Wieso nicht Germanien?

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Eine gute Frage. Im Mittelalter wurde in lateinischen Texten für Deutschland oft der Begriff "Germania" benutzt. Daraus leitet sich z.B. auch die englische Bezeichnung "Germany" ab. Es bestand eine Konkurrenz zwischen den Bezeichnungen "Germania" und "deutsches Land" (später: Deutschland). "Deutschland" konnte sich durchsetzen. Wieso es gebräuchlich wurde, kann sicherlich ein informierter Sprachwissenschaftler erklären. Kommen wir aber mal genauer auf den Sinn der beiden Bezeichnungen. Tatsächlich leben in Deutschland einige germanische Bräuche weiter, aber "Deutsch" steht ja auch nicht im Gegensatz zu "Germanisch". "Deutsch" ist ein germanischer Begriff und beschreibt ein germanisches Land. In den anderen Antworten steht erschreckend viel Unsinn und um eine Antwort zu geben reicht es teilweise schon die anderen vielfältigen Antworten zu korrigieren und kurz zu erläutern: @Nordseefan Frankreich ist eine lateinisch-keltische dominierte Kultur. Teile des Germania Minor lagen im Elsass und Lothringen, Gebiete, die deutschsprachig waren und mit der wachsenden Dominanz der französischen Sprache auch den germanischen Charakter mehr und mehr verloren haben könnten. Die Tatsache, dass sich Frankreich indirekt in der Tradition eines germanischen Stammes, den Franken, sieht, ändert daran nichts. Heidentum ist im übrigen keine Kultur und auch keine Religionsgemeinschaft, sondern nur ein Sammelbegriff zu denen auch die germanische Religionswelt zählt, die in Deutschland im Alltag indirekt großen Einfluss hatte und hat. Wer sich etwas mit den Bräuchen auseinandersetzt, wird im übrigen feststellen, das weitaus mehr als der Zeitpunkt übernommen wurde - genauer: Es kamen in der Regel kaum oder gar keine neuen Elemente durch die Christen hinzu. @annasophiiaaa Oftmals, so auch hier, werden das in der Wissenschaft definierte Germanien und die Definition der namensgebenden Römer verwechselt. Selbstverständlich gab/gibt es die Germanen. Davon abgesehen hatte nie ein Römer Germanien und Skandinavien gleichgesetzt und Südgermanien ausgeschlossen. @dafee01 Allemannen, Sachsen, Franken, Sueben und Teutonen sind alle Germanen. Die einzigen nicht-Germanen, die hier aufgezählt werden, sind die Kelten. Keltische Stämme hatte es im Gebiet des heutigen Deutschland jedoch kaum gegeben. Es ist jedoch wichtig anzugeben, dass es keine politische Einheit Germaniens gegeben hatte. @BrilleHN Obwohl es nichts mit Germanien oder überhaupt der Frage zu tun hat: Das Deutsche Reich ist nicht aus dem Deutschen Bund entstanden, der aufgelöst wurde, gerade um ein preußisch-dominiertes Deutsches Reich zu gründen. Das erstmal zu den anderen Antworten. Wichtig ist vielleicht aber noch zu sagen, dass das germanische Kulturgebiet auch Skandinavien miteinschließt. Deutschland ist bei seinem Namen geblieben, obwohl die Deutschschweizer, die Niederländer, die Österreicher und auch die deutschsprachigen Luxemburger und Liechtensteiner das Kulturgebiet des "deutschen Landes/Deutschlands" verlassen haben. Deshalb könnte für Deutschland zumindest die Bezeichnung "Südgermanien" zutreffen. Begründet in lateinisch-mittelalterlicher Tradition wäre auch einfach nur "Germanien" möglich. Beides muss im Sinn aber genau erfasst werden, denn Deutschland stellt so oder so nicht das gesamte Gebiet dar, das eine einheitliche "germanische Nachfolge" repräsentieren könnte.

Eirene2007 
Fragesteller
 07.10.2015, 15:17

Danke sehr gute Antwort. und danke dass du mich nicht wie den letzten Deppen dargestellt hast. Sehr gut geschrieben und informativ !

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Jonnymur  07.10.2015, 16:06

@Eirene2007 Gerne und danke :)

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Karl37  07.10.2015, 22:03

Mit den Kelten bist du ein wenig  auf dem Holzweg. Wo lag denn Hallstatt, ein Zentrum und Namensgeber von Kelten - Epochen. Man kann durchaus sagen, die Südhälfte des heutigen Deutschland war ein Siedlungsgebiet der Kelten.

