Zitat von Heraklit erklärt?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Texte von Herakleitos (griechisch: Ἡράκλειτος; lateinisch: Heraclitus; deutsch kurz: Heraklit) gehören zu den Fragmenten der Vorsokratiker (abgekürzt: FVS bzw. VS) und werden in der Zählung eines Standardwerks von Hermann Diels, herausgegeben von Walther Kranz, angegeben (DK = Diels/Kranz).

Das genannte Zitat von Herakleitos ist FVS DK 22 B 54.

ἁρμονίη ἀφανὴς φανερῆς κρείττων.

κρείττων bedeutet „stärker“, „gewaltiger“, „mächtiger, „besser“, „vorzüglicher“, gedanklich ist dazu das Hilfsverb ἐστιν/ἐστὶν/ἐστι/ἐστὶ („ist“) zu ergänzen.

Die Vorsokratiker : die Fragmente und Quellenberichte. Übersetzt und eingeleitet von Wilhelm Capelle. Mit einem Geleitwort und Nachbemerkungen von Christof Rapp. 9. Auflage. Stuttgart : Kröner, 2008 (Kröners Taschenausgabe ; Band 119), S. 101:

„Unsichtbare Harmonie ist stärker als sichtbare.“

S. 101 Anm. 17: „Gemeint ist: die metaphysische Einheit gegenüber der durch unsere Sinne erfaßbaren […].“

Die Vorsokratiker. Band 1: Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras und die Pythagoreer, Xenophanes, Heraklit. Griechisch-lateinisch-deutsch. Auswahl der Fragmente und Zeugnisse, Übersetzung und Erläuterung von Laura Gemelli Marciano. Düsseldorf : Artemis & Winkler, 2007 (Sammlung Tusculum). ISBN 978-3-7608-1735-4

S. 301: „Unsichtbare Fügung nämlich ist besser als eine sichtbare.“

Heraklit, Fragmente : Griechisch und Deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Bruno Snell. 3., verbesserte Auflage. München : Heimeran, 1944 (Tusculum-Bücher), S. 21:

„Mehr als sichtbare gilt unsichtbare Harmonie.“

Herakleitos vertritt den Standpunkt: Die nicht durch die Sinne wahnehmbare Harmonie ist stärker als die durch die Sinne wahnehmbare Harmonie.

Was die Menschen direkt durch Sinneswahrnehmung erfassen können, ist nur ein Teil der Dinge und bleibt an der Oberfläche. Es gibt wesentliche Zusammenhänge, die eine nicht durch die Sinne wahnehmbare Harmonie bilden und machtvoller sind. Es handelt sich um in der Natur wirkende Kräfte, der Welt zugrundeliegende Strukturen und Gesetzmäßigkeiten. Zusammengenommen nennt Herakleitos dies Logos (griechisch: λόγος). Der Logos lenkt nach seiner Auffassung die Welt. Dies ist eine machtvolle Herrschaft und selbstverständlich eine stärkere Harmonie als sichtbare Harmonie.

Der Logos ist in der Darstellung bei Herakleitos teils Weltprinzip in Form eines vernunftbegabten, feuerähnlichen (bzw. wie ein Glutwind/Äther), unveränderlich mit sich identischen Urstoffes, teils mächtiges allgemeines Weltgesetz, teils alles durchwaltende Weltvernunft bzw. Weltseele.

Der Logos ist sowohl eine Naturgegebenheit als auch ein universales, allgemein gültiges Gesetz.

Nach Auffassung von Herakleitos ist die Welt durch vielfältige Gegensätze gekennzeichnet, die sogar ineinander umschlagen. Metaphorisch ausgedrückt bringt Streit/Kampf/Krieg (FVS DK 22 B 80) die Dinge hervor.

Herakleitos bleibt nicht bei einer Gegensätzlichkeit der Erscheinungen nicht stehen. Er hat den Gedanken einer Übereinstimmung des Unterschiedlichen, einer gegenstrebigen Zusammenfügung/Harmonie. Es gibt also eine Einheit der Gegensätze. Der in und zwischen Gegensätzen verlaufende Prozeß ist nach seiner Auffassung zugleich Teil einer umfassenden Herrschaft des Logos (griechisch: λόγος).

