Wie soll man darauf reagieren?
Meine Oma ist dement. Kaum haben wir zum Beispiel ihr Wohnzimmer verlassen, schimpft sie rum, dass wir alle verlogen und falsche Schlangen seien.
Soll man das ignorieren oder ernst nehmen?
12 Antworten
Das ist natürlich für Angehörige sehr schwierig und tut einem auch weh. Wenn zum Beispiel die eigene Mutter einem nicht mehr kennt.
Man muss da einfach geduldig bleiben, denn die demente Person kann sich wirklich nicht erinnern. Und da kann es eben dann sein, dass sie das, kaum hat man den Raum verlassen, schon wieder nicht mehr weiss, wer da war.
Da kann es dann sein, dass sie denkt, ihr wärt fremde Leute, die sie belügen. Ihre Verwirrtheit ist zu gross.
Es gibt Demente, die sind ganz lieb und freundlich. Andere wieder sind ständig gereizt und beschimpfen alle und meinen von allen Leuten hintergangen zu werden. Das ist dann natürlich für alle begleitenden Personen viel schwieriger, wenn ein Patient bösartig wird.
Meine Grossmutter war ganz lieb, nur hat sie nach fünf Minuten wieder alles vergessen, was natürlich anstrengend und kräfteraubend ist.
Google mal zwei Konzepte: Validation nach Feye und gewaltfreie Kommunikation.
Bei der Validation, die direkt für Demenzkranke entwickelt wurde, spricht man im Prinzip, zumindest, während man das Konzept anwendet, über gar nichts Neues mit der Person, sondern formuliert ihre Handlungen und Aussagen um, wirft sie zurück, bestärkt die Person darin.
Es gibt da bei Youtube ein paar Videos, die das Konzept erläutern. Man würde z.B. jemandem, der alles ausräumt oder "sortiert" sagen, dass er fleißig ist, aufräumen möchte, ordentlich ist, sich gut mit (den Sachen, die er sortiert und die er tatsächlich früher kannte) auskennt usw. Man würde nicht sagen "warum hast du denn hier alles ausgeräumt?! Jetzt muss ich alles wieder aufräumen!".
Bei der gewaltfreien Kommunikation empfehle ich Kathy Weber:
https://www.youtube.com/c/KathyWeberHerzenssache
Die hat zwar mMn jede Menge zweifelhafte Clickbaitvideos über Kindererziehung, aber diese Gesprächstechniken, die sie da präsentiert - bei ihr unter "Girolftanz" zu finden, das Wort soll bedeuten "Giraffen- (freundliche) vs. Wolfs- (unfreundliche)-Kommunikation)" - zeigen sehr schön das Spiegeln der Gefühle. Man "unterstellt" dem Betroffenen quasi Gefühle und äußert diese dann "du bist ziemlich wütend" (bei ihr immer ohne "oder", einfach als "fragende Aussage") und tastet sich dann immer weiter vor, bis man richtig liegt. Ziel ist bei ihr, dass der Betroffene, in ihrem Fall das Kind, sehr oft "ja" sagt und damit den Gespärchspartner als positiv wahrnimmt und sich verstanden fühlt. Am Ende versucht sie dann, das Gespräch so umzulenken, dass trotzdem das Ziel des Erwachsenen erreicht wird (also Kind will sich nicht anziehen, Erwachsener sagt "du möchtest noch weiter spielen?" - "Ja!" - dann nickt der Erwachsene das nicht ab und sagt "gut, dann gehen wir halt nicht los!", sondern redet so lange weiter, bis man einen Kompromiss gefunden hat oder das Kind freiwillig mit raus geht (jetzt noch 5 min spielen und dann losgehen, draußen weiterspielen etc.).
Beim Demenzkranken geht das natürlich nicht, aber man könnte die Anfangsstrategie nehmen, so dass er oft zustimmt, und dann versuchen, einen Kompromiss zu finden, der ihm behagt, aber euch auch entlastet.
