Sprechsituation "Die Zwei Gesellen" von Eichendorff?
Ich verstehe nicht, wie man hier eine Sprechsituation "erklären" soll, wenn das lyrische Ich erst am Ende redet und man doch des lyrischen Sprechers Sprechsituation nicht wirklich erläutern kann.
Kann mir wer helfen?
Hier das Gedicht:
Es zogen zwei rüst’ge Gesellen
Zum erstenmal von Haus,
So jubelnd recht in die hellen,
Klingenden, singenden Wellen
Des vollen Frühlings hinaus.
Die strebten nach hohen Dingen,
Die wollten, trotz Lust und Schmerz,
Was Rechts in der Welt vollbringen,
Und wem sie vorübergingen,
Dem lachten Sinnen und Herz. –
Der erste, der fand ein Liebchen,
Die Schwieger¹ kauft’ Hof und Haus;
Der wiegte gar bald ein Bübchen,
Und sah aus heimlichem Stübchen
Behaglich ins Feld hinaus.
Dem zweiten sangen und logen
Die tausend Stimmen im Grund²,
Verlockend’ Sirenen, und zogen
Ihn in der buhlenden Wogen
Farbig klingenden Schlund.
Und wie er auftaucht’ vom Schlunde,
Da war er müde und alt,
Sein Schifflein das lag im Grunde,
So still war’s rings in die Runde,
Und über die Wasser weht’s kalt.
Es singen und klingen die Wellen
Des Frühlings wohl über mir;
Und seh ich so kecke Gesellen,
Die Tränen im Auge mir schwellen –
Ach Gott, führ uns liebreich zu dir!
1 Antwort
Was zu Sprechsituation besprochen worden ist, weiß ich nicht.
Nur so viel ist klar: Das lyrische Ich spricht von Anfang an. Zunächst erzählt es über die jungen Gesellen, am Schluss berichtet es über die eigene Situation. In der letzten Zeile spricht es einen Gebetswunsch.
Interessant ist der Übergang vom Bericht über den zweiten Gesellen zur Aussage über das lyrische Ich selbst:
Und wie er auftaucht’ vom Schlunde,
Da war er müde und alt,
Sein Schifflein das lag im Grunde,
So still war’s rings in die Runde,
Und über die Wasser weht’s kalt.
Es singen und klingen die Wellen
Des Frühlings wohl über mir;
Der Übergang vom Er in der Vergangenheit zum Ich in der Gegenwart lässt darauf schließen, dass das lyrische Ich sich mit dem zweiten Gesellen identifiziert.
Doch dass braucht man nicht unbedingt so zu interpretieren.
Ich würde sagen: "Das lyrische Ich spricht als Erzähler". Wenn ihr im Unterricht das "lyrischer Sprecher" im Gegensatz zum "lyrischen Ich" nennt, ist das eine sinnvolle Terminologie. Nur habe ich die nicht so gelernt. Du solltest aber selbstverständlich die Terminologie des Unterrichts verwenden. (Die Terminologie ist unwichtig. Wichtig ist, dass klar ist, was man damit meint.)
Aber am Anfang ist es doch ein lyrischer Sprecher, da kein "ich" bzw. "mir" etc. vorkommt und die Ansicht von außen ist?