Klarnamenpflicht im Netz für den virtuellen Frieden?

Welche Vor- aber auch Nachteile es im Internet hätte, wenn jeder Nutzer mit seinem Klarnamen auftreten würde...

gutefrage-Redaktion
13.10.2023
Nutzer vor Computer

Mittlerweile muss man leider attestieren: Hass und Hetze haben sich in der Welt des Internets zu fest etablierten Größen entwickelt, an denen beim Surfen durchs Netz kaum ein Weg vorbeiführt. Um das virtuelle Miteinander wieder etwas friedvoller zu gestalten, wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrfach eine mögliche Klarnamenpflicht für das Internet ins Spiel gebracht. Doch würde diese Pflicht tatsächlich eine Verbesserung der Diskussionskultur im Netz herbeiführen? Wir haben diese spannende Frage im Zuge unserer Meinung des Tages an unsere gutefrage Community gerichtet. In diesem Artikel erfährst Du, was die Nutzer dazu zu sagen hatten.

Internetdiskussionen: Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlich relevanten Äußerungen

Auch Du kennst die Situation vermutlich allzu gut: Man surft nichtsahnend durchs Internet und sieht sich ein wenig auf Instagram, X oder in den Kommentarspalten der großen Tageszeitungen auf Facebook um und stößt dabei auf das ein oder andere brisante Thema. Neben gewöhnlichen Meinungsäußerungen und schnippisch-belanglosen Kommentaren entspinnen sich plötzlich vor dem Auge des politisch interessierten Lesers häufig hitzige Meinungsverschiedenheiten, in denen es recht schnell von der Sachebene ins Persönliche übergeht.

Wenngleich die Meinungsfreiheit ein immens hohes und schützenswertes Gut ist und wir glücklich sind, dass diese - im Vergleich zu anderen Staaten auf der Erde - auch im Netz hohe Priorität genießt, wird diese - leider Gottes - nichts desto trotz von vielen Internetnutzern, die sich in Anonymität wägen, strapaziert. Bedrohungen und Beleidigungen sind laut Strafgesetzbuch jedoch kein Kavaliersdelikt, sondern auch in der Welt des Internets reale Straftatbestände. Und nicht alles, was in Richtung kritische Meinungsäußerung geht, lässt sich am Ende des Tages unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit subsumieren.

Hassbeiträge im Internet können verschiedene Straftatbestände wie Volksverhetzung, Beleidigung, Nötigung, Bedrohung oder die öffentliche Aufforderung zu Straftaten erfüllen.

Doch wie damit umgehen, wenn man derartige Beiträge im Netz wahrnimmt oder vielleicht sogar selbst Opfer von Hate-Speech wird?

Wand mit Graffiti

Diese Möglichkeiten hast Du, wenn Dir Hate-Speech im Netz begegnet

Wenn Du im Internet auf beleidigende oder volksverhetzende Inhalte stößt und nicht möchtest, dass diese weiterhin im Netz stehen und der Verfasser ungestraft davon kommt, solltest Du mögliche Beweise zunächst einmal in Form von Screenshots sichern und Dich mit diesen an die nächste Polizeidienststelle wenden. Mittlerweile hast Du ferner die Möglichkeit, über Onlinewachen strafrechtlich relevante Internetbeiträge direkt online an die Polizei weiterzureichen.

Daneben gibt es weitere Meldestellen wie beispielsweise REspect! oder die Seite Konsequent gegen Hass, an die man kritische Beiträge weiterleiten kann. Hilfreich ist es darüber hinaus, sich mit Opfern von Hassrede zu solidarisieren und sich für diese in den Kommentarspalten stark zu machen. Die Initiative #ScrollNichtWeg empfiehlt, Empathie für Betroffene zu demonstrieren und möglichen Falschmeldungen mit Fakten entgegenzutreten. 

Doch gerade mit Blick auf die vermeintliche Anonymität des Internets sowie etwaige beleidigende oder strafbare Äußerungen, zu denen man sich hinreißen lassen könnte, wurde in Politik und Gesellschaft vielfach das Thema Klarnamenpflicht im Netz diskutiert

Schild mit Privacy-Hinweis

Klarnamenpflicht im Netz: Pro- und Contra-Argumente und Stimmen aus der gutefrage Community

In die Reihe der Befürworter einer Klarnamenpflicht gesellt sich u.a. der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der die Ansicht vertritt, dass die Regeln und Normen der analogen Welt uneingeschränkt auch für die digitale Welt gelten müssten. Der Schleier der Anonymität dürfe Menschen im Netz nicht dazu hinreißen, Dinge zu äußern, die sie in dieser Form und Härte in der analogen Welt so niemals sagen würden. Ganz ähnlich sieht es der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft: Eine etwaige Klarnamenpflicht würde unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten durchaus Sinn ergeben, da diese bei der Identifizierung und Ermittlung gegen mögliche Täter helfen könnte. 

