Woran zerbrach der Geheimbund der Pythagoreer?

2 Antworten

Der Bund der Pythagoreer endete vor allem durch politische Auseinandersetzungen (einschließlich gewaltsamer Angriffe), bei denen Versammlungshäuser zerstört und Pythagoreer getötet oder vertrieben wurden bzw. flohen.

Schließlich hat der Tyrann Dionysios I. von Syrakus (um 430 – 367 v. Chr.) durch Ausdehnung seines Machtbereiches die Pythagoreer aus fast ganz Süditalien vertrieben, nur das eigenständig gebliebenen Tarent war eine Ausnahme.

Die antiken Quellen sind dazu nicht immer genau und klar. Zu einem großen Teil werden von einem Adligen Kylon aus Kroton herbeigeführte Angriffe und Bekämpfung durch Demokraten vermengt (beispielsweise sind nach einer Darstellung Kylon als Adliger und Ninon als Vertreter der Demokraten Redner, die Aufruhr gegen die Pythagoreer anstiften.

In antiken Texten erscheint auch ein Gegensatz innerhalb der Pythagoreer zwischen »Akusmatikern« und »Mathematikern«. Die »Akusmatiker« (ἀκουσματικοί [akousmatikoi) sind danach auf das Gehörte ausgerichtet, wollen an Aussprüchen als mündlich überlieferten Anweisungen zur Lebensführung festhalten und berufen sich auf die Autorität des Begründers Pythagoras als endgültig und unumstößlich (eine Äußerung „er selbst hat es gesagt“ ist ein abschließendes Urteil). Die »Mathematikern« (μαθηματικοί [mathematikoui] sind auf Lerngegenstände ausgerichtet, sind auch an den Begründungen von Aussagen und den Überlegungen und Gedankengängen dazu interessiert und erscheinen mehr auf rationale Wissenschaftlichkeit ausgerichtet.

Für Pythagoreer waren Ordnung, Harmonie und Stabilität bedeutsam. Pythagoreer haben in die Politik eingegriffen und Einfluß ausgeübt.

Noch zu Lebzeiten des Pythagoras hat es einen ersten, lokal begrenzten Aufruhr gegeben. Dieser habe Pythagoras dazu gebracht, von Kroton nach Metapontion wegzugehzen (Artistoxenos Fragment 18, vgl. Dikaiarchos Fragment 34 – 35 Wehrli; Iustinus 20, 4, 17).

Die Pythagoreer standen zu dieser Zeit auf aristokratischer/oligarchischer Seite. Der Adlige Kylon aus Kroton ist nach Herkunft, Ruhm und Reichtum der Erste gewesen, seinem Charakter nach war er schroff, gewallttätig, zügellos, aufrührerisch und herrschsüchtig. Sein Wunsch nach einer Aufnahme in den Bund der Pythagoreer ist wegen dieser Eigenschaften abgewiesen worden. Nach den Darstellungen hat er aus Rache mit Hilfe von Freunden einen Aufruhr gegen die Pythagoreer herbeigeführt.

Es scheint auch ein Standpunkt von Pythagoeern in Kroton, von Sybaris erobertes Land nicht gleichmäßig zu verteilen und sich einer Änderung der Verfassung hin zu einer Demokratie zu widersetzen, Verärgerung ausgelöst und zu einer Erhebung von Volksmassen geführt zu haben. Einige Pythagoreer, so Hippasos und Theages, sind für eine Demokratisierung eingetreten.

Um 494 v. Chr. hat in Kroton vorübergehend der Tyrann Kleinias die Macht gehabt (Dionysios von Halikarnassos, Rhomaïke Archaiologia [Ῥωμαϊκὴ Ἀϱχαιολογία; Römische Altertümer; lateinischer Titel: Antiquitates Romanae] 20, 7).

In der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. (um 455/450 v. Chr.) oder in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. hat es heftige politische Auseinandersetzungen gegeben. Eine demokratische Gruppierung wendete sich gegen die Pythagoreer. Führende Männer der Städte in Süditalien kamen ums Leben (Polybios 2, 39, 1 – 4), Versammlungshäuser der Pythagoreer wurden angezündet/zerstört, Pythagoreer getötet oder vertrieben (vgl. Apollonios FGrH 1064 F 2; Aristoxenos Fragment 18 und 33 – 34 Wehrli; Dikaiarchos Fragment 34, p. 20, 14 – 16 Wehrli). Als sich in Kroton Pythagoreer im Haus versammelten, das einst dem berühmten Ringkämpfer Milon gehört hatte, wurde das Haus in Brand gesetzt. Nur Archippos und Lysis gelang die Flucht daraus.

