Wie können wir unsere eigenen Gedanken 'hören' wenn wir sie doch eigentlich gar nicht hören?

4 Antworten

Liebe Miss,

ein Philosophieprofessor würde dich für diese Frage lieben. Schon seit vielen hundert Jahren stellen sich gescheite Leute (wie du) diese Fragen.

Wir "hören" unsere Gedanken nicht (das Ohr ist nicht beteiligt), sondern wir nehmen sie wahr. Allerdings sind sie in der Art der Formulierung unserem Reden sehr ähnlich.

Was du beschreibst ist die Fähigkeit des Menschen, über sich selbst nachzudenken (Fachausdruck: u.a. Selbstreflexion). Manche Philosophen waren der Meinung, dass diese Fähigkeit uns am meisten von den Tieren unterscheidet. Der Philosoph Kiergegaard definierte daher den Menschen als "ein Selbst, das sich zu sich selbst verhält".

Wenn du gesund bist, dann grüble in diese Richtung fleißig weiter. Vielleicht magst du auch einmal ein Buch über solche Dinge lesen. Es gibt für alle Altersstufen (auch Jugendliche) Einführungen in die Philosophie. Ist echt spannend. Einen Fachartikel zu diesem Thema findest du unter http://de.wikipedia.org/wiki/Autoreflexivit%C3%A4t ; ist aber eher anspruchsvoll zu lesen.

Welche Gehirnareale an dem Vorgang beteiligt sind, soll dir ein Neurophysiologe beantworten.

Mach weiter so!

Michele

RoSiebzig  08.10.2013, 21:33

Wir "hören" unsere Gedanken nicht (das Ohr ist nicht beteiligt), sondern wir nehmen sie wahr.

Auch Gehörtes, gehörten Text, muß das Hirn erst in Gedanken umwandeln. Das Ohr ist da erstmal nur Mittler. Und das Hirn muß auch noch Töne und gesprochene Sprache filtern, bevor es aus Gesprochenem gedachten Text macht und aus Musik °textfremde Wahrnehmung°. Lesen ist so ein Zwischending .. Fremde Gedanken - übers Auge wahrgenommen - werden wie (ähnlich, wie eigene °Textgedanken°) Gedanken 'gehört' quasi.

Was MissCantucini mit "Gedanken 'hören' " meint, könnte demnach an gleicher Stelle im Hirn verarbeitetes, richtig (von außen) Gehörtes und (Inneres) im Kopf Gehörtes sein.

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Ja .. Faszination Denken, Wahrnehmung, Abbild von Welt. Hoimar von Ditfurth nennt es den inneren Vorstellungsraum (wenn es nicht von ihm schon zitiert ist). Irgendwann schon früh in der Evolution des Lebens entstanden. Und völlig folgerichtig im nachhinein betrachtet, .. wie hätte Leben sonst bestehen können auf Dauer, ohne ein brauchbares Abbild der Außenwelt. Ebenso früh mußte auch schon eine Verarbeitung solcher Wahrnehmung geschehen .. "Wenn es da heller ist, schwimm ich da hin." und sei es nur als (Nerven-)Reflex oder 'Instinkt'. Je deutlicher die Wahrnehmungen und der Horizont der Lebewesen wurde, desto mehr Zusammenhänge gab es in der Welt zu erkennen. Wo reiner 'Instinkt', reflexhaftes Reagieren, automatisches Handeln - ohne Notwendigkeit irgendwas entscheiden, abwägen, voraussehen zu können aufhört, und diese Fähigkeit anfängt, ein Bewußtsein mehrerer sich vorgestellter Möglichkeiten, verschiedener Verläufe, je nach Entscheidung, so oder anders zu handeln, willentlich .. ist sehr schwer zu erforschen. Ob eine Schlange beim Anblick einer Beute "hin-beißen-essen" denkt oder nur macht und nur wenn sie Hunger hat oder ob sie abwägt "ist zu klein für diesen Hunger - wenn ich mich jetzt bewege, kann die Maus abhauen, muß näher ranschleichen - hierhin, dann kann sie in die Felsspalte abhauen, dahin, dann dräng ich sie in die Ecke" .. mit oder ohne Ich-Bewußtsein? Immerhin kann ein Spiegeltest (mit heimlich angebrachtem Fleck auf der Stirn) Aufschluß geben, ob ein Tier oder Menschenkind schon in der Lage ist, sein eigenes Abbild im Spiegel als "selbst, und kein anderes Tier / Kind" zu deuten.

