Wie unterscheiden sich Schein- von "normalen" Grundkräften der Physik?
Guten Tag, Könnte mir jemand verraten wo genau da der Unterscheid ist? Habe selbst schon recherchiert, sehe da aber Überlappung.
Wie "Beispiele sind die Coriolis-Kraft und die Zentrifugalkraft in rotierenden Systemen und die Kräfte, die auf die Passagiere eines auf gerader Strecke beschleunigenden oder bremsenden Fahrzeuges wirken. In diesem Bespiel existieren die Scheinkräfte nur im Bezugssystem des Fahrzeuges, ein außenstehender Beobachter kann sie nicht wahrnehmen." ©Spektrum.de
Ein Außenstehender kann sie nicht wahrnehmen, aber das gilt auch für Magnetismus Gedankenspiele. Also zum Bsp. ein Raum vollkommen ausgestattet mit Magneten und magnetischen Objekten, Magnetismus lässt sich ja abschirmen also kann wenn man will nicht nach außerhalb des Raumes wirken. Sprich nicht wahrnehmbar, handelt es sich hierbei um eine Scheinkraft?
Oder in einem Bus wenn dieser plötzlich eine Notbremsung macht, wieso ist die Fliekraft dann eine Scheinkraft, sie ist doch genauso gegenwärtig wie Gravitation, Magnetismus oder elektromagnetische Phänomene, jene welche, wenn man wollte, auch ohne Probleme einem Ausenstehendem enthalten könnte, nicht?
"Kraft ist ein grundlegender Begriff in der Physik. In der klassischen Physik versteht man darunter eine Einwirkung, die einen festgehaltenen Körper verformen und einen beweglichen Körper beschleunigen kann. Kräfte sind zum Beispiel erforderlich, um Arbeit zu verrichten, wobei sich die Energie eines Körpers oder eines physikalischen Systems ändert. Die Kraft ist eine gerichtete physikalische Größe, die durch einen Vektor dargestellt werden kann." ©Wikipedia
All das trifft doch auch auf "Scheinkräfte zu" Danke für alle Antworten
4 Antworten
Dass sich eine Kraft abschirmen lässt, ist gerade kein Kriterium für eine Scheinkraft, man spricht übrigens auch, vielleicht besser, von Trägheitskraft.
Das Wort „Bezugssystem“ wird gern missverstanden, als sei es eine Art Box, innerhalb oder außerhalb derer man sich befinden könnte. Komplette Fehlinterpretation.
Mit einem Bezugssystem ist ein Koordinatensystem gemeint, das als ruhend gedacht ist. Nehmen wir einen mit der Geschwindigkeit |v› fahrenden Zug: Nicht dieser ist das Bezugssystem, sondern ein Koordinatensystem Σ, in dem der Zug ruht, wobei dies eine höchst aktive Ruhe sein kann, ähnlich der auf einem Laufband. Wenn Du neben dem Zug her fährst, bist Du in Σ in Ruhe wie der Zug. Stehst Du am Bahnsteig (wo der Zug durchfährt), bist Du nicht etwa außerhalb von Σ, sondern bewegst Dich in Σ mit −|v›.
Fungiert als Bezugssystem in irgendeiner Situation ein Nichtinertialsystem Σ*, d.h. ein mit |a› beschleunigtes Koordinatensystem, so wird darin alles beschleunigt, was nicht niet- und nagelfest ist, weil es ja das Bestreben hat, seinen ursprünglichen Bewegungszustand (in einem Inertialsystem) beizubehalten, es macht also die Beschleunigung relativ zu Σ* nicht einfach mit. Diese Beschleunigung ist für jeden Körper unabhängig von dessen Masse m gleich, nämlich −|a›, und die Kraft, die eine Unterlage (etwa ein Sitz in einem mit |a› beschleunigten Wagen) ausüben muss, um ihn relativ zu Σ* in Ruhe zu halten, also mitzubeschleunigen, ist m⋅|a›.
