Wie entsteht der "Mandela-Effekt"?

6 Antworten

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Der Mandela-Effekt bezieht sich eher auf kollektive falsche Erinnerungen als einzelne wie im Fall deiner Oma. Wie er konkret zustande kommt, ist bis heute nicht ganz geklärt. Man vermutet aber, dass der Effekt durch falsche Assoziation, Inferenz, Expandierung und Suggestion entsteht - klingt kompliziert, sind aber einfach gesagt vier Schritte:

  1. Das Gehirn speichert eine Erinnerung ab. In deinem Fall geschieht das in dem Moment, in dem deine Oma deinem Opa das erste Mal die Haare fettet. Gleichzeitig assoziiert das Gehirn diese Erinnerung mit anderen, ähnlichen Erinnerungen, dadurch entsteht ein "Cluster".
  2. Durch die Verbindung mit anderen Erinnerungen werden ähnliche Erinnerungen wieder "aufgefrischt" und sind plötzlich wieder viel näher als andere, die wir dann womöglich im Laufe der Zeit vergessen. Ein einfaches Beispiel: Versuche dich, an die Kuba-Krise zu erinnern, die du sicher in der Schule behandelt hast. Wahrscheinlich weißt du nicht mehr viel, aber hattest die Daten damals genau (oder zumindest besser) im Kopf. Das kommt daher, weil du dich die letzten Jahre wahrscheinlich weniger mit der Kuba-Krise, sondern mehr mit vielem anderen beschäftigt hast und die Assoziationen somit "in den Hintergrund gerückt sind", mit anderen Worten: Sie wurden überlagert. (Inferenz ist aber etwas anderes als salopp gesagt "Löschung").
  3. Der dritte Schritt ist am langwierigsten und dauert oft Jahre bis Jahrzehnte, nämlich die Expandierung von Erinnerungen, wenn neue Assoziationen hinzukommen (und das passiert jeden Tag). Werden bestimmte Erinnerungen wieder aktiviert, kann man sich die "Neuordnung" wieder wie eine Clusterung vorstellen, aber natürlich geraten im gleichen Zuge andere Erinnerungen in den Hintergrund, die in anderen Situationen mit assoziiert wurden (wenn beispielsweise deine Oma mit Fett, Pomade, etc. in anderen Zusammenhängen zu tun hat). Das passiert natürlich nicht Schlag auf Schlag, sondern schleichend innerhalb von Jahren. Einfach formuliert: Fehlende Erinnerungen werden aufgefüllt. Verschiedene entstehende Assoziationen verändern, wie wir Dinge im Kopf behalten, was dann letztlich aber auch dazu führen kann, dass wir bestimmte Dinge plötzlich mit Falschem assoziieren - was aber erst auffällt, wenn wir das nächste Mal wieder Assoziationen für einen Begriff suchen (das können zum Beispiel die Fälle sein, in denen ein Bauchgefühl trügt - eine falsche Assoziation).
  4. Der letzte Schritt ist die Suggestion - wenn viele Menschen eine bestimmte Assoziation haben, ist das ein selbstverstärkender Effekt, denn jeder fühlt sich dann durch die (womöglich falsche) Assoziation des anderen bestärkt und dadurch entsteht die kollektive falsche Erinnerung. So war es vermutlich bei Mandelas Tod der Fall, als das Phänomen ja das erste Mal verbreitet auftrat.

Das ist natürlich keine perfekt schlüssige Erklärung, aber ein Erklärungsansatz, wie das Phänomen entstehen könnte. Wie der Mandela-Effekt wirklich zustande kommt, ist wie gesagt - wie viele andere neurologische Phänomene - leider nicht geklärt.

LG

Hessen001 
Fragesteller
 07.04.2020, 20:50
Kuba-Krise zu erinnern

Nein, hatten wir nicht in der Schule. Unser Geschichtsunterricht hat kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges geendet.

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Willibergi  07.04.2020, 22:46
@Hessen001

Dann ersetze es durch irgendein Thema, das nicht unbedingt zur Allgemeinbildung gehört ;-) danke für den Stern!

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Das liegt daran dass unser Erinnerungsvermögen keinesfalls ein perfektes Speichermedium ist. Erinnerungen verändern und verzerren sich und werden manchmal sogar komplett vom Gehirn erfunden.

Untersuchungen zeigten das in etwa 70% der Kindheitserinnerungen eines durchschnittlichen Erwachsenen verzerrt sind und 40% völlig frei erfunden.

Zum Beispiel hat man einen Fall untersucht in dem eine Gruppe von Kindern fest davon überzeugt war eine Geburtstagsfeier im Garten verbracht zu haben. Videos und Fotos zeigen jedoch dass es an dem Tag geregnet hat und im Wohnzimmer gefeiert wurde.

Die Forscher fanden dann aber heraus dass ein großes Bild in diesem Wohnzimmer eine sonnige Blumenwiese zeigte. Die Kinder haben dieses Bild unbewusst gesehen und ihre Gehirne haben die Erinnerungen des Geburtstags mit den Erinnerungen an das Bild vermischt und so die neue Erinnerung geschaffen draußen gefeiert zu haben.

Wenn man nicht weiß dass das Gehirn so etwas macht und kann und/oder sein Erinnerungsvermögen für perfekt hält, kommt dann das im Mandela-Effekt beschriebene Gefühl zustande.

Die Frage kann ich leider nicht beantworten, aber ich glaube Suggestion spielt dabei eine große Rolle. Das "False memory syndrome" ist ein interessantes Phänomen in diesem Bereich. Dabei werden beim Versuch unterdrückte Erinnerungen ans Licht zu bringen stattdessen falsche Erinnerungen erzeugt.

Ich hab mal gelesen, dass man automatisch das abspeichert, was die Mehrheit schreibt/erzählt. Bestes Beispiel: Der Monopoly-Mann. Ich ging immer davon aus, dass er ein Monokel trägt, weil Freunde davon überzeugt waren. Also hab ich es irgendwann geglaubt. Aber in Wahrheit trägt er gar keins. Wir Menschen sind es gewohnt, mit dem Strom zu schwimmen und der Mehrheit zu vertrauen. Je mehr Menschen von einer Sache überzeugt sind, desto glaubwürdiger erscheint sie. Das ist ein Urinstinkt, der uns früher beim Überleben geholfen hat. Diejenigen, die sich als Einzelgänger von einer Gruppe losgesagt haben, rannten oft in ihr Verderben.