Wie diese inneren Bilder, Töne, Texte, Stimmungen, Gefühle, Erinnerungen, genau funktionieren, wie das alles gespeichert und abrufbar wird (zB auch im Traum) und bleibt, weiß man glaub bis heute nicht genau, aber es gibt da Vieles zu entdecken, Hirnforschung, Verhaltensforschung, Erforschung der vielen Sinne, Evolutionsgeschichte, Experimente, .. man kann sich dann ein Bild machen (noch eins ;o]) ).

So seh ich es .. evolutionsgeschichtlich, seit der Entstehung erster Wahrnehmung, gewachsene, aus Sinneseindrücken vom Hirn zu Bildern, Tönen, Getasteten Formen und Strukturen, verarbeitete und organisierte, innere Abbilder der Außenwelt. Es wird weniger mysteriös, aber nicht weniger faszinierend, daß es so gekommen ist.

RoSiebzig  08.10.2013, 22:59

Noch ein Aspekt: Sinnestäuschungen - wo wir offenbar falsch wahrnehmen - entlarven, wie unser Hirn gewohnte Sichtweisen hat, wenn es Sinneswahrnehmungen erst zu Bildern, Tönen usw verarbeitet. Sie je nach Situation, Kontext, verschieden (!) verarbeitet (zB dieselben Linien, uns mal als gerade, mal als gebogen liefert; einen selben Ton mal als gleich, mal als unterschiedlich, je nach Melodie). Das zeigt, wie eng objektive (meßbare) Wirklichkeit, deren Wahrnehmung über die Sinne, die Verarbeitung im Gehirn und schließlich unser Bild davon, zusammenhängen und voneinander abhängen alle miteinander.

Wenn wir also "Gedanken hören im Kopf", dann sind das abgerufene Mosaiksteinchen von gespeicherter Wirklichkeit aus unserem (Wort-, Sprach- und) Erfahrungsschatz, dann entweder zweckgerichtet oder stimmungsabhängig oder einfach nur so, weil wir denkende Wesen sind, abgerufen in (neuen oder bekannten) Zusammenhängen. Diese Gedanken kommen ja nicht aus dem Nichts, sie schöpfen aus den bekannten Möglichkeiten.

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Ist ne Gewohnheit, weil man die Kommunikation in tönen, und sprachen erlernt hat.

Hallo MissCantuccini.

Meiner Meinung nach muss man hierauf in zwei Teilen antworten. Auf der einen Seite die Sinne und auf der anderen das Denken.


Einen inneren Dialog kannst du bei einem Bruchteil deiner Gedanken beobachten. Eigentlich denkt dein Gehirn nur in "Symbolen". Damit meine ich aber nicht etwa bildliche Symbole, sondern vielmehr Muster von Informationen und deren Zusammenhang. Der Zusammenhang ist sehr wichtig. Als Beispiel nimm das "+"-Symbol. Auf einem Taschenrechner stellst du den Zusammenhang mit Mathe her. Siehst du ein "+" auf einem Krankenwagen, dann wohl eher mit Rettungsdiensten. Im Gehirn sind diese Muster jedoch deutlich komplexer.

