Wie ist die korrekte Verbstellung im Nebensatz (Futur II)?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Dein Sprachgefühl trügt Dich nicht. Allerdings steht der Satz im Futur I.

Bei einem Vollverb heißt es:

  1. Er muss. (Präsens)
  2. Er hat gemusst. (Perfekt)
  3. Er wird müssen. (Futur I)
  4. Er wird gemusst haben. (Futur II)

Bei einem Modalverb wird die Konstruktion haben+Partizip durch haben+Infinitiv ersetzt. Das betrifft die obige Form 2. und 4. sowie ähnliche Zeitformen (mit hatte / hätte / werde haben / würde haben):

  1. Er muss es tun.
  2. Er hat es tun müssen.
  3. Er wird es tun müssen.
  4. Er wird es haben tun müssen.

Beachte, das bei 4. auch das haben nach vorn rutscht. Im Nebensatz rutschen die Infinitive hinter das haben:

  1. weil er es tun muss.
  2. weil er es hat tun müssen.
  3. weil er es tun müssen wird.
  4. weil er es wird haben tun müssen.

Allerdings halte ich Futur I bei Modalverben nur in speziellen Fällen für gerechtfertigt, und Futur II ist schon recht grenzwertig. Das liegt daran, dass müssen+Infinitiv und werden+Infinitiv eine zweite Bedeutung haben (Schlussfolgerung bzw. Vermutung). Damit haben die Futur-Sätze vier mögliche Bedeutungen.

Noch schlimmer wird es beim Infinitiv der Vorzeitigkeit (getan haben), denn da hat müssen praktisch immer diese zweite Bedeutung. Das haben hinter getan hat nichts mit der Flexion von müssen zu tun. Deshalb bleibt die Syntax gleich und man darf einfach stur jedes tun von oben durch getan haben ersetzen:

  1. Er muss es getan haben.
  2. Er hat es getan haben müssen.
  3. Er wird es getan haben müssen.
  4. Er wird es haben getan haben müssen.

Und im Nebensatz:

  1. Ich weiß, dass er es getan haben muss.
  2. Ich weiß, dass er es hat getan haben müssen.
  3. Ich weiß, dass er es getan haben müssen wird.
  4. Ich weiß, dass er es wird haben getan haben müssen.

Inhaltlich sind die Formen 2. und 4. allerdings hoffnungslos verkorkst. Ich würde die Aussagen bestenfalls so interpretieren:

  1. Es gibt Beweise, dass er es getan hat.
  2. Es hat Beweise gegeben, dass er es tat.
  3. Es gibt vermutlich Beweise, dass er es getan hat.
  4. Es hat vermutlich Beweise gegeben, dass er es tat.

Dass man Modalverben nicht beliebig flektieren kann, sieht man am deutlichsten an der zweiten Bedeutung von werden+Infinitiv. Das funktioniert nur im Präsens:

  1. Er wird es wohl getan haben.
  2. *Er ist es wohl getan haben worden.
  3. *Er wird es wohl getan haben werden.
  4. *Er wird es wohl getan haben worden sein.

Da braucht man sich nicht zu wundern, dass auch Modalverben in einigen Zeitformen die Bedeutung ändern oder etwas befremdlich klingen.

Fazit (Ich habe zum besseren Verständnis in Deinen Beispielen weil durch dass ersetzt.):

  • ..., dass Peter das Fenster schließen müssen wird.
  • ..., dass Peter das Fenster geschlossen haben müssen wird.

Das ist jeweils müssen+Infinitiv im Futur I, mit der üblichen Wortstellung.

Im Futur II lauten die Sätze:

  • ..., dass Peter das Fenster wird haben schließen müssen.
  • ..., dass Peter das Fenster wird haben geschlossen haben müssen.

Das ist die Ausnahmeregel für haben+Ersatzinfinitiv. Ich finde beide Sätze hoffnungslos verunglückt, aber auf Leo stehen tatsächlich ein paar Konstruktionen dieser Art.

ohwehohach 
Fragesteller
 05.06.2021, 08:34

Sehr vielen Dank für Deine ausführliche Erklärung. Dass die Grammatik im Futur II dermaßen verschwurbelt ist, ist mir nun, da ich das gelesen habe klar - und dass man das eigentlich niemals so verwendet erklärt auch, warum ich das Futur I mit dem Futur II verwechselt habe...

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ralphdieter  05.06.2021, 19:16
@ohwehohach

Danke fürs Sternle! Das hab ich mir sauer verdient, denn „Ich weiß, dass er es wird haben getan haben müssen.“ ist sicher der übelste deutsche Satz, den ich je verbrochen habe. Schlimmer geht's nimmer – außer durch Gendern ;-)

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ohwehohach 
Fragesteller
 06.06.2021, 11:17
@ralphdieter

Daran sieht man ja nur, dass "korrekt" nicht immer auch dasselbe ist wie "schön" ;-)

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Auch aus reinem Gefühl, ohne dir das erklären zu können:

würde zuerst.

Aber im Deutschen ist es ja oft so, dass mehrere Sachen sprachlich korrekt sind, nur eben unterschiedlich üblich.