Wo tritt überall Schwerelosigkeit auf?

10 Antworten

Schwerelosigkeit tritt genau genommen nur beim freien Fall auf. Wenn zB auf der ISS im Erdorbit Schwerelosigkeit herrscht, dann liegt das daran, dass die Station "um die Erde herum fällt", sich also im Fall befindet. Ebenso beim Parabelflug: hierbei wird vom Piloten eine Fligbahn geflogen, die zu hundert Prozent dem entspricht, als würde eine gigantische Hand das Flugzeug schräh nach oben werfen.

Bei diesem "Wurf" wird wie beim freien Fall das Gesamtsystem gleich bewegt, das heißt, sowohl Hülle wie Inhalt werden identisch bewegt.  Somit bewegen sich innerhalb des Systems die einzelnen Elemente nicht zueinander, sie scheinen dann zu "schweben". Tatsächlich bewegen sich alle nur mit derselben Geschwindigkeit.

Ein Körper befindet sich in Schwerelosigkeit, wenn in seinem Inneren keine mechanischen Spannungen auftreten, er also weder auf Druck noch
auf Zug belastet wird. Diese Aussage ist zunächst einmal unabhängig vom
Bezugssystem korrekt, denn der mechanische Spannungstensor lässt sich
beim Bezugssystemwechsel nicht wegtransformieren.

Die Schwierigkeit, konkrete Beispiele für Schwerelosigkeit ausfindig zu
machen, besteht nicht im Nennen dieser Beispiele, sondern daran, dass
bei vielen Antworten (wie auch hier) nicht sauber gesagt wird, ob man in
einem Bezugssystem außen den Körper beschreibt oder im Körper selbst,
die mathematische Beschreibung und die Kräftebilanz ist nämlich in
beiden Fällen unterschiedlich, man muss hier also sauber trennen.

1. Fall: Man ist fernab aller Massen

Die Gesamtkraft auf den Körper ist hier nahezu null, und zwar egal, in
welchem Bezugssystem man ist. Dieser Fall ist aber noch nicht einmal
theoretisch interessant.

2. Fall. Freier Fall

Ein Körper hat keinen Kontakt zur Erde, das ist das, was man als freien
Fall bezeichnet (die Einwirkung der Luft lassen wir einmal weg). Man ist
also auch schon im freien Fall, wenn man sich nach dem Absprung nach
oben bewegt, sobald man den Boden verlassen hat.

Ein Körper hat keinen Kontakt zur Erde, das ist das, was man als freien Fall bezeichnet (die Einwirkung der Luft lassen wir einmal weg). Man ist also auch schon im freien Fall, wenn man sich nach dem Absprung nach oben bewegt, sobald man den Boden verlassen hat. Die Beschreibung aus beiden Bezugsstemen ist unterschiedlich.

Bezugssystem Erde: Auf jede Stelle im Körper wirkt die Beschleunigung a = g, das heißt, alle Atome des Körpers werden in gleicher Weise beschleunigt, das bedeutet aber auch, dass es innerhalb des Körpers keine mechanischen Spannungen gibt.

Bezugssystem Körper: Hier wirken zwei Kräfte auf den Körper: Die Gewichtskraft nach unten, m * g, und eine Trägheitskraft nach oben, welche genau der Beschleunigung des Körpers aus Sicht der Erde entgegengerichtet ist, es gibt also ein Trägheitsfeld gT = - a. Damit ist die Gesamtfeldstärke im beschleunigten System: glokal = g + gT = a + (-a) = 0, das heißt, im Körper selbst gibt es lokal kein Gravitationsfeld mehr, der Körper ist schwerelos.

3. Fall: Schwimmen

Hier ist es anders: Auf den Körper wirken zwei Kräfte, die Gewichtskraft nach unten, m * g und die Auftriebskraft des Wassers nach oben, FA = - m * g. Auch hier ist die resultierende Kraft

Fres = m * g + FA = m * g - m * g = 0

Man könnte also glauben, beim Schwimmen herrsche Schwerelosigkeit, dies ist aber nicht richtig, denn die Kräfte m * g und FA sind verschiedener Natur. Das Gravitationsfeld g wirkt auf jedes Atom des Körpers, es ist eine Volumenkraft, die Auftriebskraft wirkt aber nur auf die Oberfläche des Körpers, es ist eine Oberflächenkraft. Dies bewirkt, dass innerhalb des Körpers eine mechanische Spannung herrscht, der Körper ist NICHT schwerelos.

p.s Auch beim freien Fall haben wir keine exakte Schwerelosigkeit, denn das Trägheitsfeld ist homogen, nämlich gT = - a, das Gravitationsfeld wird aber nach unten stärker, damit gibt es innerhalb des Körpers also doch eine mechanische Spannung, die sogenannte Gezeitenkraft. Diese ist aber bei kleinen Körpern vernachlässigbar.