Der Körper übt auf diese Unterlage die Trägheitskraft −m|a› aus.
Trägheitskräfte sind also proportional zur Masse - wie die Gewichtskraft oder die Gravitationskraft. Diese Erkenntnis brachte Einstein auf die Idee, im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie die Gravitation zu geometrisieren.
Ergänzung: Damit, dass ein außenstehender Beobachter eine Trägheitskraft nicht - als solche wahrnimmt, ist zweifellos gemeint, dass er höchstwahrscheinlich nicht auf die Idee kommen wird, das beschleunigte Fahrzeug als ein ruhendes zu betrachten, d.h., ein mit dem Fahrzeug verbundenes Koordinatensystem als Bezugssystem zu benutzen.
Theoretisch könnte er es, aber naheliegend ist es eher für jemanden, der im Fahrzeug sitzt.
Dabei neigt man jedoch als Insasse zu der inkonsequenten Denkweise, gleichzeitig zwei verschiedene Koordinatensysteme als Bezugssysteme zu verwenden: Was sich im Fahrzeug abspielt, wird auf das Fahrzeug und das mitbewegte Koordinatensystem bezogen, das Verhalten des Fahrzeugs jedoch auf den Erdboden bzw. ein mit ihm verbundenes Koordinatensystem.
Danke für den Stern. Es ist immer schön, wenn jemand eine sorgfältig ausgearbeitete Antwort zu schätzen weiß. 😊
Beobachtet man eine beliebige Bewegung (v, a) im beschleunigten System S', dessen Ursprung sich gegenüber einem unbeschleunigten (Inertialsystem) S mit V bewegt, so folgt zunächst einmal rein kinematisch:
v = V + v'
a = dv/dt = dV/dt + dv'/dt = A + a'
Wenn du (m) selbst im Auto (S') sitzt und gegenüber der Straße (S) beschleunigst, so kannst du den Vorgang von S aus betrachten: Hier erfährst du durch den Sitz eine Kraft F, die dich bezüglich S schneller macht, also
F = ma
Nun beschreiben wir den Vorgang aus der Sicht von S' (also des Autos): auch hier erfährt dein Rücken eine Kraft F, diese ist gleich wie vorher. Nur kann jetzt nicht mehr
F = ma'
gelten, da ja a'=0 !
Ersetzen wir a durch a' (siehe oben), bekommt man aber
F = ma = mA + ma'
Da du selbst in S' nicht beschleunigst, ist a'=0, also bleibt
F - mA = ma' = 0
-m*A ist also die Gegenkraft, die man benötigt, um das dynamische Grundgesetz
ΣF = ma
auch in S' anwenden zu können.
Der Term -m*A wird als Trägheitskraft (bzw. Scheinkraft) bezeichnet.
Wenn auch Rotationen ins Spiel kommen, sind sie obigen Zusammenhänge zwischen v und v' bzw. zwischen a und a' komplizierter und vor allem von der Winkelbeschleunigung ω abhängig. Dadurch kommen nach der Transformation von S auf S' zusätzliche Scheinkräfte ins Spiel (Zentrifugal- und Coriolisbeschleunigung) ins Rennen.
Wie Du schon selbst beschrieben hast, sind Scheinkräfte nur im beschleunigten Bezugssystem spürbar. Es handelt sich dabei um Trägheitskräfte.
Um die Kreisbewegung zu erklären, benötigt man lediglich die nach innen gerichtete Zentripetalkraft. Wirkt diese nicht mehr, bewegt sich der Körper geradeaus weiter. Der rotierende Beobachter spürt die Gegenkraft zur Zentripetalkraft, z.B. die Kraft, die er auf den Sitz ausübt.
Wenn ein Körper beschleunigt wird, muss auf ihn eine Kraft ausgeübt werden. Dabei übt der Körper immer die gleiche entgegengerichtete Kraft auf den ihn beschleunigenden Körper aus.
