Zusammenspiel zwischen Vernunft, Kritik und Selbstdenken?

2 Antworten

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Von den drei Begriffen ist "Selbstdenken" noch das einfachste, sich fast selbst erklärende Wort. Dabei haben philosophisch informierte die Worte von Immanuel Kant im Ohr, dass zum "Selbstdenken" Mut gehört, vor allem, wenn es nicht im Trend mitläuft. Für Kant gehört zum "Selbstdenken" auch der Mut, dazu zu stehen und mit Selbstdisziplin und Verantwortung die Konsequenzen daraus zu ziehen. Darum ist für ihn "Selbstdenken" das Gegenstück zum Mitläufertum aus Bequemlichkeit.

Der Begriff "Kritik" wird heute eher als negative Bewertung, Beanstandung, Bemängelung verstanden. Auch noch zu Kants Zeit bedeutete Kritik, eine Gegebenheit oder Idee einer Prüfung zu unterziehen, unabhängig ob dann das Ergebnis positiv oder negativ ausfällt. Noch in den Kritiken zu Kunst, Theater oder Dichtung wird eher eine begründete Stellungnahme und Wertung erwartet, die nicht unbedingt negativ sein muss. Kritik hat etwas mit "selbst" zu tun, indem man das zu kritisierende Kunstwerk selbst gesehen, gelesen oder gehört hat, um dann eine eigene Wertung dazu abzugeben. Kritik setzt zum "Selbstdenken" auch die Selbsterfahrung voraus, also keine bloße Weitergabe fremder Urteile.

Das Schwierigste ist der Begriff Vernunft, weil da die Definitionen auseinander gehen, auch in der Aufklärung. Das Licht der Vernunft hat so z.B. für Kant etwas Abgehobenes, etwas quasi Göttliches, etwas menschliches Denken Übersteigendes. Hier kippt Kant vom Empiristen zum Idealisten. Ganz anders ist es bei David Hume, der fest auf dem Boden der Empirie steht. Da ist alles Wissen ein Ergebnis von Erfahrung, aber eine Erfahrung, die das Wissen und die Erfahrungsmöglichkeit eines einzelnen Individuums übersteigt. Vernunft ist die nutzbare Erfahrung einer ganzen Kultur, der gemeinsame Erfahrungspool einer Zeit. Der ist aber nicht sakrosankt, denn was hat nicht schon in früheren Zeiten als "vernünftig" gegolten, was in neuerem Licht als überholt abgelehnt wird.

Wir denken auch beim "Selbstdenken" nicht ausschließlich aus uns heraus. Die Sprache, die tradierten Werte usw. wurden uns ja vermittelt und sind teil der je aktuellen Vernunft. Zu einer kritischen Wertung selbst zu denken braucht manchmal Mut, sollte aber nicht egozentrisch sein sondern das Wissen der Zeit einbeziehen, dann ist eine Kritik für andere wertvoll, für manche evtl. auch unbequem.

Zemsy 
Fragesteller
 27.08.2018, 18:09

Vielen Dank, hat mir enorm weitergeholfen!

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Es ist vernünftig selber zu denken, was zu Kritik führen kann.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Weil Erkenntnis und Verständnis wunderbare Gaben sind.