Die Ablassbriefe sind ein Teil der Lehre, nach der möglichst viele gute Werke getan werden mußten, um die schlechten aufzuwiegen und einen Platz im Himmel zu sichern (grob gesagt. Luther formulierte es als Rechtfertigung des Menschen vor Gott). Da das Geben von Geld auch als gutes Werk zählte, kannst Du Dir vorstellen, was für Einnahmequellen und Mißbrauchsmöglichkeiten so eine Auffassung mit sich brachte.
Dann die von Majaxoxo genannte Ämterbesetzung mit ungeeigneten Personen: Daß man sich ein Amt kaufen konnte, stimmt. Das gilt aber nur für die höheren Ämter. Auf unterer Ebene war es so, daß die Inhaber der - oft sehr gut bezahlten - Pfarrstellen ihre Ämter oft gar nicht wahrnahmen, sondern für einen Bruchteil des Einkommens vermieteten. So entstand etwas, was man geistliches Proletariat nennt: Eine Klasse von Geistlichen, die gerade genug Latein für die Messe konnten, aber als Seelsorger und Theologen überhaupt nicht zu gebrauchen waren. Die hatten aber oft gar keine andere Möglichkeit als für das bißchen Geld Messe zu lesen, und wir können in manchen Verhandlungen während der Reformation sehen, wie die teilweise an ihren erbärmlichen Ämtern hingen.
Umgekehrt hatten aber die "richtigen" Pfarrer, die nicht vor Ort arbeiteten, sondern es sich oft als Mitglieder eines Domkapitels recht gut gehen ließen, auch wenig theologische Bildung aufzuweisen, weil die es nicht nötig hatten, sich mit der Bibel oder theologischen Fragen auseinanderzusetzen. Um 1530 weist der Domdekan von Lübeck die Kapitelsmitglieder an, sich auf keine Diskussionen mit Laien einzulassen, damit nicht gleich offenbar würde, daß sie so gut wie nie die Nase in die Bibel steckten.
Dann der Lebenswandel: Oft lebten Pfarrer mehr oder weniger offen mit Mätressen, kleideten sich weltlich, pflegten einen Lebensstil, der als völlig unpassend empfunden wurde... ich schränke aber ein: "Oft" habe ich geschrieben, weil das z.B. für die Kirche meiner Region nicht zutraf, das wenigstens wurde den Geistlichen nicht vorgeworfen. Auch in Hamburg und Lübeck gab es Domherren, die von den Protestanten zwar wegen ihrer Positionen abgelehnt, wegen ihres Lebenswandels aber durchaus respektiert wurden.