Bei der Volbremsung im Bus wirst Du nach vorne geschleudert - also wirkt scheinbar eine Kraft auf Dich, die Dich nach vorne beschleunigt (vom Bezugssystem Bus aus betrachtet).
Die Ursache dafür ist aber die Trägheit Deines Körpers. Von außen betrachtet würde man argumentieren, der Bus wird abgebremst, und Du bewegst Dich aufgrund Deiner Trägheit gleichförmig weiter - dafür ist keine Kraft notwendig.
Im Magnetfeld wirken nur Kräfte auf andere Magnete, ferromagnetische Körper sowie bewegt Ladungen. Dass die magnetische Kraft nicht auf uns wirkt oder die Tatsache, dass man sie abschirmen kann, hat nichts damit zu tun, dass die Kraft nicht real wäre. Entweder es wirkt eine Kraft oder eben nicht.
Zum Abbremsen des Busses muss natürlich eine Kraft aufgebracht werden. Das ist bei jeder Beschleunigung der Fall.
Stell Dir vor, Du befindest Dich am hinteren Ende auf der Ladefläche eines Lasters. Mitten auf der Ladefläche liegt ein nicht gesicherter Eisklotz.
Wenn der Laster anfährt, siehst Du den Eisklotz auf Dich zukommen. Er wird zu Dir beschleunigt, also würdest Du annehmen, dass es eine Kraft geben muss, die ihn beschleunigt.
Von außen betrachtet (z.B. von einer Brücke, von der Du auf die Ladefläche schaust) erkennt man jedoch, dass der Eisklotz seinen Ort nicht ändert, sondern aufgrund seiner Trägheit in Ruhe bleibt - nur der Laster wird mit Dir zusammen (aufgrund der Reibung oder weil Du Dich festhältst) beschleunigt. Auf den Eisklotz wirkt also keine Kraft, wenn die Reibung vernachlässigbar ist.
Wenn Du den Eisklotz festhalten musst, wirst Du spüren, dass die Kraft, die der Eisklotz ausübt, für Dich real ist. Von außen betrachtet stellt sich die Sache jedoch anders dar, nämlich, dass Du versuchst, den Eisklotz zu beschleunigen, was aufgrund der Trägheit des Eisklotzes jedoch schwierig ist.
Ich bevorzuge den Begriff "Trägheitskraft" statt "Scheinkraft", eben weil diese Kräfte in beschleunigten Bezugssystemen tatsächlich nachweisbar sind.
Die anderen Kräfte sind auch in inertialen Bezugssystemen vorhanden und treten als Kräftepaar auf. (Im Sinne von actio = reactio.) Sie lassen sich nicht durch Wechsel des Bezugssystems "wegtransformieren". (Hier wäre eigentlich eine nähere Untersuchung nötig, wenn eine der beiden Kräfte durch Übergang in ein beschleunigtes Bezugssystem "wegtransformiert" wird.)
"außenstehend" bezieht sich hier nicht auf "außerhalb eines räumlich begrenzten Bereichs", sondern "unbeeinflusst von allen Beschleunigungen", also ortsfest gegenüber einem Inertialsystem.
(Nebenbemerkung zum nach außen abgeschirmten und trotzdem von außen wahrnehmbaren Magnetfeld: https://de.wikipedia.org/wiki/Aharonov-Bohm-Effekt )
Verstehe, also Scheinkraft ist eine die keine eigentliche Kraft benötigt zur Umsetzung.
Will ich einen Gegenstand von Ort A nach B bringen, muss ich ihn zum Beispiel mit einem Seil dort hin befördern, für welches ich Kraft brauche. Oder mithilfe eines Magneten.
Bei der Fliehkraft könnte man meinen vielmehr das Gegenteil, eine Beendigung den Kraft wird benötigt, aber anderer Seits, ist auch eine Kraft nötig die den Bus zum Stillstand bringen muss, welche dann auch die Fliehkraft auslöst. Die Kraft die durch die Bremsen ausgelöst werden muss. Indirekt aber hängt trotzdem mit der Fliehkraft zusammen¿