Deshalb wäre es nicht sehr effizient, wenn der Mensch in Wörtern denken würde. Da wir im Normalfall aber durch Worte kommunizieren kommt es dennoch vor, dass wir eine innere "Stimme" wahrnehmen. Die Frage, wie das funktioniert ist an sich sehr simpel zu erklären. Du "hörst" ja keine Stimmen von anderen Menschen. Da ich den "Vorteil" habe einen sehr schwachen Reizfilter zu haben, kann ich dir sehr sicher sagen, dass dein Gehirn etwa 70-80% aller Schallwellen gar nicht zu deiner bewussten Wahrnehmung durchdringen lässt. Das bei allen Sinneseindrücken so. Ein Bauer, der ständig auf seinem Hof arbeitet, nimmt den Geruch gar nicht mehr wahr, da das Gehirn es unterdrückt. Ich weiß nicht, wie deine Fähigkeiten in der Visualisierung sind, aber ich kann mir auch sehr real Gedanken als "Overlay" über die Welt legen. Als Beispiel, wenn ich mir vorstelle, wie der Wind sich durch Blätter bewegt, dann visualisiere ich Strömungspfeile in die Blätter hinein. Solltest du auch schon einmal in den Genuss von echten Halluzinationen gekommen sein, dann wird dir auch klar, dass es egal ist, ob du einen Ton denkst, eine Farbe siehst oder einbildest, denn dein Gehirn zeigt dir einfach nicht die realität, sondern eine Art von virtueller Realität. So wie ein Sonar im Uboot durch Schall ein Bild erzeugt. Oder Röntgen. Oder Magnetresonanz. Oder Infrarot. Oder ...

Es funktioniert aber auch andersherum. Ich habe einen Freund, den ich seit 15 Jahren kenne und etwa 300 Tage im Jahr mit ihm meine Kindheit und Jugend erlebt habe. Wir können uns auch durch Grunzlaute oder Wortfetzen und Blicke unterhalten. Wir haben eine wortlose Kommunikation entwickelt, die sogar so gut funktioniert, dass wir durch Mikroexpressionen "Gedanken austauschen" können. Das haben wir gerne gemacht, wenn wir Leute etwas auf den Arm genommen haben um das Gespräch abzustimmen. Dementsprechend ist Sprache nur eine "Soziale Grundlage" aber nicht nötig um zu kommunizieren.

Um nun den Bogen zu der "inneren Stimme" zu machen. Wenn du deine Vorstellungen in Worte fasst, dann liegt das nur daran, dass du es so trainiert hast. Die Wahrnehmung der Stimme beruht auf dieser Konditionierung. Ob du innerlich oder äußerlich etwas hörst macht für dein Gehirn keinen Unterschied. Deine eigene Stimme hörst du dabei übrigens sicherlich nicht. Du wirst das von Aufnahmen kennen. Es ist einfach nur "deine Wahrnehmung" von deiner Stimme, aber nicht real deine eigene Stimme.


Woher weiß unser Gehirn was wir denken und mit was für Signalen wird es an unser Gehirn weitergeleitet? Ich finde es so faszinierend, dass wir Menschen diese Gabe überhaupt haben... wenn man mal überlegt, dass wir nur aus ein paar Zellen stammen... und diese wiederum uns befähigen zu Denken, Vorstellungen von etw zu machen...

Dein Gehirn weiß gar nichts. Es ist nur eine Auswertungsmaschine. Dabei würde es auch keinen Unterschied machen, ob du dir ein Kabel in den Kopf steckst, das Gehirn raus nimmst und eine Hochhaus große Dampfmaschine mit einem gleichen Aufbau an das Kabel anschließt.

Das was du als "Denken" wahrnimmst ist dabei auch nur eine Darstellung. Genau so wie Töne kein surreales "Etwas" sind, sondern einfach die Bewegung von Teilchen in der Luft. Im Weltraum würdest du deshalb auch einfach gar nichts hören. Soll heißen, dass die Gedanken nicht das sind, was im Gehirn vor sich geht, sondern eine Übersetzung in irgend eine Art von Darstellung, die du verstehen kannst. Das kann sogar so weit gehen, dass du körperlich Krank wirst, weil es dir schlecht geht. Oder du spürst keine Schmerzen, weil du geschockt bist. Du kannst trotz Erschöpfung noch 3 KM rennen, weil ein Löwe hinter dir her ist... USW.

Auch wenn es ohne Frage sehr faszinierend ist, dass das alles aus Zellen entsteht, so ist es dennoch keine große Kunst. Die Masse sorgt für die Komplexität, doch "eigentlich" ist das alles recht einfach aufgebaut. Ein Auto kann auch sehr vieles, doch die einzelnen Teile sind für sich genommen dann doch nicht so spektakulär.

Falls du noch mehr dazu wissen willst schreib einfach nen Kommentar ;-)