Der Satz über unsichtbare Harmonie im Vergleich zur sichtbaren Harmonie steht in Beziehung zu der Auffassung, die Natur/das wahre Wesen der Dinge sei verborgen/verhüllt, zeige sich nicht an der Oberfläche.

FVS DK 22 B 123

φύσις κρύπτεσθαι φιλεῖ.

„Die Natur liebt/pflegt sich zu verbergen/verhüllen.“

Die Erkenntnis der unsichtbaren Harmonie ist vorzüglichere Erkenntnis als die der sichtbaren Harmonie. Wahrnehmung und Erfahrung sind notwendige Bedingungen für Erkenntnis der Natur, aber keine hinreichenden Bedingungen. Erst mit Hife der Denkkraft ist es möglich, tieferliegende Zusammenhänge zu erschließen und die Verbindung von Gegensätzen zu erkennen.

Es gibt von Herakleitos verschiedene Äußerungen, wie Menschen bzw. die Vielen (= die Menge) sich täuschen bzw. unverständig sind und daher Dinge nicht verstehen (FVS DK 22 B 1; B 2; B 17; B 34; B 56; B 107).

Christof Rapp, Vorsokratiker. Originalausgabe. 2., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2007 (Beck'sche Reihe : Denker ; 539), S. 63:

„Heraklit unterstellt, dass sich das, was allein die Abläufe in der Welt zu erklären vermag, nicht an der Oberfläche der Dinge zeigt, und dass der logos von dieser Art ist (nur so ist die beanspruchte Exklusivität der Darstellung in Fragment B1 mit der mehrfach betonten Ubiquität des logos zu vereinbaren). Ungefähr das dürfte auch das Anliegen des Satzes «Die Natur (physis, hier eher: das Wesen der Dinge) pflegt sich zu verbergen» (B123) zusammen mit «Die unsichtbare Harmonie ist die stärkere» (B54) sein.

Das ist ganz einfach. Es ist bekannt, dass Heraklit sich sehr knapp ausdrückte. anstatt lange Theorie, Beispiele: 1. Wenn alle Menschen herzensinnig wünschen, dass es keine Autounfälle mehr geben soll. wird es wohl bald keine mehr geben. 2. Wenn alle Leute oder sehr viele eines Landes herzensinnig wünschen, dass man schwangere Frauen mit besonderer rücksichtvoller Herzensliebe begegnen soll wird wohl nicht nur dies geschehen sondern es wird auch die Kriminalität zurückgehen. 3. Es gibt ein Hindusprichwort: Schaue nicht auf die Taten sondern liebe seine Seele. Wenn USA, Europa, Arabische Staaten das getan hätten: et sanabatur anima sua, wäre wohl seine Seele genesen, oder meinetwegen sein Herz. Ergänzung: Sehen Sie bei den Müttern wäre emanzipatorischer Druck eine offenbare "Harmonie" . Bei den Autofahrern: Fluchen über die dummen Raser und Potenzlinge und Umweltschädlinge. Bei Al Kaida. Das kann jeder sagen, diese verfluchten Hunde. Aber eben gerade via verborgene "Harmonie" macht das jeden Hund noch hündischer. Kurz: Böse Worte (via verborgene "Harmonie" fördern Böses. Schluss: Sie meinen, das sei nicht zu verwirklichen, so wie man den Staat Platons nicht verwirklichen könne. Nein! Alles Leben ist ein Gedeihen, ein Wachstum mit Störern. Es ist eine Evolution, langsam, wie die Blätter am Baume, und wenn schon einige Blätter gedeihen, wiederum via verborgene Harmonie machen sie sich gegenseitig kräftiger und sind resistenter gegen Störer.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

das ist kein Heraklit Zitat - stell den Wortlaut hier ein, dann kann geholfen werden (ich kann griechisch)

"Mehr als offenkundige gilt unsichtbare Harmonie"

wäre vielleicht eine genauere Übersetzung.

Unsichtbare Harmonie gilt mehr, weil sie nicht erkannt wird und deshalb leicht untergründig weiter wirkt, ohne dass man sie also in den Griff bekommen könnte.