Ich bin mir da unsicher, in wie weit das tatsächlich so ist. In großen Teilen der Gesellschaft nimmt die Akzeptanz für unterschiedliche Lebensstile aus meiner Sicht zu.
In den 1990ern gab es in mehreren ostdeutschen Städten Krawalle bis hin zu Brandstiftungen gegen bewohnte Flüchtlingsunterkünfte.
Als es 2004 die EU-Osterweiterung gab, war die Sorge groß, dass die polnischen Arbeiter den deutschen ihre Arbeitsplätze wegnehmen indem sie sich mit weniger Geld zufrieden geben. Deshalb verhandelte rot-grün mit der EU, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit für einen Übergangszeitraum eingeschränkt werden darf. Diese Regelung durfte zweimal verlängert werden und wurde es auch (von schwarz-gelb und schwarz-rot). Heutzutage findet man diese Sorge höchstens noch in Bezug auf Sozialleistungen - und da hauptsächlich bei der AfD.
Im Inhalt sehe ich hier eher keine Verrohung, wohl aber im Politikstil. Sei es bei der AfD, die beispielsweise in Bezug auf den Klimawandel wissentlich Wissenschaftliche Fakten leugnet, aber auch auf der anderen Seite, wo beispielsweise auf dem grünen Parteitag die CDU als "nicht einmal oppositionsfähig" bezeichnet wird, weil sie die Arbeit der Regierung auf verfassungsmäßigkeit überprüfen ließ - und dies ist mit Blick auf den Mietendeckel in Berlin schon das zweite mal, dass scheinbar der Eindruck erweckt werden soll, dass der Verfassungsverstoß gar nicht das Problem ist, sondern das Problem derjenige ist, der sich darüber beschwert.
Im Internationalen Vergleich gibt es durchaus eine Erstarkung der Randparteien, aber ich bin mir - außer in den USA - nicht sicher in wie weit dies tatsächlich einer extremeren Meinung und in wie weit es einer Annäherung der Parteien geschuldet ist. In Paris erstarkt Le Pen, im Vergleich zu früher sind die Positionen aber auch gemäßigter.
In Bezug auf Deutschland: In Thüringen gibt es einen Linken Ministerpräsidenten, geduldet von der CDU - man stelle sich dies mal 1990 mit einem PDS-Mann, der gerade noch in der SED gewesen ist, vor. Die NPD ist seit 2016 in keinem Landtag mehr vertreten, ja, dafür gibt es jetzt die AfD, aber zumindest mit abgeschwächten Forderungen im Vergleich zur NPD.
In Griechenland und Polen verloren die Randparteien bei den letzten Wahlen die Regierungsgewalt.
Es gibt durchaus Beispiele, auf die diese Betrachtung nicht passt - Ungarn zum Beispiel, aber auch Polen, die die alte Regierung ja erstmal bekommen haben, aber ich denke, dass die Angst der Menschen vor den extremen Ansichten dadurch abnimmt, dass diese im Vergleich zu früher oft weniger extrem sind sodass nicht von vornherein klar ist, dass es eine Katastrophe werden wird während gleichzeitig die starke Aufsplitterung der Parteien und die Informationsmöglichkeiten der Bürger dazu führt, dass die klassischen Volksparteien an Macht verlieren. Trotzdem muss man sagen, dass eine Legislaturperiode auch heute noch ausreichen kann eine ganze Menge Probleme zu verursachen.
Was mir aber schon Sorgen macht, ist das Gefühl, dass die neuen Medien eher dem Populismus Vorschub leisten. Eigentlich denke ich, dass so jeder die Möglichkeit hat sich umfassend zu informieren, falsche Aussagen schnell und zuverlässig richtiggestellt werden können und sich die Möglichkeit Politiker Einzuschätzen verbessert, aber scheinbar bekommen es manche Menschen hin in all den Informationen immer diejenigen rauszusuchen, die gerade ihrer Meinung entsprechen und um deren Richtigkeit sie sich keine Gedanken machen, obwohl es doch so viele Möglichkeiten gäbe.