Einige Pythagoreer wanderten nach Griechenland aus (Lysis; spätere Rückkehr einer Gruppe von Pythagoreern bei Apollonios FGrH 1064 F 2, 264) und es entstanden dort neue Zentren der Pythagoreer, unter anderem in Phleious (Echekrates) und Theben (Lysis; Philolaos).

Andere Pythagoreer blieben in Süditalien, z. B. in Kroton, Rhegion und Tarent, und mischten sich weiterhin in die Politik ein, allerdings unter den Bedingungen einer gemäßigten Demokratie.

Der Tyrann Dionysios I. von Syrakus beendete kurz nach 400 v. Ch. fast überall in Süditalien den Einfluß der Pythagoreer. Er brachte die meisten Städte unter seine Kontrolle. Nach Eroberung Krotons (397 v. Chr.) blieb Tarent (griechisch: Τάρας [Taras]; lateinisch: Tarentum) das letzte Zentrum der Pythagoreer in Italien. Der pythagoreische Musiktheoretiker und Philosoph Archytas wurde in Tarent 367 – 361 v. Chr. demokratisch zum Strategen gewählt (dies war nur mit einer Sonderregelung möglich, weil gesetzlich eine Wiederwahl für das nächste Jahr nicht erlaubt war; die siebenmalige Wahl zeigt ein starkes Vertrauen).

In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts gab es auch in Syrakus eine Gruppe von Pythagoreern: Hiketas, Ekphantos, Damon und Phintias.

Aristoxenos aus Tarent (nach 370 v. Chr. geboren) war zuerst Pythagoeer und war in der Philosophie Schüler des Xenophilos aus der Chalkidike, kam später nach Athen und wurde Schüler des Aristoteles. Aristoxenos bezeichnete Xenophilos aus der Chalkidike sowie Phanton, Echekrates, Diokles und Polymnastos aus Phleious als die letzten Pythagoreer (Diogenes Laertios 8, 46; Aristoxenos Fragment 19 – 20 Wehrli). Dies war in der Zeit um 350 v. Chr., bald danach endete die pythagoreische Schule. Vermutlich hatten andere, neuere philosophische Schulen eine größere Anziehungskraft, besonders die von Platon und Aristoteles.

Im 1. Jahrhundert v. Chr.  entstand ein Neupythagoreimus, bei dem es Einflüsse des Platonismus und Einflüsse spekulativer und mystischer orientalischer Lsehren gab.

Informationen gibt es in Büchern, die in Bibliotheken zu finden sind, z. B.:

Christoph Riedweg, Pythagoreische Schule. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 10: Pol - Sal. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001, Spalte 656 - 659

Christoph Riedweg, Pythagoras : Leben, Lehre, Nachwirkung ; eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2007. ISBN 978-3-406-48714-9

Leonid Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer. In: Frühgriechische Philosophie. Halbband 1. Herausgegeben von Dieter Bremer, Hellmut Flashar und Georg Rechenauer (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 1/1). Basel ; Stuttgart : Schwabe, 2013, S. 375 - 438

Carl A. Huffman, Die Pythagoreer. In: Friedo Ricken (Hrsg.), Philosophen der Antike I. Stuttgart : Kohlhammer, 1996, S. 52 - 72

Bartel L. van der Waerden, Die Pythagoreer : religiöse Bruderschaft und Schule der Wissenschaft. Zürich ; München : Artemis Verlag, 1979 (Die Bibliothek der Alten Welt. Reihe Forschung und Deutung). ISBN 3-7608-3650-X

Kurt von Fritz, Pythagoras I B. Pythagoreer, Pythagoreimus bis zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. I. Politische Geschichte II. Organisation und innere Geschichte. In: RE XXIV : Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft ; Pyramos bis Quosenus. Stuttgart : Druckenmüller, 1963, Spalte 209 - 225

Juliafjg 
Fragesteller
 06.07.2017, 17:21

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. :)

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Weil der Satz von Pythagoras so einfach aussah, dass ihn sich sofort alle einprägen konnten:    a^2 + b^2 = c^2  .

Für sehr viele, die zwar diese Formel mal gelernt haben, ist allerdings heute das große Geheimnis, was dies denn wirklich bedeuten soll.

;-)     ;-)    ;-)     ;-)    ;-)     ;-)     ;-)     ;-)     ;-)      ;-)     ;-)      ;-)

(Ich habe mich bemüht, das Niveau der Antwort jenem der Fragestellung möglichst gut anzupassen)

Juliafjg 
Fragesteller
 06.07.2017, 17:20

Wie hätte ich denn meine Frage sonst formulieren sollen? Ich wollte es auf den Punkt bringen und keinen Roman schreiben. Aber eine ernst gemeinte, nette Antwort von dir hätte es auch gebracht. 

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