Allerdings gibt es ein paar Punkte, die klar gegen eine Klarnamenpflicht im Netz sprechen: Viele Internetnutzer äußern die Befürchtung, dass sie Bedenken dabei hätten, sich aus Angst vor Konsequenzen wirklich frei im Internet zu äußern. In diesem Zusammenhang wird oftmals die Kritik am eigenen Arbeitgeber oder die wichtige Arbeit von Menschen in repressiven Regimen genannt, die das Internet dahingehend nutzen, politisch-gesellschaftliche Missstände im eigenen Land weitgehend ungefiltert mit der Welt zu teilen.

Eine weitere Frage - und hier gehen die Meinungen unter Fachleuten auseinander - ist zudem, ob eine mögliche Klarnamenpflicht derartige Meinungsäußerungen letztendlich wirklich reduzieren und ein besseres und harmonisches Miteinander im Netz herbeiführen würde.

Fragezeichen

Bei unserer Meinung des Tages zum genannten Thema haben wir bei der gutefrage Community einmal genauer nachgefragt, wie diese dazu steht. 

Der Nutzer wolfruprecht spricht sich klar gegen eine Klarnamenpflicht aus, da sich Verwechslungen aufgrund einer Namensgleichheit ergeben und “schnell Postings falschen Personen im realen Leben zugeordnet werden” könnten; mit eventuell drastischen Konsequenzen für unbescholtene Bürger. Für ihn birgt “eine Klarnamenpflicht [...] mehr Gefahren für Missbrauch als dass sie schützen kann”

I3487171 sieht es ganz ähnlich und macht auf einen weiteren kritischen Punkt aufmerksam, indem er betont, dass “eine Klarnamenpflicht [...] ein Datenschutzproblem ersten Grades bedeuten [würde]. Eine KI könnte ganz wunderbar Persönlichkeitsprofile erstellen und kriminell nutzen”. Der User wundert sich außerdem, dass man über derart kritische Begleiterscheinungen nichts von der Polizeigewerkschaft, deren Aufgabe ja die Verbrechensbekämpfung sei, höre. 

gutefrage-Nutzer sumi79 sieht die Klarnamenpflicht ebenfalls kritisch. Er denkt, dass “die Anonymität [...] in einer Diskussionsrunde gewahrt bleiben [müsse], damit die Teilnehmer ungehemmt offen ihre Meinung kundgeben können”. Gerade heute ist die “Angst für seine Meinung bedroht, diffamiert oder gar verfolgt zu werden, gar nicht mal so ungerechtfertigt”. Jedoch findet sumi79, dass “auf der anderen Seite [...] gegen die Hetze im Internet auch etwas” gemacht werden muss: “Eine Anmeldung, bei welcher man seine Personalien angeben und nachweisen muss, sollte [...] zur Pflicht werden, damit im Falle eines Rechtsverstoßes die Person dafür belangt werden” kann. 

Auch oldfashioned66 zufolge “bedarf [...] es [...] keiner Klarnamenpflicht. Die Betreiber von Portalen könnten [seiner Meinung nach] allerdings bei der Registrierung eine Identifizierung fordern”. Sofern sich Nutzer beim Plattformanbieter oder Seitenbetreiber identifiziert und authentifiziert haben, wäre es kein Problem, wenn die Nutzer auch mittels eines Pseudonyms auftreten. Die Authentifizierung wäre ein gutes Mittel, um “eine Sperrung von Nutzern und ggf. Strafrechtliche Maßnahmen besser möglich [zu] machen ohne gleichzeitig Prozesshansln Tür und Tor zu öffnen”

Wie Du siehst - ein Gros unserer Nutzer sieht die Klarnamenpflicht tendenziell eher kritisch, spricht sich auf der anderen Seite aber klar für eine bessere Verfolgbarkeit von Straftätern im Internet aus.

Hast auch Du eine Meinung zum Thema? Dann sieh Dir die genannte Meinung des Tages gerne an und lass die Community wissen, was Du hierzu zu sagen hast.

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