Wovon hängt die Schmelz- und Siedetemperatur ab?

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Einmal sollte man sich darüber klar sein, dass Wärme = Teilchenbewegung bzw. Wärmeenergie = Bewegungsenergie ist. Atome, Moleküle, Ionen... alles schwingt, wackelt, tänzelt ein Bisschen. Einen Stoff anzuwärmen, bedeutet nichts anderes als diese Schwingung zu verstärken und Abkühlung bedeutet, das Schwingen zu bremsen.

Dann ist wichtig, zu wissen wie die Aggregatzustände auf der molekularen Ebene aussehen:

  • Bei einem Feststoff halten die Moleküle so sehr aneinander, dass sie an ihre jeweilige Position gebunden sind. Sie schwingen zwar, aber eben nur an Ort und Stelle. Quasi so wie Fußballfans im Stadion, die haben alle ihren Platz aber können sich an diesem Platz bewegen.
  • Bei einer Flüssigkeit ist die Schwingung der einzelnen Moleküle so stark, dass die Anziehungskräfte kurzzeitig überwunden werden und sich die Moleküle gegeneinander verschieben. Kann man sich ein Bisschen so vorstellen wie Magneten an der Tafel, die kannst du rumschieben aber dann haften sie wieder.
  • Bei einem Gas sind die Molekülschwingungen so heftig, dass sie die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen dauerhaft überwinden, d.h. die Moleküle gar nicht mehr aneinander haften und einzeln durch die Gegend schwirren.

So, und daraus ergibt sich jetzt, woraus sich Schmelz- und Siedepunkt ergeben:

  • am Schmelzpunkt ist die Wärme = Molekülschwingung gerade so stark, dass die zwischenmolekularen Kräfte kurzzeitig überwunden werden können.
  • am Siedepunkt ist die Wärme = Molekülschwingung gerade so stark, dass die zwischenmolekularen Kräfte dauerhaft überwunden werden können.

Und dementsprechend hängen beide Temperaturen davon ab, wie stark die zwischenmolekularen Kräfte jeweils sind: Bei schwachen Anziehungskräften ist nur wenig Wärme nötig, um sie zu überwinden. Und um starke Anziehungskräfte zu überwinden, ist viel Wärme nötig, um sie zu überwinden.

Nun gibt es unterschiedliche Anziehungskräfte zwischen Molekülen.

Die schwächsten sind Van-der-Waals-Kräfte. Die ergeben sich daraus, dass Elektronen immer in Bewegung sind und sich deshalb auch bei unpolaren Molekülen (Kohlenwasserstoffe!) ständig irgendwo an den Moleküloberflächen kleine Stellen mit leicht positiver oder leicht negativer Ladung ergeben. Und zwei gegensätzlich "leicht geladene" Stellen zweier unterschiedlicher Moleküle ziehen sich an. Der Effekt ist sehr schwach, aber diese kleinen Stellen werden zahlreicher, je größer die Moleküle sind und die Möglichkeit, sich gegenseitig anzuziehen, werden mehr je "formschlüssiger" sich die Moleküle nebeneinander legen können.

Deshalb halten lange, gerade, nicht verzweigte Kohlenwasserstoff-Moleküle ganz gut zusammen. Und je kleiner diese Moleküle sind und je "ungerader" sie aufgrund von Verzweigungen oder Knicken (Doppelbindungen!) sind, desto schwächer sind die Anziehungskräfte. Was sich eben wie oben verdeutlicht auf die Schmelz- und Siedepunkte auswirkt.

Andere zwischenmolekulare Kräfte sind Dipol-Dipol-Kräfte, also Anziehungskräfte zwischen dauerhaft vorhandenen positiven und negativen Ladungen. Diese sind deutlich stärker als VdW-Kräfte, aber erfordert eben entsprechende Ladungen am Molekül -> polare Bindungen.

Noch stärker sind Wasserstoff-Brückenbindungen. Die zu erklären, ist nochmal ein eigenes Thema und glaub gerade nicht deine Frage.

Und nochmal stärker sind Ionische Anziehungen, also wo sich Kationen und Anionen gegenseitig anziehen. So werden Salze zusammen gehalten, welche bekanntlich sehr hohe Schmelzpunkte haben.

Je stärker die zwischenmolekularen Kräfte sind, desto höher sind die Schmelz- und Siedetemperaturen eines Stoffs.

Wasserstoffbrückenbindungen sind stärker als Van-der-Waals-Kräfte, und die Molekülstruktur, Verzweigung und Molekulargewicht beeinflussen diese Kräfte.

Je verzweigter ein Molekül ist, desto geringer ist die Oberfläche, die in Kontakt mit anderen Molekülen kommt. Das kann die Zwischenmolekularen Kräfte schwächen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Laborassistent Nr.7