Alsooo,
Der Ur-Faust ist quasi Göthes ersten Entwurf für sein späteres Theaterstück Faust, das du kennst :-)
Es ist nicht ganz genau das selbe Werk, hat aber durchaus seine Ähnlichkeiten.
Hier ein Zitat zur Prosafrage:
Die Szenen des "Faust", die Goethe in den 1770er Jahren geschrieben hat, sind längst nicht alle in Versen. Auerbachs Keller z. B. nicht, Trüber Tag und Kerker auch nicht. Andere Szenen, wie die meisten mit Gretchen, schon. Auch andere Stücke Goethes aus den 1770er Jahren sind in Prosa.
Die Prosa wurde IIRC damals ausprobiert als unmittelbarer und ungekünstelter Ausdruck. "Zu ernst für Verse" geht also m. laienhaften E. in die richtige Richtung.
Später hat Goethe, neben anderen Änderungen und Hinzufügungen, alle Szenen bis auf den "Trüben Tag" in Verse übertragen.
Warum er diese eine Szene in Prosa gelassen hat, kann ich nicht sagen, aber sie wirkt sehr gut so, finde ich. Das meiste, was Faust sagt, klingt wie atemlos und in großer Erregung hervorgestoßen. In Fausts Text sind ja viele unvollständige Sätze oder nur losgelöste Ausrufe wie "Jammer!" und wenige vollständige Sätze. Diese Passagen metrisch regelmäßig zu machen und womöglich noch zu reimen, ergibt vielleicht nichts Sinnvolles.
Ich hab mir mal rausgesucht, was Erich Trunz dazu anmerkt:
"[...]diese Szene aber scheint anderer Art: ihr unruhiger Rhythmus, der Zickzacklauf ihrer Sprache, die innere Zerissenheit Fausts- das scheint gerade in Prosa am deutlichsten." Desweiteren bemerkt er, dass hier die "nackteste (und eben prosaische) Wirklichkeit" sei, da sich Gretchen im Kerker befände, "hilflos, unter schwerer Anklage". Nie sei Faust sein Gefährte so "zuwider gewesen wie in diesem Augenblick".
Quelle: Goethe, "Faust", erschienen bei C.H. Beck.
Man kann also sagen, dass Göthe höchstwahrscheinlich einfach mal Prosa ausprobieren wollte, das er auch im Werk "Die Leiden des jungen Werther", gemacht hat (FYI die leiden des j. w. entstanden zeitgleich zum Ur-Faust)