Wie entstehen Kriechströme am Neutralleiter?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Nur die, die selbst keine Ahnung haben, lachen bei solchen Fragen. Darüber hinaus ist das eine richtige und wichtige Frage, die sich alle Lehrlinge stellen sollten. Umso trauriger sind die Lehrwerkstätten, die die Natur von Strom und Spannung nur oberflächlich behandeln.

Regel Nr. 1
Strom fließt im geschlossenen Stromkreis.

Regel Nr. 2
Der Stromfluss erfordert einen Potentialunterschied, genannt elektrische Spannung.

Stell dir zunächst eine Wechselspannungsquelle vor, einphasig. Du hast zwei Leiter nummeriert mit 1 und 2. Wenn du 1 allein anpackst, passiert nichts. Zwar wirst du auf das Potential von 1 gebracht, allerdings kann kein Strom fließen, weil der Stromkreis nicht geschlossen ist.

Packst du nur Nr. 2 an, passiert aus dem selben Grund ebenfalls nicht. Die Gefahr kommt dann, wenn du beide gleichzeitig anpackst, da sich der Stromkreis nun über deinen Körper schließt. Du gibst dem Strom also einen Pfad. Diese Beschreibung trifft auf ein isoliertes Netz zu, d.h. die Spannungsquelle ist mit keinem ihrer Pole mit Erde verbunden.

Genau letzteres tun wir aber jetzt. Wir verbinden von dieser einen Spannungsquelle eins der Pole mit Erde. Einigen wir uns willkürlich auf Nr. 2.

Wenn du jetzt Nr. 1 anpackst, schließt sich der Stromkreis über Nr.1 -> Körper -> Erdungsstruktur -> Nr.2 zur Spannungsquelle. Es fließt also ein Strom, da er jetzt einen Pfad hat. Warum? Weil du als Mensch als Leiter fungierst und mit deinem Körper Kontakt zum Boden hast. Der Boden, der über das Erdreich auch eine Verbindung zur Spannungsquelle hat, da wir Nr. 2 ja mit Erde verbunden haben.

Wenn du jedoch schweben könntest und dann die Nr. 1 anpacken würdest, wäre auch der Kreis wieder nicht geschlossen (denke dabei an die Vögel, die auf Freileitungen rumstehen). Auch wärst du sicher, wenn du den Kontakt zwischen dir und dem Boden isolieren würdest. Soweit so gut, doch was passiert, wenn du nicht Nr. 1, sondern die mit Erde verbundene Nr. 2 anpackst?

Nun ja, dann ist das so, als würdest du das Erdreich oder den Boden anpacken (idealisiertes Szenario, nur zu Lehrzwecken konstruiert, in Wahrheit gibt es auch dann Gefahren, aber lassen wir es erstmal dabei).

Zusammengefasst bedeutet das: Der Strom fließt nur dann, wenn es einen geschlossenen Kreis gibt und ein Potentialunterschied.

Der Grund, warum ich eine der beiden Leitern nicht als N bezeichnet habe, liegt daran, dass der N nicht für den "Rückleiter" steht. Denn bei Wechselstrom ist jede der zwei Leiter abwechselnd der Hin- und Rückleiter. Das N von Neutral rührt daher, dass es bei dreiphasigen Spannungsquellen den Sternpunkt, ehemalig auch Mittelpunkt genannt, darstellt. Dieser Sternpunkt hat im gesunden Betrieb der Quelle 0 V, weil sich dort die Ströme zu null summieren. Der Punkt ist "neutral".

Bei einem einphasigen Netz wie oben ausführlich beschrieben wäre es aber nicht neutral, daher darf dieser in solchen Netzen auch nicht als N bezeichnet werden (wie z.B. bei einphasigen Generatoren).

Bei unsymmetrischer Belastung einer dreiphasigen Spannungsquelle ist der N jedoch stromführend. Packst du den N während solch einer Belastung an, geschieht dir deswegen nichts, weil dieser N mit Erde verbunden ist und ihr beide (Mensch + N) auf dem selben Potential steht. (In Wahrheit gibt es immer Potentialunterschiede, doch diese sind in geerdeten Netzen gering).