Also bspw. "du bist wütend, wenn wir weggehen?" - "Ja." - "Du möchtest noch weiter mit uns sprechen?" - "Ja." - Gut, wir sind kurz im Nebenraum, die Tür ist auf, du kannst uns hören und mit uns sprechen!" Beim Demenzkranken dürfte man das in kleinen Schritten verdeutlichen müssen und vermutlich auch längere Zeit üben, bis es gut klappt.
Auf der anderen Seite gibt es Demenzkranke, die vor sich hin schimpfen "müssen". Im Pflegeheim, in dem ein Verwandter von mir war, war ein Zimmer, das relativ isoliert war (Büro nebenan und sonst kein Nachbarzimmer) für eine Frau vorbehalten, die immer die Tür offen hatte und immer vor sich hin schimpfte, also einfach Schimpfwörter vor sich hin sagte, oft auch rassistische Wörter. Trotzdem hatte sie viele Freundinnen im Heim, die sie oft besuchten und mir ihr redeten und das Schimpfen total ignorierten und obwohl sich einige Bewohner von der reinen Lautstärke (sie schrie oft aus voller Kehle) gestört fühlten, fühlte sich wohl keiner persönlich angegriffen.
Wenn das bei deiner Oma so ist, würde ich (lernen) das (zu) ignorieren. Ja, das schafft man, es dauert aber ein bisschen. Man nimmt es dann nicht persönlich.
Überlegt euch Alternativen, Kompromisse. Könntet ihr der Oma etwas von euch geben, ein Stofftier, einen Schal, etwas, das sie mit euch verbindet, und ihr das in die Hand drücken, wenn ihr raus geht: "Wir gehen jetzt kurz in die Küche, hier ist ..., damit sind wir immer bei dir!" Davor sollte sie den Gegenstand kennen und oft in eurer Gegenwart gehalten haben.
Warum nicht einfach raus gehen und ignorieren mMn?
Sie drückt ja aus, dass es ihr schlecht geht, dass sie sich verunsichert, alleingelassen fühlt. Das sollte man mMn schon ernstnehmen und ihr nicht zeigen "Pech gehabt, ja, wir lassen dich alleine!"
Ich weiß nicht, wie viel Demenzkranke noch verstehen/ lernen können. Ob man mit vielen Wiederholungen z.B. ihr verdeutlichen kann, dass man wiederkommt, ob man eine Küchenuhr aufstellt und sagt, wenn die klingelt, sind wir wieder da oder ob man ein Foto von jemandem aufstellt und sagt, wenn die Küchenuhr klingelt, kommt derjenige zu dir etc.
Es gibt verschiedene "Spielzeuge" für Demenzkranke. Z.B. gibt es so einen Ball (google das mal, der hat einen bestimmten Namen), den man in die Hand nimmt und der unterschiedliche Geräusche macht, wenn man ihn bewegt. Man kann auch diese Geräusche extra aufnehmen, z.B. Lieblingslieder oder -gedichte oder anderes.
Dann gibt es "Wühlkisten", also Kästen mit Gegenständen aus der Vergangenheit des Betroffenen, die er erkunden kann, um Dinge zu finden, mit denen er etwas anfangen kann. Allerdings wird so etwas oft genommen, damit derjenige mit einem anderen (Pfleger etc.) interagiert.
Meine Oma (nicht dement) hat im Alter gern beim Wäschefalten geholfen. So etwas macht man manchmal in Pflegeheimen - da helfen, auch und gerade Demenzkranke, beim Kochen, Handtuchzusammenlegen, Blumengießen - hier geht es wohl vornehmlich um Frauen - um etwas zu tun, das sie kennen, das ihnen einen Sinn gibt. Überlegt mal, ob es so einfache Tätigkeiten gibt, die deine Oma auch problemlos und gefahrlos machen könnte.
Google mal, wie ihr ihr das Gefühl der Sicherheit und der Selbstständigkeit bzw. Kompetenz geben könnt. Demenz(verhalten) wird m-W. schlimmer, wenn der Betroffene das Gefühl hat, ständig um einen Wert als Mensch kämpfen zu müssen, wenn er also ständig hört "das hast du schon gesagt", "warum weißt du das nicht?!", "lass das!", "Oh Mann, schon wieder!", "du kannst das nicht!", "das stimmt nicht!" usw.
