Gedichtsanalyse (Mein süßes Lieb, H. Heine)?
Hi,
ich bräuchte Hilfe bei der Analyse des folgenden Gedichtes, die Basics wie Metrum, Reinschema etc. habe ich schon. Anaphern und Alliterationen hab ich auch gefunden.
Vielleicht kann mir Jemand bei der Suche der restlichen helfen. :)
Mein süßes Lieb, wenn du im Grab,
Im dunkeln Grab wirst liegen,
Dann will ich steigen zu dir hinab,
Und will mich an dich schmiegen.
Ich küsse, umschlinge und presse dich wild,
Du Stille, du Kalte, du Bleiche!
Ich jauchze, ich zitt’re, ich weine mild,
Ich werde selber zur Leiche.
Die Toten stehn auf, die Mitternacht ruft,
Sie tanzen im luftigen Schwarme;
Wir beide bleiben in der Gruft,
Ich liege in deinem Arme.
Die Toten stehn auf, der Tag des Gerichts
Ruft sie zu Qual und Vergnügen;
Wir beide bekümmern uns um nichts,
Und bleiben umschlungen liegen.
1 Antwort
Ooohhh, Heinrich Heine! Sehr schön!
Ich würde bei dem Gedicht gar nicht versuchen, noch so viele zusätzliche Stilmittel zu finden, sondern auf Thema und Symbolik eingehen.
Was mir so einfällt:
- Karikatur des üblichen Liebesgedichtes: meistens ist die Liebe "heiß", die Geliebte ist voller Leben und hat rosige Wangen und Lippen... Hier ist sie eine kalte, bleiche Leiche
- Schlüsselwort "liegen": das kommt mehrmals vor, das lyrische Ich will hinab ins Grab und dort liegen bleiben. Was das noch verstärkt: der Gegensatz zu den anderen Toten, die zur Geisterstunde oder zum jüngsten Gericht aufstehen (Gegensatz auch: Lebender will im Grab liegen, Tote stehen auf)
- Schlaf und Tod. Es gibt schon sehr lange die Vorstellung, dass der Schlaf ein ähnlicher Zustand ist wie der Tod. Auch damit spielt Heine: während andere sich wünschen, die Nacht mit der Geliebten zu verbringen, will Heine gleich den "ewigen Schlaf" in eine leidenschaftliche Liebesnacht verwandeln.
Naja, ein wenig Auflehnung gegen die Kirche ist da schon zu erkennen, wenn er zum jüngsten Gericht lieber liegen bleiben will 😁. Heine's Liebesgedichte sind wunderbar, weil sie einerseits oft eine volle Portion Leidenschaft und Zärtlichkeit Romantik mitbringen, andererseits aber auch immer eine satirische oder selbstironische Seite haben.
Die satirische oder selbstironische Seite in diesem Gedicht ist die Ablehnung gegen die Kirche, weil er lieber liegen bleiben möchte? 😝
Nein, der gesellschaftskritische Teil ist, dass er da jüngste Gewicht ignorieren will, das für Christen eigentlich super wichtig ist.
Die Selbstironie ist, dass er sich selbst als nekrophil beschreibt, und zwar in Recht drastischen Worten.
Und die Satire ist die Verlagerung der leidenschaftlichen Liebesnacht in ein Grab.
Siehste, alles da.😉
Und trotzdem ist es irgendwie total süß, dass er seine Liebste auch noch dann Begehrenswert findet, wenn sie nicht nur krank und alt sondern sogar schon tot ist... und dass er lieber mit ihr schläft als ins Paradies zu kommen
Vielen dank für deine Hilfe, wirklich! Du hast mir sehr geholfen! 😍
Kein Thema. Ich mag Heine sehr... und du hast immer noch die Aufgabe, solche Ideen in eine sachliche Textanalyse zu verwandeln, darum beneide ich dich nicht. Die Lektüre von "Taubenherz und Geierschnabel" hat mir damals 15 Punkte im Deutsch-Abitur verschafft - ich hatte so verdammt viel Glück, dass ausgerechnet mein Lieblingslyriker dran kam.
Dankeschön für deine Hilfe! Habe ich noch gar nicht so betrachtet, wir haben bis jetzt nur Heines politisch-gesellschaftskritischen Gedichte analysiert. Deine Antwort hilft mir sehr!