Wieso gibt es Hunde-Rassen, Pferde-Rassen und Rassepferde, aber keine Menschen-Rassen?

6 Antworten

Von Experte Altersweise bestätigt

Weil es beim Menschen nun mal keine Rassen gibt. Wo es keine Rassen gibt, kann man naturgemäß keine Rassen unterteilen. Warum ist das so? Dafür müsste man erst einmal wissen, was eine Rasse überhaupt ist.

Als Rasse bezeichnet man in der Biologie eine Population einer Art, die durch eine eigene Abstammungs- bzw. Entwicklungsgeschichte (Phylogenie) von anderen Populationen derselben Art getrennt ist. Eigentlich ist der Rassebegriff in der Biologie wertungsfrei, es gibt also keine "primitiveren" oder "fortschrittlicheren" und erst recht keine "minderwertigen" oder "höherwertigen" Rassen, da ja alle Rassen von ihrem letzten gemeinsamen Vorfahren stets die gleiche Entwicklungszeit trennt. Weil der Rassebegriff von den Nazis (und anderen Rassehygienikern) aber missbräuchlich verwendet wurde, um ihre kruden Rassentheorien zu rechtfertigen, wird er heute nur noch auf Haustierrassen angewendet. In der Biologie hat sich als Synonym die Bezeichnung Unterart (Subspezies) etabliert.

Um eine Einteilung in verschiedene Unterarten (oder Rassen) vornehmen zu können, muss man folglich nachweisen können, dass eine Population eine eigene Phylogenie besitzt, sie sich also von anderen Populationen getrennt und von diesen unabhängig entwickelt hat. Man muss also nach Merkmalen suchen, mit denen die unabhängige Entwicklung belegt werden kann. Solche für eine Abstammungslinie typischen Merkmale nennen wir in der Biologie abgeleitete Merkmale oder Apomorphien. Apomorphien können einerseits anatomische oder morphologische Merkmale sein. Beim Tiger (Panthera tigris) unterscheidet man z. B. anhand unterschiedlicher Ausprägung des Streifenmusters bis zu neun verschiedene Unterarten (einschließlich der drei ausgerotteten Unterarten). Die Streifen des Amurtigers (Panthera tigris altaica) sind z. B. schmal und eher dunkelbraun, während sie bei Sumatratigern (Panthera tigris sumatrae) breiter und lackschwarz sind.

Der Dackel z. B. ist eine Hunderasse. Das heißt, dass Dackel schon lange getrennt von anderen Hunderassen gezüchtet werden. In der Regel wird ein Dackelzüchter einen Dackel mit einem anderen Dackel verpaaren, aber nicht z. B. mit einem Schäferhund oder einem Bernhardiner. Innerhalb des Haushundes bilder der Dackel somit eine eigene Abstammungsgemeinschaft, die sich morphologisch ganz klar von anderen Hunderassen unterscheidet, z. B. die extreme Kurzbeinigkeit. Selbst ein Laie, der sich mit der Zucht von Hunden nicht auskennt, wird einen Dackel auf den ersten Blick als solchen erkennen.

Und beim Menschen? Der Mensch ist zwar eine phänotypisch extrem variable Art. Man denke z. B. an die Vielzahl unterschiedlicher Farbtöne, die die Haut annehmen kann. Es gibt aber kein einziges Merkmal, das geeignet ist, um eindeutig verschiedene Menschenrassen von anderen abgrenzen zu können. Das liegt daran, weil es bei den Merkmalen zwischen den verschiedenen Populationen des Menschen keine klaren Grenzen gibt, sondern fließende Übergänge. Das ist ein bisschen so wie ein Schachbrett, bei dem die einzelnen schwarzen und weißen Felder nicht klar getrennt sind, sondern über unendlich viele graue Zwischentöne ineinander übergehen. Eine eindeutige Grenzziehung ist nicht möglich. Morphologisch kann der Mensch daher nicht in unterschiedliche Rassen getrennt werden.