Im freien Fall tritt keine Schwerelosigkeit auf, deswegen findest du auch keine Erklärung. Du fällst ja nur durch die Gravitation. Beim Parabelflug ist es mehr ein Ausgleich durch die Aufwärtsbewegung.
Schwerelosigkeit tritt genau dann auf, wenn man sich nicht in der Nähe von Massebehafteten Körpern befindet.

Scheint tatsächlich diskussionswürdig zu sein!

Meine Auffassung: Im freien Fall fühlt man sich zwar schwerelos (liegt am Bezugssystem), ist es aber nicht. Begründung: man wird beschleunigt, also gibt es eine Kraft.

Mein Vorschlag für Schwerelosigkeit: Schwerefreier Punkt zwischen Erde und Mond, wo sich beide Schwerkräfte ausgleichen...

Franz1957  23.03.2016, 18:54

"Schwerelos" ist man nicht, wenn man kräftefrei ist, sondern wenn man im Gegenteil der beschleunigenden Schwerkraft völlig ausgeliefert ist. Auf dem Erdboden ist dieselbe Kraft wirksam, aber sie wird durch eine betragsgleiche entgegengesetzte Kraft ausgeglichen, die der Boden auf unsere Füße ausübt.

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Im All (besser gesagt: beim Flug im Orbit): Die Zentrifugalkraft und die Gravitation gleichen sich gegenseitig aus.

Beim freien Fall (ohne Luftwiderstand): Die Beschleunigung nach unten gleicht die Gravitation aus. Wenn du in die Luft springst, bist du übrigens auch für ein paar Hundertstelsekunden schwerelos.

Beim Parabelflug: Das Gleiche, wie beim freien Fall, nur dass da die Beschleunigung durch das Flugzeug kontrolliert wird.

Franz1957  23.03.2016, 19:06

Daß im Orbit Zentrifugalkraft und Gravitation einander ausgleichen, ist eine weitverbreitete Legende. Es gibt sogar Physiklehrer, die an sie glauben, obwohl sie es besser wissen müßten.

Die Gravitation ist das, was den Flugkörper im Orbit hält. Würde sie, durch was auch immer, ausgeglichen, dann hätte der Flugkörper nicht den geringsten Grund, die Erde zu umkreisen. Er würde sich auf einer geraden Linie verabschieden (siehe Erstes Newtonsches Gesetz).

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lks72  31.03.2016, 11:29
@Franz1957

Dass Physiklehrer an diese "Legende glauben", ist auch gut so, denn schließlich haben sie (hoffentlich mit Gewinn) Physik studiert.

Die Zentrifugalkraft gibt es nur im rotierenden Bezugssystem. Im Bezugssystem des Satelliten ruht der Satellit aber (das tun nämlich alle Körper in ihrem eigenen Bezugssystem)  und die Summe der Kräfte ist 0 (Gravitation + Zentrifugalkraft = 0), und dies passt wunderbar zu Newton 1. Summe der Kräfte = 0 ist gleichbedeutend mit gleichförmiger Bewegung, in diesem Fall nämlich gar keine Bewegung.

Aufpassen!: Im rotierenden Bezugssystem hat der Satellit eben KEINE Kreisbewegung, sondern er steht still. Sobald du von Kreisbewegung sprichst, bist du im System der Erde, hier wirkt auf den Satelliten aber auch nur EINE Kraft, nämlich die Gravitationskraft, und für die gilt die Kreisbedingung omega^2 * r.

Im Übrigen ist aber auch der Slogan Zentrifugalkraft Gravitation gleichen sich aus unsinnig, denn das ist trivial. In jedem Bezugssystem treten Trägheitskräfte auf, die die Beschleunigung aus der Sicht des ruhenden Systems exakt kompensieren. Bei jeder Art von Bewegung ist das so, es ist nicht charakteristisch für eine Kreisbewegung.

Zum eigentlichen Thema: Der Grund für die Schwerelosigkeit liegt daran, dass Gravitation und Zentrifugalkraft beides Volumenkräfte sind, also überall im Körper angreifen und nicht nur an der Oberfläche, die Summe der beiden Kräfte setzt den Körper also nicht unter mechanische Spannung, daher ist der Körper schwerelos (Gezeiteneffekte außer Acht gelassen).

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