die Bewegung nennt sich “Letzte Generation” und das ambitionierte Ziel ist nichts weniger als die rigorose und schnellstmögliche klimapolitische Wende! Und um diese konsequent herbeizuführen, wollte man vor allem eines: Auffallen um jeden Preis, um eine gesellschaftliche Sensibilisierung für und einen Diskurs über das Thema Klimaschutz anzustoßen.

Was daraufhin folgte, wissen wir vermutlich bestens: Die im Volksmund häufig betitelten "Klimakleber" wechselten den präferierten Ort des Protests und klebten sich statt in Museen auf Straßen fest oder blockierten die Rollfelder größerer internationaler Flughäfen. Hierbei sollte der Protest vor allem jene treffen, die deren Meinung nach einen maßgeblichen Anteil an der Klimakrise besitzen: Autofahrer und Flugreisende. Die Reaktionen auf das Vorgehen der Protestler war vor allem hierzulande doch recht ambivalent; während manche die Proteste in ihrer Drastik und Theatralik frenetisch beklatschen und sich vollends mit den Protestierenden solidarisieren, gab es so manchen Bleifuß, dem das Verhalten der Klimakleber mehr als negativ aufstieß, weswegen die ein oder andere Beleidigung oder - auf gut Bayerisch gesagt - Watschn leider Gottes nicht lange auf sich warten ließ. 

Da die Protestaktionen den - ohnehin bereits völlig überlasteten - Straßenverkehr in vielen deutschen Großstädten über mehrere Stunden hinweg vielfach komplett zum Erliegen bringen und einigen Mitgliedern der Bewegung demnach kriminelle, terrorismusähnliche Strukturen und Handlungen vorgeworfen werden, greift die bayerische Polizei seit geraumer Zeit auf das Instrument der Präventivhaft zurück. 

Gefängniszellen

Knast statt Straßenblockade - was ist die Präventivhaft?

Vor allen in den Sommermonaten des Jahres 2023 hat sich die bayerische Landeshauptstadt München sukzessive zu einer Art Hochburg der Klimabewegung und -proteste entwickelt. So war es nicht weiter verwunderlich, dass angesichts der vom 05. bis 10. September stattgefundenen Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) mit massiven Protesten zu rechnen war. Um das Ausmaß der zu erwartenden Proteste drastisch zu reduzieren, waren in München ca. 4500 Polizisten aus ganz Deutschland im Einsatz. Doch einige Protestler der Letzten Generation wie der Biologiestudent Lukas K. hatten schlichtweg keine Möglichkeit, überhaupt erst an den Protesten teilzunehmen. Der Grund: Der 21-jährige Student befand sich ab dem 01. September in der JVA in Präventivhaft

Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) kann ein Präventivgewahrsam über zwei Mal einen Monat ohne etwaige Verurteilung verhängt werden. Interessanterweise ist dieses Instrument primär für die Terrorismusbekämpfung in Bayern vorgesehen. De facto können so Mitglieder der LG präventiv festgesetzt werden, um deren Teilhabe an groß angelegten Klimaprotesten zu verhindern. Im Vorfeld der IAA saßen knapp 30 Mitglieder der Letzten Generation in Präventivhaft. Doch die Maßnahme ist in vielerlei Hinsicht umstritten.

Klimademo

Klimaprotestierende in Präventivhaft? Das sagt die gutefrage Community zum Thema:

Schon im Jahr 2018 haben sowohl der Bund für Geistesfreiheit München sowie der Bund für Geistesfreiheit Bayern den Versuch unternommen, Klage gegen die umstrittene Maßnahme einzureichen. Ausschlaggebend hierfür war u.a. der vielseitig interpretier- und dehnbare Begriff der “drohenden Gefahr”, der für etwaige polizeiliche Maßnahmen und eine Präventivhaft in vielen Fällen ausreichen würde. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat im Juni dieses Jahres eine Klage gegen das PAG mit der Begründung abgewiesen, dass die nicht hinreichende Darlegung eventueller Grundrechtsverletzungen unzulässig seien. Weitere kritische Stimmen kommen beispielsweise vom Jura-Professoren Markus Krajweski von der Universität Erlangen-Nürnberg, der 30 Tage Präventivgewahrsam mit Blick auf Mitglieder der Letzten Generation als unverhältnismäßig und verfassungswidrig erachtet. Darüber hinaus kritisiert dieser, dass das überspitzte polizeiliche Vorgehen gegen Menschen, die friedlich für verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutz protestieren würden, in keinster Weise mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Einklang zu bringen sei. 

Da’s sich um ein durchaus brisantes Thema handelt, haben wir unsere gutefrage Community im Zuge unserer Meinung des Tages nach ihren Meinungen zum Thema gefragt:

Der Nutzer realfacepalm denkt, dass “die Präventivhaft [...] ohne Gerichtsverfahren [...] ein Schlag ins Gesicht jeder Rechtsstaatlichkeit [...] [und] zutiefst grundrechtsverachtend” ist. Ähnlich sieht es der Nutzer Apoka392, der ebenfalls eine “Aushöhlung des Rechtsstaates” vermutet und viel mehr dafür plädiert, “den Schaden, der durch diese Klimakleber Aktionen entsteht, den jeweiligen Verursachern in Rechnung [zu] stellen”. Auch Peppie85 zeigt sich solidarisch, indem er die Verzweiflung der Letzten Generation angesichts der “Angst vor der Zukunft” versteht und denkt, dass “eine Präventivhaft [...] gemessen an der Gefahr, die die Aktionen darstellen [...], einen zu großen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen” verkörpern. 

Notebook

Völlig anders sieht es BellaItalia786, welche die “Präventivhaft in diesem speziellen Fall richtig und wichtig” findet und sich zusätzlich wünscht, dass “man den Klebern auf Lebenszeit den Führerschein entziehen und sie auf die Blacklist sämtlicher Airlines setzen” solle. ColleenChambers ist “grundsätzlich [...] nicht dafür, Demonstranten so zu behandeln”, findet aber, dass “die Klimakleber “längst eine Schwelle überschritten [...] und sich die Maßnahmen selbst zuzuschreiben” haben.

PicaPica blickt etwas differenzierter auf die Sache, wenn sie attestiert, dass, “wenn die Klimaaktivisten ihre Meinung weniger spektakulär kundtun [...], sie nicht gehört werden [würden]”. Kritisch sieht sie vor allem, dass die Aktivisten mit “Terroristen gleichgesetzt werden”, was in Anbetracht der Tatsache, dass die Präventivhaft viel eher für “Fußball-Randalierer oder -Aufrührer” geeignet wäre, unverhältnismäßig sei.

Wie Du siehst, handelt es sich hierbei um ein wirklich kontroverses Thema, zu dem es viele verschiedene Meinungen gibt. Hast auch Du eine Meinung hierzu? Prima! Dann antworte gerne noch auf unsere Meinung des Tages.

Viele Grüße

Dein gutefrage Team

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