Die Militante Veganerin und Felix Olschewski im gutefrage-AMA: Ein Fragenrekord und reichlich Debatten

Eine persönliche Rückschau auf unser Veganismus-Themenspecial

gutefrage-Redaktion
16.5.2023

Mit Raffaela Raab, die im Internet als “Die Militante Veganerin” bekannt wurde, und dem Gesundheitsberater Felix Olschewski hatten wir diesmal erstmals zwei Kandidaten, die sich einem Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven genähert haben, bei einem Themenspecial. Wie das ausgegangen ist, erfährst Du in unserer Rückschau:

Ein Thema, zwei Ansichten!

Mit Veganismus haben wir uns diesmal an ein durchaus polarisierendes Thema für ein AMA gewagt, handelt es sich hier doch um eines jener Themen auf unserer Plattform, bei dem Fronten manchmal recht verhärtet erscheinen. Nach einiger Überlegung wurde uns auch schnell klar, dass wir für eine gelungene Aktion zwei Kandidaten benötigen würden, sodass beide Seiten abgedeckt sind.

Für die “Pro Fleisch”-Seite fiel unsere Wahl auf Felix Olschewski. Als Ernährungs- und Gesundheitsberater kennt er sich genau mit den Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Ernährungsformen aus. In Deutschland popularisierte er die Paleo-Ernährung, die sogenannte Steinzeitdiät, der er gleichzeitig aber auch durchaus kritisch gegenübersteht. Mit seiner Seite weidefleisch.org setzt er sich für eine nachhaltige Landwirtschaft ein, in der Tiere artgerecht leben - zugunsten von Fleisch und Tier. Die Frage des Fleischkonsums hält er für eine persönliche Entscheidung - eine, von der aber auch die eigene Gesundheit abhängen kann. Mit diesem Gesundheitsfokus betrachtet Felix Ernährung und Veganismus.

Raffaela Raab a.k.a. “Die Militante Veganerin” wiederum übernahm die Perspektive des Veganismus. Mit ihrem teils radikalen Aktivismus und polarisierenden Auftritten auf Social Media sowie in unterschiedlichen TV-Formaten avancierte die Tierrechtsaktivistin, die auch ausgebildete Humanmedizinerin ist, zur aktuell wohl bekanntesten aber auch umstrittensten veganen Aktivistin in der breiten Öffentlichkeit und bot sich damit ideal für unsere Aktion an. Sowohl Felix als auch Raffaela sollten im Themenspecial jeweils 15 Fragen mit einer persönlichen Videoantwort beantworten.

Fragenrekord und eine kleine Kontroverse im Vorfeld

Wie bei Video-Themenspecials üblich, sammelten wir im Vorfeld Fragen, um jene Fragen mit den meisten Daumen-Hoch-Bewertungen dann an unsere Kandidaten weiterzuleiten, die eine Woche zur Beantwortung Zeit haben sollten. Wenngleich wir schon hohes Interesse an dem Thema erwartet hatten, überraschte uns die Menge an Fragen dann doch nochmal positiv. In nur einem Tag wurden über 200 Fragen an Raffaela und Felix gerichtet - ein Rekord. Auch mussten trotz polarisierenden Themas und ebenso polarisierender Kandidaten kaum Fragen aufgrund von Richtlinienverstößen gelöscht werden. Was wir vor allem aus den Fragen herauslesen konnten, war ehrliches Interesse am Thema und den unterschiedlichen Positionen der beiden Kandidaten.

Einen kleinen “Shitstorm” gab es aber trotzdem. Insbesondere in den sozialen Medien wurde die Aktion von Teilen der veganen Community skeptisch gesehen, da Raffaela hier von einigen sehr kritisch gesehen wird und es offensichtlich als problematisch wahrgenommen wurde, dass sie anstelle anderer bekannter Veganer ausgewählt wurde. Uns waren die Vorbehalte gegenüber ihrer Person im Vorfeld bewusst, die Vehemenz aber, mit der einige den Standpunkt vertraten, man dürfe Raffaela keine Bühne bieten, überraschte dann doch. Als Community haben wir bei gutefrage klare Richtlinien, die das Miteinander regeln und die auch sicherstellen, dass sich Nutzer bei uns sicher und wohlfühlen können, ohne beispielsweise Angst vor Hassrede haben zu müssen. Wer sich an diese Richtlinien hält, ist bei uns willkommen und dem “bieten wir auch eine Bühne”, in dem Sinne, dass er bei uns mit einem Account auftreten kann - wenn es sich anbietet auch bei einem AMA. So hatten wir hier schon die unterschiedlichsten Kandidaten, vom ultraorthodoxen Juden über die EU-Kommission zur Drag Queen Veuve Noire. Und nun eben die “Militante Veganerin” Raffaela Raab. Wer sich in seiner eigenen Internetblase verschließen möchte, zu der nur  Gleichgesinnte Zugang erhalten, der kann das tun. Ob solche Ambitionen in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft, in der es eben auch darauf ankommt, dass man miteinander trotz inhaltlicher Differenzen Dialoge führt, der Weisheit letzter Schluss sind, sei aber mal dahingestellt. Bei gutefrage jedenfalls sind Menschen unterschiedlicher Meinung willkommen, darunter auch die Militante Veganerin.