Eine andere Möglichkeit verschiedene Unterarten bzw. Rassen abzugrenzen, besteht in der Suche nach apomorphen genetischen Merkmalen. Obwohl Menschen phänotypisch sehr unterschiedlich sind, ist die genetische Variabilität innerhalb unserer Art jedoch extrem klein: 99.9 % des Genoms zweier beliebiger Menschen sind völlig identisch, sogar dann, wenn sie von unterschiedlichen Kontinenten stammen. Zum Vergleich: bei Schimpansen, unseren engsten Verwandten, sind die genetischen Unterschiede schon bei Tieren aus der gleichen Gruppe größer. Zudem finden wir in menschlichen Populationen die größte genetische Variabilität nicht zwischen den Populationen, sondern innerhalb der Populationen. Wir können genetisch also ebenfalls keine verschiedenen Unterarten bzw. Rassen des Menschen unterscheiden. Ausnahmslos alle heute lebenden Menschen gehören derselben Unterart an, nämlich dem anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens sapiens), der vor etwa 315 000 Jahren in Afrika entstand.

Noch detailliertere Informationen findet man z. B. in der Jenaer Erklärung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
2desmond 
Fragesteller
 21.02.2023, 16:32
99.9 % des Genoms zweier beliebiger Menschen sind völlig identisch

Ist das bei Hunden und Pferden anders?

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JoshuasFragende  24.02.2023, 12:51
@2desmond

Die gleiche Frage habe ich mir auch gestellt. Bei Hunden liegt die genetische Variabilität zwischen verschiedenen Rassen bei etwa 28 %.

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Hast du dich schon einmal gefragt, warum es Tierrassen ausschließlich bei Haustieren gibt? Rasse ist hier ein anderes Wort für Zuchtline. Die gibt es beim Menschen (und auch bei Wildtieren) nicht. Der Begriff ist auf den Menschen nicht anzuwenden.

2desmond 
Fragesteller
 26.02.2023, 13:52

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Weil die Unterschiede, die Menschen aufgrund unterschiedlicher Umgebungsanpassungen aufweisen nicht gravierend genug sind, um eine so strenge Unterteilung, wie die der Rasse, zu rechtfertigen.

Die Rasse definiert sich hauptsächlich über genetische Unterschiede, die bei Menschen einfach nicht groß genug sind.

2desmond 
Fragesteller
 21.02.2023, 15:06

Sind die genetischen Unterschiede bei Hunden und Pferden denn groß genug, um da von Rassen zu sprechen?

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Wrantheim  21.02.2023, 15:46
@2desmond

Ja. Vor allem bei Hunden und Pferden (aufgrund von Züchtung) sind die Unterschiede groß genug.

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Theoretisch kann man auch den Menschen in Rassen unterteilen. Das Problem ist, dass die Abgrenzungen beim Menschen viel unschärfer sind als bei anderen Tieren und sich die Merkmalsausprägungen weniger stark unterscheiden. Da es schon seit Jahrtausenden rege Migrationsströme zwischen den verschiedenen Völkern auf der Erde gibt, sind nur sehr wenige Populationen völlig isoliert (zum Beispiel die Sentinelesen). Zumindest im deutschen Sprachraum ist der Begriff relativ veraltet und wird eigentlich nur auf gezielte Züchtungen angewendet (die es beim Menschen nun mal nicht gibt). Im englischen Sprachraum, gerade in Amerika, ist der Begriff allerdings noch durchaus geläufig und wird nicht nur von rechten verwendet.

Letztendlich ist der Versuch, Menschen in verschiedene Rassen einzuteilen, so, als würde man jeden Pigmentpunkt eines Gemäldes einer von 3 Primärfarben zuordnen wollen. Mache Punkte liegen ziemlich in der Nähe von rot, gelb oder blau und manchen sind so ziemlich dazwischen, aber keiner trifft den exakten Farbton einer Primärfarbe.

Woher ich das weiß:Hobby – Philosophie war eines meiner Abiturfächer.