Blickwechsel – Deine Fragen an einen Ex-Scientologen

 

Im Rahmen seiner spirituellen Sinnsuche kam unser Nutzer DetlefRuchatz Anfang der 90er Jahre in Kontakt mit der Scientology-Sekte. 20 Jahre seines Lebens verbrachte er anschließend bei der sogenannten 'Sea Org' - eine Ordensgemeinschaft innerhalb von Scientology - bevor er der Sekte 2013 desillusioniert den Rücken kehrte. Im Blickwechsel beantwortete er am 18. Mai Deine Fragen zu seinen Erfahrungen mit der Scientology-Sekte und deren Philosophie, die er in Teilen weiterhin für sich anwendet.

 

Was hat es damit auf sich?

Mit dem gutefrage-Blickwechsel wollen wir die Möglichkeit für Begegnungen mit interessanten Menschen schaffen. Über den direkten Austausch soll so mehr Verständnis für die Sichtweisen des Anderen erreicht werden.

Denn hinter jeder Antwort auf gutefrage steckt ein Mensch mit einer spannenden Geschichte. Diesen Menschen kannst Du beim gutefrage-Blickwechsel begegnen und dabei versuchen, die Welt durch ihre Augen zu sehen. Denn genau das meint die doppelte Bedeutung des Wortes "Blickwechsel":

  1. Der Austausch von Blicken
  2. Der Wechsel der Sichtweise

Der Blickwechsel fand am Mittwoch, dem 18. Mai 2022, von 15:00 bis 18:00 statt. Unser Nutzer DetlefRuchatz beantwortete drei Stunden lang Fragen rund um seine Erfahrungen mit der Sekte, in der er 20 Jahre seines Lebens verbrachte.

 

DetlefRuchatz stellt sich vor:

Bereits als Kind war ich von Magie, Parapsychologie, fernöstlichen Philosophien und den letztlichen Fähigkeiten von Verstand und Geist fasziniert. Folglich reagierte ich auf eine Zeitungsannonce, in der mit der Aussage für das Dianetik Buch geworben wurde, dass wir nur 10 Prozent unseres geistigen Potenzials nutzen würden. Auf der Stelle wurde ich mit Warnungen bombardiert, aber mit meinen damals 20 Jahren war ich alt genug, um es besser zu wissen.

Nachdem ich bereits beim ersten Einführungskurs persönlich das Phänomen der Exteriorisation (Trennung des Geistes vom Körper) erleben durfte, stand die Richtung für meinen weiteren Lebensweg fest. Ein Jahr später unterzeichnete ich einen Mitarbeiter-Vertrag in der See-Organisation, kurz Sea Org. Die nächsten 3 Jahre verbrachte ich zunächst als Sea-Org-Missionar in der Scientology-Kirche Hamburg. Daraufhin ging es für 10 Jahre nach Los Angeles und schließlich für 7 Jahre nach Kopenhagen.

In diesen 20+ Jahren sah und erlebte ich Scientology in all ihren Extremen: Von den Tränen der Auditoren während ihrer Ausbildung hin zur Vergötterung derselben durch gefühlt ewig dauernde Standing Ovations beim Auditorentag; von der Weisheit über das Wesen unseres Daseins hin zu den völlig durchgeknallten Befehlen im Sea-Org-Alltag; von unzähligen durchgearbeiteten Nächten zum faulen Leben als in Ungnade gefallener „Ethik-Partikel“ am Swimmingpool auf den „Decks“; von der Bewusstwerdung meiner Selbst als unsterbliches geistiges Wesen bis hin zum „Disziplin-Programm“, ein beschönigender Begriff für gelebten Sadismus; von tiefer Freundschaft und Vertrauen bis hin zu Komplotts wie aus Hollywood-Politthrillern; von Instant-„Geistheilung“ bis hin zur jahrelangen Vernachlässigung grundlegender medizinischer Bedürfnisse von Sea-Org-Mitarbeitern.

Leider wurde das Gute in der Scientology-Kirche im Verlauf der Jahre immer weniger, und das Schlechte immer schlechter. Zudem rückte tatsächlicher Fortschritt auf der sogenannten Brücke zur völligen spirituellen Freiheit immer weiter in die Ferne.

Nachdem ich im Oktober 2012 die Sea Org zwecks Bereinigung einer längst vergessen geglaubten zivilrechtlichen Angelegenheit kurzzeitig verlassen musste und ich mich Anfang 2013 mit der Sea-Org-Kontaktperson nicht auf die Bedingungen meiner Rückkehr einigen konnte, schaute ich mich nach Alternativen um. Sie waren schnell gefunden. Es gab Tausende Scientologen, die schon längst der Scientology-Kirche den Rücken gekehrt hatten und frei von deren Willkür weiter Scientology praktizierten. Mit meinen mittlerweile 42 Jahren im Jahr 2013 war ich immer noch jung genug, um es noch einmal zu probieren – diesmal bei Scientology-Aussteigern, den Unabhängigen bzw. Freien Scientologen. Siehe da: 17 Jahre spirituelle Stagnation fanden ein abruptes Ende. Mittlerweile auditiere ich täglich auf den Fortgeschrittenen Stufen.

Ein anderer Aussteiger sagte einmal recht treffend: „Die zwei bedeutendsten Tage im Leben eines jeden Scientologen sind der Tag, an dem er in Scientology eintrat, und der Tag, an dem er Scientology verließ.“

In Sachen Scientology gibt es praktisch nichts, was ich nicht beantworten kann.

 

Du willst noch mehr zum Thema erfahren?

Hier findest Du alle Fragen der Community, die von DetlefRuchatz beantwortet wurden!

Alle beantworteten Aktionsfragen

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Gerade in der heutigen Zeit suchen viele Menschen nach spirituellen Antworten und auch nach Halt und Gemeinschaft, die sie nicht in klassischen religiösen Gemeinschaften zu finden glauben. Sekten betreiben oft ein Geschäft mit dieser Sinnsuche und ziehen so Menschen an, die für die Antworten, die sie liefern empfänglich sind. Häufig nehmen solche Gruppen innerhalb kurzer Zeit dann eine zentrale Rolle im Leben ihrer Mitglieder ein, was mit Ausbeutung und emotionaler Abhängigkeit einhergehen kann - insbesondere die Abhängigkeit macht den Ausstieg für viele Mitglieder schwer.  

Solltest Du Dich hierbei angesprochen fühlen, findest Du hier Anlaufstellen (und auch Aufklärungsprogramme) an die Du Dich wenden kannst: Mehr Informationen

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