Raffaela Raab versus Felix Olschewski

Wer konnte nun mit seinen 15 Antworten mit seiner Sichtweise mehr überzeugen? Das ist wohl eine Frage, die jeder für sich persönlich beantworten muss, haben beide doch sehr unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema Veganismus. Für Raffaela handelt es sich schlichtweg um ein ethisches Gebot und eine Lebensweise, während Felix das Thema in erster Linie aus ernährungswissenschaftlicher Sicht betrachtet.

Das zeigt sich beispielsweise gut bei den Antworten der beiden auf die Frage “Was sind die Nachteile des Veganismus”

Während beide feststellen, dass es eine Ernährung ist, die ein gewisses Maß an Supplementierung voraussetzt, sieht Felix Nachteile vor allem in der Gefahr einer Mangelernährung, da Veganismus eine restriktive Ernährungsform sei, die zahlreiche Lebensmittelgruppen, wie beispielsweise Fleisch und Fisch ausschließe, was insbesondere in ärmeren Länder zu Versorgungsproblemen bei der Bevölkerung führen könne. Raffaela gesteht die Notwendigkeit der Supplementierung ein, sieht wichtige Nachteile aber eher in Vorurteilen und anderen sozialen und logistischen Aspekten, denen Veganer sich stellen müssten. Die verblassen jedoch alle angesichts der positiven ethischen Aspekte des Veganismus. In ihren Worten heißt das: “Ist es nicht viel schwerer für Dich, mit 90 Jahren zurück zu denken, dass du dein ganzes Leben ein feiger Mitläufer warst anstatt jetzt einfach vegan zu sein.”

Übereinstimmungen in bestimmten Themen, Gegensätze bei Grundeinstellungen

Tatsächlich waren sich die beiden in manchen Punkten aber auch näher, als man zu Beginn vermutet hätte. So vertraten beispielsweise beide in einer Frage die Auffassung, dass der durchschnittliche Arzt nicht viel von Ernährungswissenschaft verstehen würde, da dies schlicht nicht ihre Kernkompetenz sei. Differenzen zeigte sich dann eher in ganz grundsätzlichen Einstellungen. Exemplarisch soll hier eine Frage zu künstlich hergestelltem Laborfleisch stehen. Während Felix diesem erstmal skeptisch gegenüberstand, da nicht klar sei, wie sich der Konsum solch künstlich hergestellter Nahrung langfristig gesundheitlich auswirke, begrüßte Raffaela dieses Konzept eher. Wenn ein solches Produkt den Übergang zu einer veganen Gesellschaft erleichtern könne, sei das eine gute Sache.”Es geht ja nicht immer nur um die Gesundheit bei der veganen Ernährung, ganz und gar nicht eigentlich, sondern dass man Tiere nicht versklavt."

Grundsätzliche Differenz der beiden: Für Felix ist Gesundheit ein grundlegender Aspekt. Vor diesem Gesichtspunkt bewertet er die Paleo-Ernährung ebenso wie andere Ernährungsweisen. Als Ideologie, die keine Grautöne und nur wahr und falsch kenne, lehnt er Veganismus ab. Das heißt aber nicht, dass er industrielle Tierhaltung unterstützt - im Gegenteil: “Es gibt Überzeugungen, die ich habe und bei denen bleibe ich, bis mich etwas anderes überzeugt. Bei Weidefleisch ist das so. Tiere sollten in ihrem natürlichen Lebensraum aufwachsen. Ob wir sie hinterher essen oder nicht, spielt dabei gar keine Rolle. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es für mich der richtige Weg ist, auf Fleisch aus industrieller Intensivtierhaltung zu verzichten.” Für Felix ist Ernährung eine persönliche Entscheidung, die sowohl mit Blick auf die eigene Gesundheit als auch auf betroffene Lebewesen zu treffen ist. Für sich hat er diesen Weg gefunden, bleibt aber im Gegensatz zu manchen anderen Paleo-Vertretern offen für Neues. Ideologie dagegen lehnt er klar ab. 

Für Raffaela dagegen ist Ideologie erstmal nicht schlecht, sondern lediglich eine “wertebasierte Haltung”. Auf eine Frage zu Zweifeln antwortet sie: “[...] sobald ich mich hinsetze und Videos von diesen Tieren ansehe, wie sie am Schlachthof um ihr Leben zittern, dann fällt alles zurück und dann denk ich mir, ich steh auf der richtigen Seite der Gesellschaft, die sich gegen Gewalt und Sklaverei entscheidet.” Das ist es, was ihre Lebensweise und auch ihren Aktivismus motiviert.

Reaktionen der Nutzer

Interessanterweise erhielten die Antworten von Raffaela und Felix bisher - das heißt zum Zeitpunkt, als dieser Text geschrieben wurde - nahezu gleich viel positives Feedback. Beide konnten also mit ihren Antworten und Haltungen durchaus Nutzer überzeugen und zum Denken anregen. Manche Antworten lösten dagegen längere Diskussionen aus. So wird aktuell noch immer über die Leidensfähigkeit von Pflanzen in den Kommentaren unter Raffaelas Antwort eifrig diskutiert. Uns freut es, dass wir mit unserem Veganismus-Themenspecial einen Raum für diese Debatten bieten konnten und auch, dass unser “Ein Thema, zwei Meinung”-Format, das wir in dieser Form erstmals durchgeführt haben, so gut angenommen wurde. Alle Antworten des Themenspecials sind auf unserer Übersichtsseite zu finden.

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