Frag mal die Leute, die dich ausgelacht haben, ob du die N-Schiene anpacken dürftest, wenn du sie in der Mitte zersägen bzw. in zwei teilen würdest ;)

Die Antwort war falsch! Der Neutralleiter ist die Erde NACH dem FI. Und dahin fließen alle Rückströme von einphasigen Verbraucher bzw. auch bei Drehstrom- Verbrauchern, wenn sie nicht symetrisch sind.

Kriechströme hingegen sind ganz was anderes: Das sind ungewollte Ströme, die durch fehlerhafte Isoaltionen oder auch Bauteile entstehen. Diese Ströme gehen nicht über den N zurück sondern "kriechen" irgendwie gegen Erde ab. Folge hiervon ist eine Differenz zwischen vorlaufenden und rücklaufenden Strom im FI, der, wenn er den Auslösestrom des FIs übersteigt, zur Auslösung führt. Kriechströme entstehen beispielsweise durch alternde Kabelisolationen oder Netzfiltern von Schaltnetzteilen.

lilkey316 
Fragesteller
 20.12.2022, 13:09

Okay auch sehr gut zu wissen danke!

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Im Wechselstromkreis ist die Stromstärke im Neutralleiter genauso groß wie in der jeweiligen Phase (Außenleiter). Beim Gleichstromkreis ist auch immer bei beiden Leitern die Stromstärke gleich groß.

Eine Isolation der N-Schiene ist völlig unnötig, weil sie keine Spannung gegen Erde führt. Der Neutralleiter ist ja immer geerdet.

Einen elektrischen Schlag erhält man bei Berührung eines Leiters, der eine empfindliche Spannung (größer als 50 Volt) gegen Erde führt, während man gleichzeitig einen leitenden Kontakt zur Erde hat. Wo keine Süpannung gegen Erde anliegt, macht also eine Isolation gegen Berührung keinen Sinn.

Mit der Stromstärke hat das überhaupt nichts zu tun! Zum Vergleich:

In den geerdeten Fahrschienen elektrischer Bahnen fließen stellenweise und zeitweise bis zu 1000 Ampere. Das bringt niemanden auf die Idee, die Fahrschienen zu isolieren! Die Oberleitung führt gelegentlich Spannungen von einigen tausend Volt gegen Erde. Die Oberleitung ist aber nicht aus Versehen körperlich erreichbar.

Das ist nach meiner Ansicht kein Thema des Kriechstroms. Wenn wir die Kette "Phase .. Verbraucher .. Null-Leiter" haben, dann ist es egal, an welcher Stelle wir einen Strommesser einbauen. Sowohl in der Hinleitung "Phase" als auch in der Rückleitung "Null" wird die gleiche Stromstärke gemessen.... und das ist wahrlich kein Kriechstrom und die Leitung muss entsprechend dick sein. Anders verhält es sich mit der Spannung. Vor dem Verbraucher haben wir die volle Spannung und nach dem Verbraucher eher sehr wenig. Wenn die Rückleitung eine Fette Kupferschiene ist, dann ist deren Widerstand auch recht gering und der Strom erzeugt auch nur einen geringen Spannungsabfall.... diesen kann man dann gegen Erde messen. Diesen würdest du bei einem Kontakt spüren oder auch nicht. Irgendwo in der Anlage laufen der Neutralleiter und die "Erde" zusammen und liegen auf gleichen Potenzial. Damit wird eine mögliche Spannung gegen Erde nur durch den geringen Schienenwiderstand und den Strom bestimmt

lilkey316 
Fragesteller
 20.12.2022, 12:51

Danke das war auch sehr hilfreich

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Es braucht immer einen geschlossen Kreislauf um einenStromschlag zu bekommen. Der N ist geerdet und hat dadurch annäherend das gleiche Potential. Infolge dessen kann kein Strom durch deinen Körper fließen.

Läuft über jeden Neutralleiter so ein geringer Strom? Auch bei Gleichspannung, der Minus?

In einem Wechselstromkreis oder auch Gleichstromkreis fließt über den Neutralleiter oder Minus immer der gleiche Strom wie du ihn auch am L oder Plus messen tust.

Anders bei einem Drehstromkreis wo der N Strom kleiner sein kann wie die Summe der Phasenströme. Das hängt mit der Verkettung der Phasen zusammen.