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Jonnymur  07.10.2015, 23:53

@Karl37 Hallstatt lag und liegt im heutigen Österreich, nicht in Deutschland. Süddeutschland war aber auch Siedlungsgebiet der Kelten, das stimmt, so wie Ostdeutschland auch Siedlungsgebiet der Slawen war. Du vergisst dabei aber, dass ein Siedlungsgebiet nicht gleich einer territorialen Dominanz ist. Germanen und Kelten lebten in Süddeutschland eine Zeit lang nebeneinander, doch war das Gebiet, zumindest nördlich der Donau, trotzdem die meiste nachvollziehbare Zeit (bei weitem aber nicht immer) von den Germanen dominiert. Südlich der Donau hatte ich spontan an Rom gedacht - logisch. Deshalb habe ich es nicht berücksichtigt bzgl. Kelten. Das ist aber natürlich nicht ganz zutreffend, da dort ja nicht alle deshalb plötzlich Lateiner waren und Rom auch für die Vielfalt an Kulturen bekannt ist. Von einer dortigen keltischen Dominanz ausgehend, sind also zugegebenermaßen auch einige Kelten auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands gewesen. In dieser Hinsicht hast du also natürlich recht.

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Jonnymur  19.10.2015, 19:02

@Eirene2007 Danke für den Stern!

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Vogtland740  24.12.2020, 19:48

Die Wahrheit ist vollkommen anders ! Als im Frankenreich die Heiden ab 700 christianisiert werden sollten, holten die germanischen Franken-Fürsten

irische und schottische Mönche ins Frankenland und das geschah überall auf dem heutigem westdeutschen Gebiet bis hinunter nach Kärnten in Österreich, weil fast die gesamte Bevölkerung nur diese, also die keltische Sprache verstand. Aber um das Jahr 1000 etwa wurde schon als Amtssprache im deutschen Frankenreich weitgehend das germanisch-Altdeutsch und Einbeziehung vieler keltischer Wirtschaftswörter gesprochen. Die Bevölkerung aber blieb keltisch und ist es bis heute. 45% der Deutschen haben keltische Gene und nur 25% der deutschen Frauen und lediglich 6% der deutschen Männer haben germanische Gene. Die Verherrlichung

der Germanen, die eigentlich meist nur die herrschenden Ritter ausmachten, ist vollkommener Quatsch. Denn die deutsche Kultur, das Handwerk, das Handelsgewerbe, die Landwirtschaft und vor allem auch die Erzgewinnung und das Mühlengewerbe stammen von den Kelten. Auch viele Slawen wurden regelrecht im Frankenreich angesiedelt oder noch wahrscheinlicher wurden die Slawen als Kriegsgefangene im Frankenreich in Knechtschaft genommen.

Fast das gesamte Ostdeutschland und die Oberfpalz wurden erst nach 1000

kolonisiert, christianisiert und eingedeutscht. Die Stadt Sulzbach war damals die Hauptstadt Neuböhmens.

Noch interessanten ist, das die polnische Bevölkerung zu 60% und die tschechische Bevölkerung zu 50% germanische Gene heute haben. Wer soll das noch alles verstehen. Jedenfalls der Germanenkult im deutsche Kaisertum und dem Hitlerreich war genaugenommen absolute Blödheit einer verblödeten Herrschaft, wie sie die Welt noch nie gesehen hat !

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Auf Englisch heißt es ja so, wie du ja auch schon geschrieben hast (Germany). :) Das Wort "Germania" stammt (vermutlich) eigentlich aus dem Lateinischen (dort wird unter anderem zwischen "Gallia" und "Germania" unterschieden). Die Eigenbezeichnungen der germanischen Völker war anders.

Das Wort "Deutsch" hat einen Zusammenhang mit "theod" (wie in "Theoderich", ein ostgermanischer Name) oder z.B. isländisch "þjóð" (wie in "Svíþjóð" = Schweden, auf Isländisch). Man kann dies z.B. mit "Nation" übersetzen (oder "Volk"). Damit bezeichneten also Germanen oft ihr eigenes Volk (später: die eigene Nation).

Im Grunde ist die Sache noch etwas komplexer (es ist nicht ganz sicher, ob "Germania" "Germanii" tatsächlich lateinischen Ursprungs ist, es werden auch andere Quellen diskutiert), aber es war eher so, dass es keine Selbstbezeichnung war. Also der Germane hat sich selber nicht so genannt.

Dagegen ist "Deutsch" ziemlich sicher ein germanischer Begriff (siehe auch oben die Bezüge zum Gotischen oder zum Isländischen). Daneben wurden zahlreiche andere Begriffe benutzt, um die eigene Stammeszugehörigkeit zu beschreiben, oft mit "sue-" "sui-": "Svea" war die Bezeichnung der Schweden (Sveakungen = der König der Schweden, siehe auch oben "Sví-þjóð"). Von den "Sui-ttes" wurde "Schwiiz" (Schweiz) abgeleitet. "Sue-bi" waren die Sueben (später daraus "Schwaben" abgeleitet). Usw.

Germanen gibt es nicht als Volksgruppe. Die Bezeichnung stammt von Poseidonios um 80 B.C., allerdings weis man nicht was oder wen er überhaupt meinte.