Versucht, das zu vermeiden und stattdessen ihr das Gefühl zu geben, noch geschätzt und gebraucht zu werden, durch ganz einfache Tätigkeiten.
Musik soll wie gesagt ein großer Faktor sein. Lieblingslieder spielen und gemeinsam singen, evtl. auch dazu klatschen (motorische Tätigkeit) und "tanzen".
Googelt mal nach Übergängen für Demenzkranke: Was soll man tun, bevor man das WZ verlässt? Also nicht "gut, wir waren jetzt 2 Stunden da, jetzt gehen wir!" sondern: Wie bereitet man das vor, so dass sie sich eben nicht allein gelassen fühlt?
Ich weiß, dass das frustrierend sein kann! Meine andere Oma hatte vermutlich keine Demenz, aber evtl. Ansätze dazu, jedenfalls konnte die sich absolut nicht alleine beschäftigen und lief meiner Mutter immer bei allem hinterher. Sie konnte sehr gut Klavier spielen, also holten wir ein Keyboard, ließen sie spielen, das tat sie auch 5 min begeistert, wir sagten dann "gut, dann kannst du ja noch etwas spielen" und wollten den Raum verlassen - da hörte sie auf, sie wäre jetzt fertig. Weil sie sich nicht alleine beschäftigen konnte. Bei ihr war der Grund wohl, dass sie 15 Jahre alleine gelebt und sich immer mehr sozial isoliert hatte und jetzt nach Gesellschaft lächzte, 24/7, auch bedingt durch viele Ängste. Im Nachhinein denke ich, dass es möglich gewesen wäre, ihr nach und nach Aufgaben zu geben, die sie gern machte und sich dann ganz langsam zurückzuziehen - mal für 30 sek, mal für eine Minute, später immer länger, mit Rückmeldung - "ich bin im Arbeitszimmer!" etc. Bei ihr war es so, dass ich nach der Schule nach Hause kam und dann 3 Stunden in ihrem Zimmer saß und ihre Geschichten hörte, mich dann zurückziehen wollte und sie sofort hinterher kam und mich nur in Ruhe ließ, wenn ich sagte, dass ich Hausaufgaben machen musste.
Also, so etwas kann man auch suchen: Sätze, die dann akzeptiert werden.
Ihr Standardsatz war immer "Die Oma ist lästig", was, ja, bedingt durch ihr Klettenverhalten auch stimmte, aber natürlich dazu führte, dass man sich immer zusammenriss, um ihr zu beweisen, dass es nicht so war.
Wir hätten die Möglichkeit gehabt, die "Betreuung" auf mehrere Familienmitglieder zu verteilen, also jedem eine Zeit zuzuweisen, in der er sich mit ihr beschäftigt, aber auf die Idee kamen wir nicht.
Ich würde auf jeden Fall nach den Stichworten Routinen und Übergängen suchen und eben auch danach, wie man langsame Übergänge von Zusammensein zu Alleinesein vorbereitet und was man der Person dann konkret als "Aufgabe" gibt, wenn sie allein ist, damit sie nicht einfach nur dasitzt und wartet, dass jemand zurück kommt.
Wie gesagt, meine nichtdemente Oma hat Gästehandtücher gefaltet. Vielleicht könnte man so etwas machen: Gemeinsam anfangen und, wenn sie das sehr gut kann, mal rausgehen, sie loben, sagen, was für eine Hilfe sie ist und dann immer länger mal rausgehen.
Wenn sie tatsächlich dement ist, sollte man das nicht auf die Goldwaage legen, sondern mit Humor reagieren, z.B. "Danke für die Blumen" oder "Möbel sind sächlich, nicht weiblich".
Ignoriert es lieber sie ist nicht im allerbesten Zustand mit Demenz und meint es sicher auch nicht so
Ignorieren
Ich glauben, den letzten Satz würden viele Demenzkranke schlicht inhaltlich nicht verstehen. Der Bezug zu ihrem Verhalten würde komplett an ihnen vorbeigehen.