Haiyti packt im gutefrage AMA über Shirin David aus
Die Hamburger Rapperin Haiyti nahm bei ihrem Ask Me Anything-Auftritt im Themenspecial kein Blatt vor den Mund und sprach offen über Kopiervorwürfe und den ewigen Kampf “Schein versus Sein” im Rapgame. Wir werfen nochmal einen Blick auf die spannendsten Inhalte.
Haiyti zu Gast im Deutschrap Themenspecial
Nach über zehn veröffentlichten Alben sowie zahlreichen EP und Mixtapes, ist die Haiyti aus der deutschen Raplandschaft längst nicht mehr wegzudenken. Sie hat den Echo gewonnen und mit zahlreichen Größen in der Szene zusammengearbeitet - sei es nun Jan Delay oder Haftbefehl. Allein ihr Song La La Land steht bei Spotify aktuell bei über fünf Millionen Plays, eine Kollaboration mit Casper auf dem Track Mieses Leben wurde dort fast zehn Millionen mal gehört. Im gutefrage AMA gab sie jetzt Einblick in ihren Schaffensprozess und schilderte ihre Sicht auf die deutsche Hiphop-Landschaft - und was sie zu sagen hatte, hat es in sich.
Schein und Sein im Deutschrap
Wohl kaum ein Genre ist so fixiert auf Authentizität wie Deutschrap. Zwar wiesen schon Retrogott und Hulk Hodn 2007 auf ihrem Track Gangsterberuf darauf hin, dass Gangsterrapper keine Gangster sind und das auch gut ist. Eine Aussage, die sich vor allem dann immer wieder bestätigt, wenn Image und Realität doch näher beieinander liegen, als es wünschenswert wäre - hier sei nur nebenbei auf den aktuellen Fall um P. Diddy verwiesen.
Dennoch bleibt es ein integraler Bestandteil der allermeisten Rapper, ein authentisch wirkendes Image zu vermarkten. Auch einer der Gründe, weshalb im (Deutsch-)Rap im Gegensatz zu anderen Genres kaum Songs gecovert werden. Denn niemand möchte die Geschichte eines anderen erzählen - es geht ja immer um das eigene Leben und die eigenen Erfahrungen. Daher ist es sehr wichtig, gar nicht erst den Verdacht zu erwecken, nicht selbst für ihre Texte verantwortlich zu sein.
Nur wie so oft liegen Schein und Sein weit auseinander. In einer Frage, was Haiyti an der Musikindustrie ändern würde, wenn sie könnte, klingt es beinahe so, als schreibe sie sich ein wenig Frust von der Seele.
Mich nervt es, dass die Musikindustrie immer eine große leidende Künstlerseele verkaufen will, dabei sind es oft nur mittelgute Artists, die gerade in den aktuellen Trend passen. Jeder wird als DIY verkauft - dass ein Künstler DIY sein soll, ist jetzt schon Industriestandard. Ich mache wirklich alles selber - aber wen interessierts?
Hier ein Beispiel:
Ich weiß von einem Künstler, dass er seine Tracklist auf einem Zettel aufgeschrieben hat, diesen zerknüllt hat, wieder aufgemacht hat, ein Foto davon gemacht hat und sich als leidender Künstler darstellte. Ich bin wirklich öfters in der Nacht wach und schreibe Ideen auf und mein ganzer nächster Tag ist dann gestorben. Ich hoffe ihr versteht anhand des Beispiels die Ungerechtigkeit.
Das die Industrie verlogen ist, ist klar. Features als Freunde verkaufen etc. Ich bin mit meinen Producern befreundet und mit den Leuten, mit denen ich Features mache auch. Aber ich tick da glaube ich anders. Grüße aus der Steinzeithöhle!
Gerade dadurch, dass in der Szene Authentizität im Hochglanz simuliert und imitiert wird, bleiben Künstler, die tatsächlich authentisch sind und dem “Selfmade”-Ideal nahe kommen oft auf der Strecke und werden nicht gesehen, da vordergründig ja alle so sind. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass sehr viele erfolgreiche Rapper Ghostwriter haben, ohne die ihr Erfolg kaum zu Stande gekommen wäre. Nicht überraschend handelt somit vom Thema das Ghostwritings auch eine der bristantesten Fragen des AMAs
Haiyti über Shirin David: “Wieso sollte ich sauer sein?”
Nutzer siotaa fragte Haiyti, ob es sie denn ärgere, dass Shirin David mit dem Kopieren ihres Flows so viel Erfolg habe und vergleicht dabei in seiner Frage die Lieder ICE (von Shirin David) und La La Land (von Haiyti). Shirin David ist seit Jahren die populärste weibliche Rapperin in Deutschland und spielt hier, was kommerziellen Erfolg angeht, in einer eigenen Liga. Die seit Jahren existierenden Vorwürfe, sie würde Texte nicht selbst schreiben und in erster Linie ein Image verkaufen, das andere für sie geschrieben haben, tun ihrem Erfolg keinen Abbruch. Auch Haiyti zeigt sich bei ihrer Antwort fast milde und es wirkt, als herrsche tatsächlich kein böses Blut zwischen den beiden.
ICE kopiert eher den Flow von meinem Song "Chicago" und nicht von "La La Land". Wieso soll ich sauer auf sie sein? Da müsste man erstmal wissen, welcher Ghostwriter den Song geschrieben hat. Wenn es ein Hamburger war, ist es naheliegend - ich weiss zum Beispiel, dass Bossa für sie schreibt. Bossa ist ein sehr guter Rapper, schöne Grüße.
Eine Erklärung dafür mag auch im Inhalt ihrer weiter oben gezeigten Antwort liegen. Es ist zu normal, als dass sie sich darüber empören könnte. Es ist Teil des Businesses. Eher müsste man vielleicht fragen, wieso diese Vorwürfe bei Shirin David meist so prominent diskutiert werden, während derartige Kritik bei männlichen Rapper, die ähnlich wie Shirin vorgehen, deutlich seltener kritisiert werden.Auf eine Frage, ob sie denn ihre Text selbst schreibe, sagte Haiyti dagegen:
Ja ich schreibe alle meine Texte selber. Ich will das nur nicht immer so thematisieren, weil es für mich selbstverständlich ist. Ich führe auch mein Label HAYATI RECORDS selber. Ich presse meine Platten selber, produziere meinen Merch selber, mache die Kreativdirection von den Artworks selber. Viele wollten mich als Art-Direction schon abwerben, aber ich weiss, dass ich dann keine Zeit mehr hätte für meine Sachen. Ich mache schliesslich zwei Alben im Jahr. Ich würde Art-Direction auch abgeben, wenn jemand gut genug ist und meinen Kopf versteht.
Zweites Deutschrap-AMA auf gutefrage
Dass es auch Rapperinnen gibt, die authentisch und real sind, beweist Haiyti nicht zuletzt mit ihrem erfrischend ehrlichen Auftritt im Ask Me Anything auf gutefrage. Nach der Aktion mit Finch im Juli handelte es sich schon um die zweite AMA-Aktion mit dem Themenschwerpunkt Deutschrap. Haiyti hatte bei ihrem ersten Auftritt auf gutefrage sichtlich Spaß, was sich auch in der Art ihrer Antworten ablesen lässt. Wer auf ihrem Instagram-Account während der Aktion vorbeigeschaut hatte, konnte das sogar Live mitansehen, denn als bisher erste AMA-Kandidaten streamte sie und filmte sich, während sie Fragen im AMA beantwortete. Und für all jene, die es verpasst haben, finden sich alle ihre Antworten wie gewohnt auf unserem Aktions-Listing zum Themenspecial Deutschrap.