Verbreitet ist der Begriff "Germanien"  von Julius Cäsar, der alles was östlich des Rhein wohnte so bezeichnete. Germane bedeutet im lateinischen "der Echte Gallier" bzw. "der echte Kelte".

Die Menschen zwischen Rhein und Weichsel bezeichneten sich selbst nicht so. Es waren Allemannen, Cherusker, Sachsen, Goten usw. die gesamthaft als Germanen bezeichnet wurden. Es waren völlig unabhängige Volksgruppen, die nur durch die gemeinsame Sprache identifizierbar waren.

Eine politische Einigung begann mit der Varusschlacht und war erst durch die Unterwerfung der Sachsen durch Karl d. Gr. beendet. Hier kam auch der Begriff "Deutscher" auf, der jemanden bezeichnete der die Sprache des Volkes sprach. Ludwig, ein Enkel Karl d.Gr., konnte mit dem einfachen Volk sprechen, daher erhielt er den Beinamen Ludwig der Deutsche und bekam in der Erbteilung die östlichen Provinzen.

Wir stammen nicht wirklich von den "Germanen" ab.

Die "Germanen" gab es eigentlich gar nicht. Caesar hat viele Stämme unter dem Namen "Germanien" zusammengefasst, da ihm die vielen Stämme bedrohlich vorkamen, damit die Römer die "Stärke" der skandinavischen Stämme schätzen konnten.

-> Aus ihnen gingen später hauptsächlich die Wikinger und damit die späteren Nationen der Dänen, Schweden, Norweger und Isländer hervor.

LG :)

Die Franzosen stammen von den Galliern ab, das Land heißt aber Frankreich. Die Iren sprechen eine keltische Sprache und nennen ihre Insel doch nicht "Keltenland". Die Tschechen, Russen und Polen stammen von den Slawen ab, Slawland heißt aber keins von diesen Ländern und sowohl Slawonien als auch Slowenien und die Slowakei sind nur kleine slawische Länder bzw. Regionen. Namen von Völkern und Ländern entwickeln sich in der Geschichte weiter, genauso wie die Völker und Länder selbst.

"Germanen" war wohl ursprünglich der Name eines kleinen Stammes am Rhein. Von den Römern wurde er auf alle nichtkeltischen Barbaren östlich des Rheins übertragen. Nein, auch das stimmt nicht ganz. Die Goten und Wikinger (heute als Ostgermanen bzw. Nordgermanen bezeichnet) wurden in der Antike bzw. dem Mittelalter nie den Germanen zugerechnet.

Das Wort blieb aber jedenfalls eine Fremdbezeichnung durch die Römer. Ob germanische Stämme zuvor schon selber eine gemeinsame Bezeichnung hatten, ist fraglich. Ein germanisches "Volk" gab es ohnehin nicht. Es sind viele Völker und Stämme, die man zu den Germanen zählt. "Germania" blieb auch im Mittelalter der lateinische Name für die deutschsprachigen Länder. In den Nachbarländern nannte man die Deutschen dagegen Allemannen (nach dem südwestlichsten Stamm an der Grenze zum französischen und italienischen Sprachraum). Die Deutschen selber haben dann eine Sammelbezeichnung der südgermanischen Sprachen (thiudisk = volks(sprachig)) auf Volk und Land ausgeweitet, wodurch der Name Deutschland entstanden ist.

Auf englisch hat man Deutschland übrigens auch "Almain" genannt und erst später aus dem Lateinischen den antiken Begriff "Germany" wieder eingeführt.

Deutschland ist aber nur ein Land mit germanischen Wurzeln. Auch die Niederländer und die Belgier stammen von Germanen ab. Es wäre genausowenig sinnvoll, wenn die Niederländer ihr Land "Germanien" nennen würden. Oder die Österreicher. Also: mehrere Länder leiten sich oder ihre Hauptsprache von den Germanen her. Germanen im engen Sinne sind eine historische Völkergruppe. Die gibt es nicht mehr, sondern nur verschiedene Völker, die daraus hervorgegangen sind.

Außerdem stimmt es ohnehin nicht so allgemein, dass "die Deutschen" von den Germanen abstammen. In Westdeutschland haben viele romanische bzw. eher keltische Vorfahren (an der Mosel und im Südschwarzwald wurde noch im Frühmittelalter romanisch gesprochen!), in Ostdeutschland haben vermutlich alle Einheimischen sowohl deutsche als auch slawische Vorfahren (Slawen haben dort vor der deutschen Kolonisierung gewohnt). Von jüdischen Zuwanderern seit der Antike, französischen Flüchtlingen im 18. Jahrhundert, polnischen Bergarbeitern und italienischen Baufacharbeitern im 19. Jh. bis zu türkischen und jugoslawischen Gastarbeitern im 20. Jahrhundert ganz zu schweigen.

Interessant in diesem Zusammenhang:

Wikipediaartikel "Deutsch in anderen Sprachen" und "deutsch (Etymologie)"